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Moses Mendelssohn an den Erbprinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel.

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Durchlauchtigster Prinz!

Gnädigster Herr!

Ew. Durchlaucht würde ich keinen Anstand nehmen, meine Betrachtungen über den Bonnet gehorsamst zu übersenden, wenn solche nicht immer noch mehr in mir als auf dem Papiere existirten. Was davon aufgezeichnet ist, bestehet in abgerissenen Betrachtungen, die das Licht eines erleuchteten Kenners noch scheuen müssen. Ich habe die beste Hoffnung, daß es unnöthig sein wird, sie weiter auszuführen und in Ordnung zu bringen. – Um aber Ew. Durchlaucht gnädigstem Befehl zu gehorchen, werde zur Beantwortung der mir vorgelegten Fragen das Nöthige aus meinen Gegenbetrachtungen anführen, in dem festesten Zutrauen zu Dero Weisheit, daß das freimüthige Bekenntniß, welches ich nur Ihnen ablege, Niemanden zu Gesichte kommen wird, dem es zum Aergerniß oder Mißbranch Gelegenheit geben könnte. –

Erste Frage.

„Was hat ein unter dem Mosaischen Gesetze lebender Weltweise für Grund, die historischen Beweise des A. T. anzunehmen und des Neuen zu verwerfen?“

Durchlauchtigster Prinz! Ich kann keinem Zeugnisse trauen, das, meiner Ueberzeugung nach, einer ausgemachten, unumstößlichen Wahrheit widerspricht. Nach der Lehre des N. T. (wenigstens wie. dieses in öffentlichen Lehrbüchern erklärt wird) muß ich 1) eine Dreieinigkeit in dem göttlichen Wesen, 2) die Mensch-|werdung einer Gottheit, 3) das Leiden einer Person der Gottheit, die sich ihrer göttlichen Majestät entäußert hat, 4) die Genugthuung und Befriedigung der ersten Person in der Gottheit durch das Leiden und den Tod der erniedrigten zweiten Person und noch viele andere diesen ähnliche oder aus diesen fließende Sätze bei Verlust meiner ewigen Seligkeit glauben. – Nun kann ich zwar und will auch meine Urtheilskraft keinem vernünftigen Wesen zur Richtschnur aufdringen. Wer bin ich elendes Geschöpf, der ich mich Dieses ver-||messen sollte? Aber ich selbst kann die Wahrheit nicht anders als nach meiner Ueberzeugung annehmen und ich gestehe, daß mir die angeführten Sätze den ersten Gründen der menschlichen Erkenntniß schnurstracks zu widersprechen scheinen. Ich kann sie meiner Ueberzeugung nach mit Dem, was mich Vernunft und Nachdenken von dem Wesen der Gottheit und ihrer Eigenschaften gelehrt hat, nicht in Harmonie bringen, und bin also gezwungen, sie zu verwerfen. – Wenn ich diese Lehren im A. T. fände, so würde ich auch das A. T. verwerfen müssen, und wenn ein Wunderthäter, sie zu bewähren, vor meinen Augen alle Todten erweckte, die seit Jahrhunderten begraben worden, so würde ich sagen: der Wunderthäter hat Todte erweckt, aber seine Lehre kann ich nicht annehmen. – Hingegen finde ich im A. T. nichts, das diesen Lehren ähnlich siehet, nichts, das meiner Ueberzeugung nach mit der Vernunft streitet. Daher kann ich mich mit gutem Grunde auf die historische Glaubwürdigkeit verlassen, die wir diesen Schriften einstimmig zuerkennen. Der Unterschied, den ich zwischen den Büchern des alten und neuen Testaments mache, besteht also darin: jene harmoniren mit meiner philosophischen Ueberzeugung oder widersprechen derselben wenigstens nicht, diese hingegen fordern einen Glauben, den ich nicht leisten kann. – Ich weiß, daß nach der geheimen Lehre einiger vortrefflichen Männer, die es mit der Wahrheit und der christlichen Religion sehr gut meinen, alle diese der gesunden Vernunft wie es scheint anstößige Sätze für menschliche Zusätze erklärt werden. Nach dem Lehrbegriff dieser Weisen, den man in England schon öffentlich auszubreiten anfängt, war der Stifter der christlichen Religion ein Mensch, wie wir übrigen auch sind, – aber ein Gesandter und Prophet Gottes, etwa wie der Stifter der jüdischen Religion, oder noch größer, und er hatte den Beruf unmittelbar von Gott, die alte natürliche Religion in ihre geheiligten Rechte einzusetzen, die Menschen von ihren Pflichten und von | ihrer zukünftigen Glückseligkeit zu unterrichten und seine Lehre durch übernatürliche Wunderwerke zu bekräftigen. – Herr Bonnet hat seine Religion auch nur von dieser vortheilhaften Seite gezeigt, und obgleich nicht daraus zu beweisen ist, daß er Dasjenige, was er verschweiget, nicht auch für wahr halte, so müßte ich Dieses doch auf eine Zeitlang voraussetzen, um die christliche Religion der unitarischen Christen mit der meinigen zu vergleichen. ||

