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Das jüdische Gebet Alenu
ОглавлениеDas Gebet Alenu ist eines der ältesten Gebete unserer Nation, das seiner ersten Einrichtung nach blos für den Neujahrstag, als eine feierliche Einleitung zur Huldigung des allerhöchsten Gesetzgebers und Richters der Welt bestimmt gewesen; wegen seines wichtigen und erhabenen Inhalts aber zum täglichen Schlußgebete angenommen worden. Daß in demselben blos die Heyden und ihr Götzendienst angeführet und nicht, wie einige Feinde und Verläumder der jüdischen Nation fälschlich vorgeben, auf die Christen, welche den König aller Könige, den Heiligen – gelobt sey Er! – eben so wie wir anbeten, oder auf ihren Meßias durch cabbalistische Deuteleien angespielet werde, läßt sich aus vielen Gründen unumstöslich beweisen, | davon ich die wichtigsten nur anzuführen, mich begnüge.
Verschiedene Schriftsteller der Nation halten dafür, dieses Gebet sey zu den Zeiten Josua, Sohns Nun und, wie einige wollen, von diesem göttlichen Manne selbst aufgesetzt worden. (S. Tasbatz vom Gebet § 253. Rokeach u.a.m.)
Ob nun gleich andre Schriftsteller dieses in Zweifel ziehen: so ist doch wenigstens so viel gewis, daß das Gebet Alenu zu den Zeiten des zweiten Tempels schon existirt haben müße, indem wie bekannt, in den Hauptgebeten der jüdischen Nation, die unter dem Namen Thephilloth Schemone Esre bekannt sind, seit der Zeit der Männer des großen Raths, die zu den Zeiten des zweiten Tempels gelebt haben, keine Veränderungen vorgenommen worden. Das Huldigungsgebet am Neujahrstage aber, wozu das Gebet Alenu zur Einleitung bestimmt ist, macht sicherlich Eines der wichtigsten und feierlichsten Gebete der jüdischen Nation aus und man kann versichert seyn, daß es am | spätesten von den Männern des großen Raths, d. i. zu den Zeiten des zweiten Tempels eingeführet worden sey. Diese Vermuthung wird ferner durch den Inhalt des Gebets selbst sehr wahrscheinlich; denn es ist blos auf die Ausrottung des Götzendienstes und die allgemeine Einführung des Glaubens an den einigen, wahren und allmächtigen Gott gerichtet und geschieht in demselben weder von der Befreiung der Nation, noch von der Wiederaufbauung des Tempels die mindeste Erwähnung, welches || sicherlich nicht unterblieben seyn würde, wenn das Gebet nach der Zerstörung des Tempels aufgesetzt worden wäre. Ferner unterscheidet der Verfaßer des Gebets seine Nation von den Nationen andrer Länder und den Geschlechtern des Erdbodens, woraus erhellet, daß die Nation zu derselben Zeit noch in ihrem Lande gelebt haben müsse. Es ist daher, meines Erachtens, höchst ungereimt, in diesem Gebet eine geheime Anspielung auf die Christen und ihren Meßias suchen zu wollen, da die Verfaßer desselben offenbar noch vor den Zeiten Jesu, des Nazaräers, gelebt | haben, zu einer Zeit, in welcher das Heydenthum überall sich ausgebreitet hatte und außerhalb Judäa der Götzendienst, deßen Ausrottung in diesem Gebet erflehet werden soll, überall die herrschende Religion gewesen. Es ist auch nicht zu vermuthen, daß etwa nach der Zeit mit diesem Gebete eine Veränderung vorgenommen und die geheime Anspielung in späteren Zeiten hineingebracht worden sey, da eines Theils sich die Juden von je her ein Gewißen gemacht haben, in die Hauptgebete, wie schon erwähnt, die geringste Veränderung einschleichen zu laßen, und andern Theils das Gebet Alenu insbesondere bei ihren Schriftstellern in so großem Ansehen stehet, daß sie alle Worte und Sylben desselben gezählet und niedergeschrieben haben, auch mit der größten Gewißenhaftigkeit darauf halten, daß keine Sylbe darinn verändert werden möge. Es wird ferner dieses Gebet, ohne die mindeste Veränderung von Schriftstellern angeführet, die unter mahomedanischer Bothmäßigkeit gelebt haben, als Maimonides in Jad Chasakah, R. David Abudraham | in seinem Commentar über die Gebete der Juden, denen also sicherlich keine geheime Anspielung auf Jesum hat in den Sinn kommen können.
Die Juden in Asien und Africa beten das Alenu mit denselben Worten, ob sie gleich kein Christenthum vor Augen haben, auf welches sie heimlich anspielen könnten. Ich verwundre mich daher nicht wenig über – Kypken, wie er ohne die mindeste Untersuchung dem Exjuden Peter (beim Nizzachon §. 348.) auf sein Wort glauben und nachschreiben können, „daß durch das Wort Vorik, etwas Leeres, Jesus Christus verstanden werde, weil nach der Cabbala das Wort Vorik und Jeschu der Zahl nach, gleichviel bedeutet.“ Wie hat dieser Lehrer der hebräischen Sprache nicht bedacht, daß der Prophet Jesaias, dem man doch keine solche Anspielung schuld geben kann, sich desselben Ausdrucks Hevel Vorik bedienet, um etwas anzudeuten, dazu man ein vergebliches Zutrauen habe, von dem man sich leere Hofnung macht: „Ihr Helfen ist eitel und vergeblich, hevel vorik. Kap. 30, v. 7.“ Diese | || Stelle hat der Verfaßer des Gebets Alenu, wie R. David Abudraham mit gutem Grunde vermuthet, im Sinne gehabt, als er sich eines ähnlichen Ausdrucks bediente, die eitle und vergebliche Zuversicht der Heyden zu ihren Götzen auszudrücken und eben daher ist es meines Erachtens auch wahrscheinlich, daß der Verfaßer nach den Zeiten des Propheten Jesaias und nicht, wie einige wollen, zu den Zeiten des Josua gelebet habe.
