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7.5 Avicenna (gestorben 1037)

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Avicenna (Ibn Sīnā) ist wohl der erste Philosoph, der sich ausdrücklich und betont zum Islam bekennt, ja der sich der orthodoxen (sogenannten sunnitischen) Form dieser Religion anschließt, und gegen die schiitischen Strömungen, von denen er in seiner – zwar für einen streng sunnitischen Fürst und Gönner verfassten – Autobiographie erzählt, dass sowohl sein Vater als auch sein Bruder ihr erlegen seien.83

Neben seiner kolossalen philosophischen Enzyklopädie hat Avicenna kurze Abhandlungen theologischen Inhalts verfasst und auch Kommentare zu gewissen Versen des Korans.84 Er war wohl der erste, der die Erlebnisse der Mystiker ernst nahm, ja der sie als eine echte Quelle metaphysischer Erkenntnis ausbeutete. Dagegen beansprucht er nie, mystische Erfahrungen gehabt zu haben. Seine sogenannten Mystischen Abhandlungen sind in der Tat eine Art Mythen, die seine rein rationale Lehre bildlich wiedergeben.

Avicenna behandelt gern Fragen nach dem Ursprung der Welt (Schöpfung) und dem Schicksal der Seelen nach dem Tod. Seine Auffassung des „notwendigen Seienden“ (wāǧib al-wuǧüd), das die übrigen Wesen, die an und für sich genommen nur möglich sind, auch zur Notwendigkeit erhebt, erlaubt es ihm, die Schöpfung als Abhängigkeit gegenüber Gott zu begreifen. Dabei rückt der Willensakt des koranischen Gottes aus dem Zentrum, sodass die Schöpfung Gefahr läuft, als eine notwendige, „natürliche“ Emanation des Wesens Gottes verstanden zu werden.

Avicennas Auffassung der Unsterblichkeit und des Jenseits versucht, die Lehren des Korans durch eine psychologische Deutung plausibel zu machen: Das Fortleben geschieht für die Elite der Philosophen im Intellekt, im intellectus agens. Für die einfachen Leute geschehen die Genüsse des Paradieses beziehungsweise die höllischen Strafen in der Einbildungskraft: Für sie gibt es eine eingebildete Seligkeit (saʿāda ḫayālīya) und eingebildete Qualen.85 Dieses Seelenvermögen bedarf eines Trägers, der vielleicht ein Himmelskörper ist.86 Avicenna verteidigt jedoch die koranische Vorstellung der leiblichen Genüsse im Paradies gegen die rein spirituelle Auffassung der Christen (visio beatifica Dei) auf Grund der größeren Wirksamkeit der ersteren auf die Masse.87

Die Gründung der „gerechten Stadt“ ist ein realer, durch die Erwähnung der Eigennamen ʿUmar und ʿAlī in die Wirklichkeit der islamischen Geschichte verankerter Prozess.88 Avicenna versucht, die Regelungen des islamischen Rechts (Scharia) rein deduktiv zu begründen. So verbindet seine Beschreibung der „gerechten Gemeinschaft“ Elemente platonischen Ursprungs, wie etwa die Dreiteilung des sozialen Körpers (Wächter, Krieger, Arbeiter), mit einer Deduktion gewisser Rechtsverordnungen der islamischen Scharia, wie das Verbot von Alkohol und Glücksspiel oder der Schleier der Frauen.89

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