Ich mache an diese Verbesserer der herrschenden Religion noch folgende Anforderungen:

1. Sie müssen in ihren Lehrgebäuden nicht, wie Herr Bonnet gethan, den Satz zum Grunde legen, daß das Judenthum und noch weit mehr die natürliche Religion zur künftigen Glückseligkeit der Menschen unzureichend sei. Da die Menschen alle von ihrem Schöpfer zur ewigen Glückseligkeit bestimmt sein müssen, so kann eine ausschließende Religion nicht die wahre sein. Diesen Satz getraue ich mir als Criterium der Wahrheit in Religionssachen anzugeben. Eine Offenbarung, die allein die seligmachende sein will, kann nicht die wahre sein, denn sie harmonirt nicht mit den Absichten des allbarmherzigen Schöpfers.

Nach der verbesserten Form, welche diese Lehrer der Religion gegeben, haben sie auch zu dieser Ausschließung nicht den geringsten Grund. Wenn der Stifter bloß den Beruf und die Absicht gehabt, die natürliche Religion in ihre Rechte einzusetzen, und die Menschen von ihrer ewigen Seligkeit zu versichern, so muß es zu meinem Heile hinreichend sein, wenn ich nach der natürlichen Religion lebe und die Lehre von der Unsterblichkeit der menschlichen Seele von ganzem Herzen annehme. – Daß ein gewisser menschlicher Lehrer dereinst den göttlichen Beruf gehabt, diese Lehre durch Wunder zu bekräftigen, Dieses zu glauben kann keine nothwendige Bedingung meiner Glückseligkeit sein.

2. Die Ewigkeit der Höllenstrafen wird hoffentlich in diesem gereinigten System keinen Platz finden. Allein auch die Lehre von der Genugthuung und Befriedigung der göttlichen Strafgerechtigkeit wünschte ich reformirt zu sehen. – Die göttliche Gerechtigkeit heischet keine Genugthuung, sondern eine Bestrafung, eine Züchtigung, welche dem Sünder selbst zum Besten gereichet. Sobald in der Haushaltung Gottes die Strafe nicht mehr zum ewigen Wohl des Sünders unentbehrlich ist, so wird sie ihm erlassen.

3. Daß ein Unschuldiger die Schuld eines Andern trage, und wenn er sie auch freiwillig übernehme, kann, meinen Be-|griffen nach, in dem Staate Gottes von dem allergerechtesten Wesen nicht zugelassen werden. Auch aus diesem Satze folgen einige nöthige Verbesserungen, die sich von selbst ergeben.

4. Von der Erbsünde weiß die gesunde Vernunft nichts und das A. T. eben so wenig. Adam hat gesündiget und ist gestorben, seine || Kinder sündigen und sterben, aber sie sind nicht durch seinen Sündenfall dem Guten abgestorben und in die Macht des Satans gekommen.

5. Vom Satan und den bösen Geistern möchte ich auch gerne die Freiheit haben zu glauben, was meiner Vernunft gut dünkt. Das A. T. bestimmt über diese Punkte nicht mehr, als sich vernünftig erklären läßt.

6. Der Stifter der christlichen Religion hat niemals mit ausdrücklichen Worten gesagt, daß er das Mosaische Gesetz aufheben und die Juden davon dispensiren wolle. Ich habe Dieses in allen Evangelisten nicht gefunden. Die Apostel und die Jünger sind sogar lange nachher noch in Zweifel gewesen, ob nicht Heiden, die sich bekehrten, auch das Mosaische Gesetz annehmen und sich beschneiden lassen müßten. Allein es wurde beschlossen, den Heiden keine zu große Last aufzulegen (Apostelgeschichte). Vollkommen nach der Lehre der Rabbinen, die ich in meinem Schreiben an Lavater angeführt. Aber für Juden, und wenn sie auch das Christenthum annehmen, finde ich im N. T. keine gegründete Dispensation von dem Mosaischen Gesetze. Vielmehr hat der Apostel selbst Timotheum beschnitten. Man räume mir also ein, daß es für mich kein Mittel gibt, mich von dem Mosaischen Gesetze zu befreien.

Wenn außer der Verbesserung der Hauptlehren der Religion auch noch diese Sätze nebst allen ihren Folgen zugegeben und die Schriften des N. T. nach Maßgebung aller dieser Voraussetzungen ausgelegt und erklärt werden, so erlangt man eine Religion, daran Christen und Juden gleichen Antheil nehmen können. Unter diesen Bedingungen können die Anhänger des Judenthums sich gar wohl gefallen lassen, daß dereinst ein Prophet und Gesandter Gottes den Beruf gehabt, nicht das mosaische Gesetz aufzuheben, sondern dem gesunkenen menschlichen Geschlechte die heiligen Lehren von der Tugend und ihrer Belohnung in jenem Leben zu predigen; und von der andern Seite wird es den Nachfolgern Jesu nur darum zu thun sein, daß man die Lehren annehme und ausbreite, die ihr Religionsstifter auszubreiten den Beruf | gehabt. Will man die Göttlichkeit des Berufs selbst anerkennen, so ist es um so viel besser, aber es wird keinen Unterschied in der Religion machen, ob man diese erkennet, in Zweifel ziehet oder auch leugnet. – Ich kann es nicht genug wiederholen, es kömmt Alles auf die logische Wahrheit der Lehre, nicht auf die historische Wahrheit der Gesandtschaft an. ||

Zweite Frage.

