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Fünfter Brief.
Palemon an Euphranor.
ОглавлениеSchönheit setzet Einheit im Mannigfaltigen voraus. Das Vergnügen, das daraus entstehet, beruhet auf der Einschränkung unsrer Seelenkräfte. Findet bey GOtt nicht Statt. Vollkommenheit erfordert keine Einheit, sondern Uebereinstimmung des Mannigfaltigen. Das Vergnügen, das daraus entsteht, gründet sich auf die positive Kraft unsrer Seele. Kömmt GOtt im höchsten Grade zu.
Du antwortest nicht, theuerster Jüngling! Wohl! Ich nehme das Stillschweigen für ein Zeichen deines Beyfalls an, und fahre in meinen Betrachtungen fort. Bisher haben wir alle Gegenstände des Vergnügens unter der Gestalt der Schön-|heit betrachtet. Die Jugend ist gewohnt alle ihre Lust der Schönheit zuzuschreiben. Nunmehr ist es Zeit die Grentzen der Vollkommenheit und der Schönheit zu trennen, und beide in ihrer wahren Gestalt zu zeigen. Dieses sind die Klippen, daran der Weltweise gescheitert, den ich in meinem vorigem Schreiben widerlegt habe. Er hat das auf die Vollkommenheit ziehen wollen, was nur von der Schönheit gilt.
Gönne mir Deine Aufmerksamkeit, Euphranor! Die Gleichheit, das Einerley im Mannigfaltigen ist ein Eigenthum der schönen Gegenstände. Sie müssen eine Ordnung oder sonst eine Vollkommenheit darbieten, die in die Sinne fällt, und zwar ohne Mühe in die Sinne fällt. Wenn wir eine Schönheit fühlen wollen, so wünscht unsere Seele gleichsam, sie mit Musse zu geniessen. Die | Sinne sollen begeistert seyn, und von ihnen soll sich die Lust auf die Vernunft ausbreiten.
Der Entwurf eines Gebäudes ist schön, wenn das Ebenmaß in den Abtheilungen, und ihre Abwechslungen leicht zu fassen sind; und aus keiner andern Ursache ist der Gothische Geschmack verwerflich, als weil er die Mannigfaltigkeiten in einer allzuverwickelten Ordnung anbringt. ||
Ein allzu sehr durch einander geschlungener Tantz mißfällt, weil wir die verschiedenen Züge und Linien, die auf dem Boden gezeichnet werden, nicht ohne Mühe aus einander wickeln können. Auch die Töne sind nur alsdenn wohlklingend, wenn die Bebungen in der Luft ein leichtes Verhältnis mit einander haben.
Was folget hieraus? Daß das Gefühl der sinnlichen Schönheit, blos unserm Un-|vermögen zuzuschreiben sey. Wir ermüden, wenn unsre Sinne eine allzuverwickelte Ordnung aus einander setzen sollen. Wesen, die mit schärfern Sinnen begabt sind, müssen in unsern Schönheiten ein eckelhaftes Einerley finden, und was uns ermüdet, kann ihnen Lust gewähren. Er, der alles Mögliche mit einmal übersiehet, muß die Einheit im Mannigfaltigen durchaus verwerfen. – – – Verwerfen? Und so hat der Schöpfer kein Gefallen an dem Schönen? So zieht er es nicht einmal dem Häßlichen vor? Ich behaupte Nein, und die Natur, das Werk seiner Hände, soll mir Zeugnis davon geben. Nur die äussere Gestalten hat der weise Schöpfer mit sinnlicher Schönheit begabt. Diese sind bestimmt auf die Sinne anderer Geschöpfe reitzend zu wirken. Die Schönheit | der menschlichen Bildung, die annehmlichen Farben, die gewundenen Züge, die in seinen Minen bezaubern, sind nur der äusseren Schale gleichsam eingeprägt. Sie gehen nur so weit als unsre Sinne reichen. Unter der Haut liegen gräßliche Gestalten verborgen. Alle Gefässe sind ohne scheinbare Ordnung in einander verschlungen; die Eingeweide halten einander das Gleichgewicht, aber kein Ebenmaß, keine sinnliche Verhältnisse; lauter Mannigfaltigkeit, nirgend Einheit; lauter Beschäftigung, nirgend Leichtigkeit in der Beschäftigung. Wie sehr würde der Schöpfer seinen Zweck verfehlt haben, wenn er nichts als Schönheit gewesen wäre!
