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7.3 Al-Fārābī (gestorben 950)
ОглавлениеDer um eine Generation jüngere al-Fārābī stellt einen neuen und anderen Anfang dar. Er vertritt eine streng aristotelische Auffassung der philosophischen Tätigkeit. Nach seinem Tode wurde er kaum mehr erwähnt. Auch sein unmittelbarer Jünger Yaḥyā b. ʿAdī nennt nur seinen anderen Lehrer Abū Bišr Mattā, al-Fārābī dagegen nie.68 Später nahmen ihn jedoch alle nachfolgenden Philosophen im Osten wie im Westen als Bezugspunkt. Der Perser Avicenna, der sich doch gerne als eine Art „philosophische Urzeugung“ betrachtete, nannte ihn „den besten meiner Vorgänger“.69 Im Westen bewundern ihn die Andalusier ab Ibn Bāǧǧa (gestorben 1138), der seine logischen Schriften kommentierte, sowie Averroes und der Jude Maimonides.70
Den Kern seines Schaffens bilden Kommentare zu den logischen Schriften des Aristoteles. Dort kommen Bezüge zu religiösen Fragen sachgemäß relativ selten vor. Er besteht darauf, wohl gegen Kindī, dass die Metaphysik des Aristoteles keineswegs mit dem tawḥīd (Lehre der Einheit [Gottes]) verwechselt werden darf; ihr Inhalt sei lediglich ontologischer Natur.71
Seine persönlicheren Schriften behandeln die Art und Weise, den tugendhaften Staat zu errichten. Im umfangreichsten dieser Werke, dessen Titel man gewöhnlich als Der Musterstaat übersetzt, nennt er das oberste Prinzip des Universums einfach „der/das Erste“ (al-awwal), nie dagegen „Gott“. Allah wird dort nur erwähnt, wenn von den Gegenständen der prophetischen Einbildungskraft die Rede ist.72 In einer Zusammenfassung des genannten Werks schreibt er am Anfang, dass das erste Kapitel folgendes behandeln soll: „das Ding, von dem es sich ziemt, dass man es als Gott setzt in der vortrefflichen Gemeinde“ (aš-šayʾ allaḏī yanbaġī an yūḍaʿa ilāhan fī l-milla al-fāḍila).73 Über die Eigenschaften Gottes entscheiden politische Bedürfnisse. Kein Wunder, dass die Lektüre dieses Satzes den jungen Ibn al-ʿArabī (gestorben 1240) so verstimmte, dass er das Buch dem Freund zurückwarf, der es ihm geliehen hatte.74
Al-Fārābī entwirft eine Typologie der Weltanschauungen, die er als verfehlt brandmarkt und die sich in verfehlten Staaten konkretisieren. Unter diesen Ansichten findet man auch Elemente der islamischen Frömmigkeit, wie zum Beispiel die Vorstellung, nach der Gott sich auch um die niedere Welt kümmert, während al-Fārābī den Ersten nur als Ursache der unmittelbar nach Ihm stehenden Wesen betrachtet. Sonst müsste man Gott auch für die in der niederen Welt begangenen Verbrechen verantwortlich machen.75 In einem verschollenen Kommentar zur Nikomachischen Ethik des Aristoteles habe er das Leben nach dem Tode geleugnet.76
Die wahre Religion ruhe auf einer wahren Philosophie, die sie nachahmt und deren Lehren sie in eine der Einbildungskraft des Volks angepasste Bildersprache überträgt. Dabei bleibt die Frage offen, ob so eine Religion schon vorhanden ist (mit dem Islam) oder erst nach dem nur noch erhofften Sieg der wahren Philosophie und ihrer bildlichen Darstellungen ad captum vulgi wird zustande kommen können. In diesem Fall wäre Fārābīs Religion eher diejenige der griechischen Philosophen als der Islam.