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6.1 Von innen her gesehen

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Al-Fārābī rekonstruiert die Geburt der Philosophie bei den Völkern, die sie von einem früheren Volk vererbt bekommen haben. Unschwer kann man aus seinen Äußerungen herauslesen, dass er vor allem an die Art und Weise dachte, wie die griechische Philosophie von den Völkern arabischer Kultur empfangen wurde.48 Fārābī spricht des Öfteren von den Arabern oder von den Eigenschaften ihrer Sprache. Er weist auch daraufhin, dass sowohl die Überlieferer als auch die Empfänger eine Religion besaßen, vermeidet es jedoch, diese beim Namen zu nennen.

Averroes erwähnt dann und wann Denker, die er als „die Philosophen des Islam“ bezeichnet. Damit meint er al-Fārābī und Avicenna.49 Er nennt sie „die Neueren unter den Philosophen“ (falāsifa) oder „unter den Weisen“ (ḥukamāʾ) des Islam.50 Ferner bemerkt er, dass die Lehre, nach der die Formen von einem „Formengeber“ (wāhib as-ṣuwar, dator formarum) herrühren, sich bei den Alten nicht findet, dagegen nur bei gewissen Philosophen des Islam, wobei er ausdrücklich auf Avicenna verweist.51 Für Averroes besteht die Geschichte der Philosophie aus zwei Teilen: Nach den Alten, das heißt vor allem nach Aristoteles und seinem Meister Piaton, sind die Moslems gekommen. So scheint es, dass für ihn „Islam“ vor allem eine chronologische Bedeutung hatte. Das Wort soll den zweiten Höhepunkt der Philosophie bezeichnen, nach den alten Griechen. An eine Pflege der Philosophie bei Juden und Christen hat er wohl nie gedacht. In seiner Widerlegung von Ġazālī spricht Averroes von „Avicenna und den übrigen unter denjenigen, die sich zum Islam bekennen“ noch einmal, um sie von den wahren Lehren der Alten zu unterscheiden. Sein Gegner Ġazālī habe sich einen großen Ruf erworben „in der Nation (umma) des Islam“.52

In einem besonders lehrreichen Abschnitt betont Averroes die religiöse Zugehörigkeit gewisser Denker. Dort spricht er von den „Anhängern des Kalāms (mutakallimūn) unter den Menschen unserer religiösen Gemeinde (milla) und in der religiösen Gemeinde der Christen“; etwas weiter unten spricht er von „denjenigen, die unter den Männern unserer religiösen Gemeinde Philosophie treiben“ (mutafalsifūn)53 Hier hat das Partizip mutafalsif, wie des Öfteren, einen verschlechternden Nebenton, wie „Amateurphilosoph“. Das Wort milla, im Unterschied zu Islām, bezeichnet eine religiöse Gemeinde als solche. Man erhält den Eindruck, dass nur eingeschworene Feinde der Philosophie oder unzuständige Pfuscher sich auf Grund ihrer religiösen Zugehörigkeit charakterisieren lassen.

Nur in einem Fall ist es mir gelungen, einen Hinweis auf die religiöse Zugehörigkeit eines Philosophen zu belegen: in einem Werk des Astronomen und Philosophen Naṣīr ad-Dīn aṭ-Ṭūsī (gestorben 1274). Dort liest man: „Yūsuf al-Kindī, der einer der Philosophen des Islam (az hukamāʾ-yi islām) war“. Diese Formel hat die Aufmerksamkeit des Übersetzers auf sich gezogen. In einer Anmerkung schreibt dieser:

„The appellation given him by Ṭusī […] raises all sorts of problems turning on: (a) the ambiguity of the Arabic term for ‚wise man‘, ‚philosopher‘ […], and (b) the question whether ‚of islam‘ means ‚writing within the islamic era, as opposed to ancient times‘ or ‚as a Muslim, concerned to harmonize philosophy with the Islamic faith‘.“54

Nun begegnet man dem Ausdruck nicht, wenn Ṭusī andere Philosophen der islamischen Welt erwähnt, wie al-Fārābī und Avicenna, was übrigens nur je ein einziges Mal geschieht.55 Dasselbe gilt von seiner Hauptquelle, Miskawayh, dem Verfasser des berühmten Traktats über die Verfeinerung der Sitten.56

Islamische Philosophie im Mittelalter

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