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Siebender Brief.
Palemon an Euphranor.

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Tadler der Vorsehung. Ihre letzte Zuflucht zu einem Einwurfe wider die Verknüpfung der Dinge. Wird entkräftet; aus der Idendität der Dinge. Aus ihren Kräften. Aus dem Vermögen unsrer Seele. Aus dem Begriffe einer gantzen Welt.

Ist unser ganzes Leben nichts als Vorstellen und Wollen; so wird der Vernunftschluß, den die Menschen in jedem Augenblicke stillschweigend machen, dieser seyn:

Wir sehnen uns nach dem, was gut ist.

Dieser Gegenstand ist gut;

Daher müssen wir uns nach ihm sehnen.

In dem Obersatze kommen Thor und Weiser, Tugendhafte und Ruchlose, Gott und | Menschen überein. Er ist in der Natur eines jeden denkenden Wesens gegründet, und kann von dem Verstocktesten nicht in Zweifel gezogen werden.

Nur in dem Untersatze sind sie unendlich verschieden. So wie die Grade des Erkenntnisses, so wie die Einschränkungen der Vorstellungsskraft abwechseln; so gehen die Urtheile über die Güte eines Gegenstandes von einander ab.

Gott selbst, habe ich gesagt, kann nur an dem Gefallen haben, was gut, was vollkommen ist. So weit hat sich die Blindheit der Sterblichen selten gewagt, diese Warheit in Zweifel zu ziehen. Allein die wenigsten haben sie in ihrem völligen Umfange begriffen. Wohlan, Euphranor! Ich will dir diesen Grundsatz in seinem gehörigen Lichte zeigen. |

Das allervollkommenste Wesen muß an solchen Begebenheiten Gefallen haben, die in einander gegründet sind, aus denen die weiseste Ordnung hervorleuchtet. Wichtige Wahrheit! dadurch die Vorsehung ge-||rechtfertiget, und die Blödsinnigen beschämt werden, die in die bittersten Klagen wider die Einrichtung in dieser Welt ausbrechen. Nach langen hartnäckigten Gefechten hat man endlich in so weit über sie triumphirt, daß sie eingestehen müssen, es sey möglich, daß diese Welt, diese Verknüpfung zufälliger Dinge, die allervollkommenste sey; daß vielleicht nicht die geringste Verbesserung darinn vorgenommen, nicht das kleinste Uebel aus der Verknüpfung gerissen werden könnte, ohne nach dem Laufe der Natur in dem Gantzen weit grössere Uebel anzurichten. Allein die | weise Verknüpfung selbst ist für sie ein Stein des Anstosses. „Grausamer Schöpfer!“ rufen sie aus. „Die Verkündigung deiner Weisheit war die Quelle unsres Elends. Du hast in der Welt unzähliche Uebel eingeflochten, und warum? Blos um die schöne Ordnung nicht zu brechen, blos um das Werk deiner Weisheit, die Verknüpfung der Dinge nicht zu zerstöhren?“ – Wir wollen einen von diesen Unbesonnenen hören.

Ich gestehe es, kann ein solcher sagen; die Wesen haben nimmermehr schlechterdings vollkommen geschaffen werden können. Ja ich räume endlich ein, daß, wenn eine Verknüpfung der Dinge hat seyn müssen, vielleicht die allerbeste wirklich geworden ist. Allein wozu diese Verknüpfung? Hat es bey Gott gestanden, (und man gesteht | es, daß es in seiner Macht gestanden) warum hat er nicht ein jedes Uebel in der Welt durch ein Wunderwerk gehoben? Es wären unzähliche andere Uebel daraus erfolgt? Auch diesen hätte er durch Wunderwerke zuvor kommen sollen. Es wären grössere Güter aussengeblieben? Wunderwerke hätten sie hervorbringen können. Was vermag eine Allmacht nicht? Die Welt hätte aufgehört ein Spiegel seiner göttlichen Weisheit zu seyn? Elende Ausflucht! Was liegt daran? Die Geschöpfe wären glückselig gewesen, und, o Unbegreiflicher! blos aus Güte sollst du sie zum Daseyn gerufen haben.

Allein gesetzt, würde ich ihm antworten, du hättest ein Recht von der Allmacht al-|les mögliche zu fordern, bedenkest du auch, wie deine Forderung ins Werk zu richten sey? Alle Uebel, die vernünftigen Geschöpfen aufstossen können, bestehen in der Vorstellung einer Unvollkommenheit. (d) So hätte Gott alle Vorstellungen von Unvollkommenheiten durch Wunderwerke heben sollen?

„Allerdinges.“ ||

Und wenn aus dem Zustande meines Körpers in der Welt (denn nach ihm richten sich alle meine Gedanken) erfolget, daß ich mir in diesem Augenblicke eine Unvollkommenheit vorstellen werde; so soll mich die göttliche Allmacht plötzlich in einen seligern Zustand versetzen?