Ich wende mich zu dir, göttliche Vollkommenheit! Wahrer Endzweck der Schöpfung! Rathgeberin Gottes! Ich würde | dein Heiligthum entweihen, wenn ich dir nur Vorzüge, für eingeschränkte Wesen, einräumen wollte. Nein! Auch dem Unendlichen gefallen deine Vortreflichkeiten. Du gewährest Mannigfaltigkeit, aber kein Einerley in dem Mannigfaltigen, keine Leichtigkeit in der Beschäftigung. Diese unwürdigern Vorzüge überläßt du der Schönheit. Allein du erforderst Uebereinstimmung, Einhelligkeit. Aus dem gemeinschaftlichen Endzwecke eines Wesens, soll sich begreifen lassen, warum das Mannigfaltige so und nicht anders neben einander ist. Du ge-||währst nicht nur Vorstellungen, sondern auch verknüpfte und in einander gegründete Vorstellungen. Nichts muß überflüßig, nichts mißhellig, nichts mangelhaft in deinen Mannigfaltigkeiten seyn. | An diesen Merkmalen unterscheidest du dich von allen niedrigern Ergötzlichkeiten. (c)
Das Gefallen an der Uebereinstimmung des Mannigfaltigen, gründet sich auf eine positive Kraft unsrer Seele. Wenn es Wesen, die mit einer Vorstellungskraft begabt sind, natürlich ist, sich nach Vorstellungen zu sehnen; so ist es auch vernünftigen Wesen eigenthümlich, nach solchen Vorstellungen zu streben, die in einander gegründet sind. Zerrüttete Begriffe, Mißhelligkeiten, Widersprüche, streiten eben so wohl wider die Natur und das ursprüngliche Bedürftnis aller denkenden Wesen, als der völlige Tod aller Vorstellungen. Hierinn liegt der mächtige Reitz, mit welchem die Vollkommenheit alle Geister an sich ziehet; und so weit eine positive Kraft über ihre Einschränckung erhaben ist, so weit ist | das Vergnügen der Vollkommenheit, über das Vergnügen der Schönheit hinweg.
Der Unterscheid ist handgreiflich. Wenn du die Zwergbäume in deinem Obstgarten beschauest; wenn du auf die Zweige, die sich in zirkelrunder Ordnung stufenweis erheben, und auf die Krone, die in der Mitte stoltz hervor ragt, acht hast; so hast du die sinnliche Schönheit der Bäume völlig inne, ihr Anblick gefällt dir, und reitzt deine sinnliche Empfindung. Es ist wahr mit dieser Schönheit ist eine Art von Vollkommenheit verbunden; denn aus dem allgemeinen Plane der Schönheit, läßt sich Grund angeben, warum die Zweige eben also geordnet sind. Allein der allgemeine Zweck, ist die Sinne durch ein leichtes Verhältnis zu reitzen, und die Vollkommenheit stützt sich auf Schönheit. |
Nunmehr denke an die wahre Vollkommenheit der Bäume. Die Schönheit kann durch die Kunst in Bildern vortreflich nachgeahmt werden; aber die Vollkommenheit, wie klein und unvermögend ist hierinn die Kunst! Erwege diese Blätter, diese Zweige, diese Knospen hier, jene Blüthen dort, was für ein gemeinschaftlicher Endzweck verbindet sie? In welcher Verknüpfung stehen sie mit dem Baume, und durch ihn mit dem Gantzen? Hier wird deine Seele von Wollust trunken, hier erlangst du das anschauende Erkenntniß einer ächten Vollkommenheit; ein Vergnügen, das sich nicht auf deine Schwachheit, das sich auf das vernünftige Bestreben nach in einander gegründeten Vorstellungen stützt. ||
Da nun gewiß ist, daß Gott nichts ohne zureichenden Grund verstatten kann; so hat | auch Gott Gefallen an Vorstellungen, die in einander gegründet sind; so hat auch Gott Gefallen an der Vollkommenheit. Die Natur soll nicht aufhören mein Zeuge zu seyn. Die häßlichsten Gestalten, die die menschliche Haut bedeckt, die innersten, die kleinsten Theile der Schöpfung, dahin kein Auge dringt, hören nicht auf, vollkommen zu seyn; hören nicht auf, in gegenseitiger Uebereinstimmung, so viel zum allgemeinen Endzwecke beyzutragen, als sie vermögen; hören nicht auf, weder Ueberfluß noch Mangel zu dulden. Alles in der Natur zielet nach seinem Zwecke; alles ist in allem gegründet, alles ist vollkommen. | ||