„Aus welchen Gründen derselbe die Zeugnisse für den Glauben der Christen verwerfe, die in dem A. T. vorkommen und unter den Mosaischen Gesetzen selbst als göttliche Eingebungen angenommen werden?“

Ich habe sie gelesen, die Stellen alle im A. T., auf welchen die Wahrheit jenes Glaubens beruhen soll, mit Aufmerksamkeit und mehr als einmal im Zusammenhange gelesen. Wie unaussprechlich elend wäre das Schicksal der Menschen, wenn von der Auslegung dunkler Stellen in einem Buche, das vor undenklichen Zeiten, in einer fremden, jetzt todten Sprache für ein bestimmtes Volk in Asien geschrieben worden, die ewige Glückseligkeit des ganzen menschlichen Geschlechts abhängen sollte! Ich glaube, die Sprache des Grundtextes so gut als irgend ein Neuerer zu verstehen, denn sie ist gleichsam meine zwote Muttersprache. Mir scheinen diese Stellen alle nicht die geringste Spur eines Beweises zu enthalten. Hat mich etwa ein Vorurtheil geblendet oder ist es an dem? Die Auslegungen der Theologen von diesen Stellen haben mir an vielen Orten offenbar falsch und an den übrigen höchst gezwungen und willkürlich geschienen. Zu meinem Troste finde ich, daß die neuern Exegeten, die mit Geschmack und Weltweisheit zur Auslegung der Bibel schreiten, schon so manche Stelle aufgeben, die man sonst für sehr beweisend gehalten. Ich meines Theils nehme mir die Freiheit, diese Streitigkeiten über die Auslegung mancher Schriftstellen als ein gelehrtes Spielwerk zu betrachten und mich selbst zuweilen damit zu belustigen. Aber Gott sei meiner Seele gnädig! ich kann mir den Grund meiner ewigen Seligkeit unmöglich aus den räthselhaften Träumen Daniels herausziffern, oder aus der erhabenen Poesie eines Propheten herauscommentiren. Diese Schriften sind zur Erweckung des Herzens, aber nicht zur Belehrung des Verstandes geschrieben.

Durchlauchtigster Prinz! Ich fürchte, meiner Feder allzu freien Lauf gelassen zu haben, und würde untröstlich sein, wenn | ich das Unglück hätte, durch allzu große Freimüthigkeit mir Ew. Durchlaucht Ungnade zu zu ziehen. Ich breche mit Zittern hier ab und erwarte mein Schicksal mit der quälendsten Ungeduld.

Dem allgütigen Herzenskündiger ist bekannt, daß ich die Wahrheit aufrichtig suche, und daß es mein unveränderlicher Vorsatz ist, || niemals mit meinem Wissen einer vernünftigen Seele Aergerniß zu geben. Alle Gelegenheiten, jemals über diese Punkte in öffentliche oder auch in Privat-Streitigkeiten zu gerathen, werde ich zeitlebens sorgfältig zu vermeiden suchen. – Ew. Durchlaucht allein habe, auf Dero gnädigsten Befehl, meine Gesinnungen weder verhehlen noch verstellen können. Ich bin von Dero erhabener Denkungsart versichert, daß Sie nichts als Aufrichtigkeit von mir erwarten und mir zugleich die Redlichkeit zutrauen, niemals selbst von diesen Gesinnungen schädlichen Gebrauch zu machen. Ich verachte die kleine Denkungsart der Freigeister, die sich ein sehr schadenfrohes Vergnügen machen, die Unschuld in ihrer Zufriedenheit zu stören, und mit dem Eiferer, der Dieses aus irrendem Gewissen thut, kann ich nicht anders als Mitleid haben. Ich nehme mir daher die Kühnheit, Ew. Durchlaucht unterthänigst zu bitten, dieses Schreiben zu vernichten, damit es nicht dereinst in die Hände eines Menschen gerathe, der es mißbrauchen, oder der vermöge seines Standes sich für verbunden halten könnte, darüber Streit zu erregen.

Unser gemeinschaftlicher Vater, der uns nach unserm Gewissen richtet, kann kein Herz verwerfen, das ihn inbrünstig liebet, und aus Unwissenheit, nicht aus Bosheit irrt. – Dieser Geber alles Guten lasse Ew. Durchlaucht alle die Segenswünsche angedeihen, die, mit allen Bewunderern großer Tugenden, im Herzen hegt u. s. w.

Moses Mendelssohn

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