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5. Unterredung eines Weltweisen mit einem Rabbi.
ОглавлениеEin Weltweiser sprach zu einem Rabbi: Euer Gott nennet sich in seiner Schrift einen Eiferer, der keinen andern Gott neben sich dulden kann, und giebt bey allen Gelegenheiten seinen Abscheu wider den Götzendienst zu erkennen. Wie kommt es aber, daß er mehr die Anbeter der Götzen, als die Götzen selbst zu hassen scheint? – Ein gewisser Fürst, antwortete der Rabbi, soll einen ungehorsamen Sohn haben. Unter andern nichtswürdigen Streichen mancherley Art hat er die Niederträchtigkeit, seinen Hunden des Vaters Namen und Titel zu geben. Soll der Fürst auf den Prinzen, oder soll er auf die Hunde zürnen? – Wenn aber Gott die Götzen ausrottete, erwiederte | jener, so würde weniger Gelegenheit zur Verführung seyn. – Ja, versetzte der Rabbi, wenn die Thoren bloß Dinge anbeteten, an welchen weiter nichts gelegen wäre. Allein sie beten auch Sonne, Mond, Gestirne, Flüsse, Feuer, Luft, u. d. g. an. Soll der Schöpfer, um dieser Thoren willen, seine Welt zu Grunde richten? Wenn jemand Getraide stiehlt und es einsäet; || soll das Getraide nicht aufschießen, weil es gestohlen ist? Soll eine sündliche Beywohnung darum nicht fruchtbar seyn, weil sie sündlich ist? O nein! der weise Schöpfer läßt der von ihm selbst so wohlgeordneten Natur ihren Lauf. Der Unvernünftige, der sie mißbraucht, wird schon zur Rechenschaft gefordert werden.
Wider die Vergeltung nach dem Tode machte ihm der Weltweise folgenden Einwurf. Wenn Leib und Seele getrennt sind, wem wird die Schuld der begangenen Sünden zugerechnet? Dem Leibe wahrlich nicht; denn | dieser liegt, wenn die Seele Abschied nimmt, wie ein Erdklos da, und würde, ohne die Seele, auch nie haben sündigen können. – Und die Seele? Ohne das Fleisch würde sie sich eben so wenig mit der Sünde befleckt haben. Sie schwebt in der reinsten ätherischen Luft, so bald sie durch den Leib nicht mehr an die Erde gefesselt ist. Welches von beyden soll also der Gegenstand der göttlichen Gerechtigkeit seyn?
Die Weisheit Gottes, antwortete der Rabbi, kennet zwar allein die Wege seiner Gerechtigkeit. Indessen ist dem Sterblichen zuweilen vergönnt, auf die Spur davon zu kommen. Jener Hausherr hatte in seinem Obstgarten zween Sklaven, wovon der eine lahm und der andere blind war. Dort sehe ich köstliche Früchte, sprach der Lahme zum Blinden, an den Bäumen hangen. Nimm mich auf deine Schulter; wir wollen davon brechen. Dieß thaten sie und bestahlen ihren Wohlthäter, der | sie, als unbrauchbare Knechte, bloß aus Mitleiden ernährte. Er kam, und stellte die Undankbaren zur Rede. Jeder schob die Schuld von sich, indem der Eine sein Unvermögen die Früchte zu sehen, der Andere sein Unvermögen, zu ihnen hinanzukommen, vorschützte. Was that aber der Hausherr? Er setzte den Lahmen auf den Blinden, und strafte sie in der Lage ab, in welcher sie gesündiget hatten. – So auch der Richter der Welt mit des Menschen Leib und Seele.