Die Stelle Psalm 49. führt Kypke nach D. Luthers Uebersetzung an. Als Kennern der hebräischen Litteratur kann ihm nicht unbekannt seyn, daß die Uebersetzung Luthers von diesem ganzen Abschnitt und besonders des 15. Verses dem Texte nicht getreu sey. Dieser ganze Psalm ist meines Erachtens bisher noch von keinem Schriftsteller richtig erkläret und noch weniger richtig übersetzt worden. Ich begnüge mich aber, hier bloß die von Kypke angeführte Verse, nach meiner Erklärung dieses Psalms anzuführen: |
V.13. | Allein des Menschen ganze Herlichkeit – sie bliebe kaum eine Nacht, wenn er hinführe, wie dummes Vieh. |
V.15. | Gleich einer Heerde, fahren sie ins Grab; sie treibt der Tod! die Seligen beherschen sie an jenem Morgen. Nicht ewig faßt der Abgrund ein Wesen, das ihn überdauret. |
V.21. | Ein Mensch in höchster Pracht, wenn er nicht weise ist, fährt hin, wie dummes Vieh!1 | |
Es ist hier der Ort nicht, die exegetischen Gründe anzuführen, die mich bewegen, den funfzehenden Vers so und nicht anders zu übersetzen. Soviel dünkt mich, fällt in die Augen, daß diese Erklärungsart einen gar triftigen Sinn gebe und eine Lehre enthalte, die des göttlichen Dichters würdig sey.
Ueberhaupt ist dieser Psalm einer der wichtigsten Lehrpsalmen, in welchem der Lehre von dem zukünftigen Leben, von der Auferstehung der Todten und von der Vergeltung des Guten und Bösen in einem zukünftigen Zustande mit deutlichen Worten erwähnt worden, um den Bedrängten zur Beruhigung und den Sünder zur Beßerung zu || erwecken. Es ist daher ein bei den Juden seit undenklicher Zeit eingeführter Gebrauch, in der Trauerwoche, da in dem Hause der Verstorbenen Betstunde gehalten zu werden pflegt, nach dem gewöhnlichen Morgen- und Abendgebete diesen und andere Psalmen ähnlichen Inhalts ablesen zu laßen, um die Gedanken des Todes und der Beraubung, dem die Leidtragende allzusehr nachzuhängen pflegen, un-|mittelbar mit dem Gedanken eines ewigen Lebens und mit der gegründeten Hofnung einer seligen Zukunft zu verbinden. Die in eben diesem Psalm mitberührte Bestrafung der Gottlosen nach dem Tode hat noch Niemanden auf den seltsamen Einfall gebracht, daß man eine Satyre auf den Verstorbenen zu machen, die Absicht habe. Jedermann sieht ein, daß Belohnung und Bestrafung sich einander entsprechende Begriffe sind und daß ein zukünftiges Leben ohne beides sich nicht denken laße.
Bei dem im Jahre 1762 angestellten Trauergottesdienste wegen des Absterbens der rußischen Kaiserin hat der Rabbiner zu Königsberg, der den 49. Psalm zum Vorsingen ausgesucht, wahrscheinlicher Weise keine andere Absicht gehabt, als die Trauerceremonien so zu feyern, wie sie nach jüdischen Sitten und Gebräuchen gefeyert zu werden pflegen, das ist, mit Absingung solcher Psalmen, in welchen von der Bestimmung des Menschen, von der kurzen Dauer seiner Lebenszeit, von der Nichtigkeit aller zeitlichen Größe, von der Auferstehung, | der Zukunft, der Belohnung des Guten und der Bestrafung des Bösen in jenem Leben gehandelt wird. Ich begreife nicht, wie – Kypke, wenn ihm die jüdischen Gebräuche nicht gänzlich unbekannt sind, hierinnen etwas Ungeziemendes oder Respect-widriges hat finden können.
1 In der Uebersetzung der gesamten Psalmen hat Mendelssohn diese verse in eben der Art bis auf wenige Worte übertragen. Zweite Aufl. 788 S. 116. 117. V. 13. Allein des Menschen ganze Herrlichkeit, sie dauert kaum eine Nacht, wenn er dahinfährt, wie das Vieh. V. 15. Gleich einer Heerde, fahren sie ins Grab, sie treibt der Tod. Die Seligen beherschen sie an jenem Morgen. Nicht ewig faßt der Abgrund ein Wesen, das ihn überdauret. V. 21. Ein Mensch in höchsten Würden, wenn er kein Weiser ist fährt hin, wie dummes Vieh.
Anm. des Herausg.