„Ich sehe nichts ungereimtes hierinn.“

Dieser veränderte Zustand hätte in meinem jetzigen nicht gegründet seyn dürfen? |

„Worzu dieses?“

Setze deinen Forderungen kein Ziel. Sage, um dem Schöpfer alle Mittel zur Rechtfertigung zu benehmen, er hätte mit jedem Augenblicke die zerbrächliche Beschaffenheit meines Körpers, und den unvollkommenen Zustand meiner Seele ändern sollen. Wo du es bey einigen wenigen Wunderwerken bewenden lässest, so gilt die Ausflucht immer noch; Sie würden nach dem Laufe der Natur erstaunliche Unordnungen nach sich gezogen haben.

„Worzu ein Lauf der Natur? Nicht ein einziger Zustand mag in dem gegründet seyn, der vor ihm hergegangen.“

O! so sage vielmehr, Gott soll mit jedem Augenblick Seele und Körper tödten, und anders erschaffen. Erwege es wohl, deine Forderung zielt handgreiflich auf diese Un-|gereimtheit hinaus. So lange die Veränderungen eines Dinges mit einander verknüpft sind, kann es sich unter tausend verschiedenen Gestalten zeigen, und immer noch eben dasselbe bleiben. Dasselbe Insect wird in verschiedenen Verwandelungen ein Wurm, eine Puppe, und ein Käfer; dieselbe Pflantze war Saamen, wird ein Keimlein und schießt zum Baume auf.

Warum? In jedem Zustande lag die Grundbildung der werdenden Gestalt. Im Wurme schon, ja im Eye selbst, war das Bild des künftigen Käfers, und im Saamen der bejahrte Baum verwickelt anzutreffen. Hebe die Verknüpfung dieser wandelbaren Gestalten auf; laß das Keimlein, das bestimmt war zum Sprößling heran zu wachsen, durch ein Wunderwerk plötzlich in einen Käfer verwandelt werden; die All-|macht vermag auch dieses. Höret nicht hier die Pflantze auf, und ein neues Wesen wird geschaffen? Und geschiehet dieses nicht, weil der Zustand der Pflantze mit dem Käfer in keiner Verbindung stehet?

Was ist deine Forderung anders? Um der Seele keine Unvollkommenheiten vorstellen zu lassen, soll Gott mit jedem Augenblicke neue || Wesen erschaffen, und die vorigen zernichten? Denn zernichten würde er sie, wenn der Zustand, darein er sie versetzete, mit dem vorhergegangenen gar nicht verknüpft wäre.

Wenn mein Gegner seine Neigung zu widersprechen aufs höchste treibt, was kann er hierwider sagen? Vielleicht, daß es besser wäre die Wesen nur einen Augenblick glücklich leben, als zum Elende Jahrhunderte fortdauern zu lassen? Seichte Verdrehung! | War dieses unser Streitpunkt? O nein! Alle Wesen wollte unser Widersacher fortdauern, und, durch Aufhebung der Verknüpfung in der Welt, glücklich fortdauern lassen. Ihre Zernichtung verlangen, ist eine andere Thorheit, deren Blösse man so oft und so glücklich aufgedeckt hat.

Noch mehr! Mit der allgemeinen Verknüpfung der Dinge hebt man zugleich die Kräfte aller Wesen, hebt man die Wesen selbst auf. Eine zufällige Kraft, deren Einschränkungen nicht bestimmt sind, kann nichts wircken. Wodurch aber sind die Kräfte in der Welt bestimt, als durch den Zusammenhang der Dinge? Soll sie ein unmittelbarer göttlicher Wille determiniren? So müßte Gott alles verrichten; so könnten die Geschöpfe nichts wirken; und | wo blieben ihre Kräfte? Worinn bestünden ihre Wesen? (e)

Ja alle Vermögen unsrer Seele müßten aufhören. Die Erinnerung, die Einsicht in die Zukunft, und das Vermögen zu schliessen, worauf stützen diese sich mehr als auf die Verbindung unsrer Begriffe, der vorhergegangenen mit den gegenwärtigen, und dieser mit den zukünftigen. Hebt man die Verbindung auf, wie können jene bestehen?

So grosse Zerrüttungen, wenn nur ein einziges denkendes Wesen wirklich wäre! Sollen mehr als eines vorhanden seyn; so wird die Verwirrung grösser. Ein jedes müßte sich eine andere Welt vorstellen. In dieser sichtbaren machen die Vorstellungen aller vernünftigen Wesen zusammen ein eintziges Gantze, eine Welt, aus, weil sie in | einander gegründet sind. In unsrer fabelhaften Voraussetzung aber, müßten eben so viel Welten seyn, als Vorstellungen. Mit jedem Augenblicke ändert sich die Scene. Für jede Seele wiederum eine neue Welt. – – – Nein! Gar keine Welt! Zerrüttung! Keine Wesen, keine Kräfte, keine Vorstellungen! Lauter Widersprüche! | ||

Moses Mendelssohn

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