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8. Die Rezeption der Philosophie 8.1 Die Kritik an der Philosophie

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Der erste regelrechte Angriff gegen die falāsifa kam vom Rechtsgelehrten al-Ġazālī (gestorben 1111).105 Seine Kritik war Teil einer allseitigen Verteidigung des sunnitischen Islam gegen alle Gegner, die er identifizieren konnte. So griff Ġazālī auch die schiitischen Anhänger einer allegorischen Exegese des Heiligen Buchs an, und ebenso die Richtungen im Sufismus, denen er die Relativierung der Gebote zugunsten der mystischen Erfahrung vorwirft. Auch relativiert er den Wert des Kalāms, der dem gemeinen Haufen nicht empfohlen sei, da er die Reinheit des naiven unreflektierten Volksglaubens gefährden könnte.106

Seine Kritik an den falāsifa geht von einer gründlichen Kenntnisnahme ihrer Lehren aus, vor allem der des Avicenna. In seiner kleinen, stark stilisierten geistigen Autobiographie Der Erretter aus dem Irrtum (al-Munqiḏ min aḍ-ḍalāl) erklärt er nachträglich seine Absicht.107 In einem ersten Buch, den Absichten der Philosophen (Maqāṣid al-falāsifa), fasst er die Hauptlehren seiner Gegner ehrlich und genau zusammen.108 Dann prüft er die Vereinbarkeit der Lehre der falāsifa mit dem islamischen Dogma. Sein Urteil ist negativ. Die Philosophen verteidigen die drei oben genannten ketzerischen Thesen.109 Ferner seien sie, auch wenn sie den Glauben vorspiegeln, unfähig, ihr Versprechen zu halten: Es gelinge ihnen nicht, die Hauptlehren des Islam überzeugend zu begründen, auch die Schöpfung der Welt nicht.

Spätere Denker machten sich noch die Mühe, die Kritik wiederaufzunehmen. So Ibn Taymīya (gestorben 1328) in seiner extrem scharfen Widerlegung der Logiker: Die Philosophen seien den Religionen gegenüber indifferent, sie schätzten den Aristoteles höher als den Propheten, kurz, sie seien noch schlimmer als die Juden und Christen.110 Ibn Ḫaldūn (gestorben 1406), der doch den Philosophen einige Begriffe geliehen hat, wohl auf Grund einer Lektüre gewisser Compendia (Epitomai) des Averroes, widmet ein Kapitel seiner Prolegomena zur Weltgeschichte der Kritik der Philosophie.111 Im 15. Jahrhundert übernahm ʿAlāʾ ad-Dīn aṭ-Ṭūsī (gestorben 1482) den Titel des Werkes von al-Ġazālī, um noch einmal die Philosophie anzugreifen.112

Die Kritik blieb meistens auf der Ebene der gedanklichen Auseinandersetzung. Nur ausnahmsweise kam es zu einer konkreten Verfolgung. Den Philosophen erging es besser als etwa den Ketzern manichäischer Richtung (zanādiqa) wie Ibn al-Muqaffaʿ (gestorben 756). Al-Kindī wurde auf Geheiß des Kalifen al-Mutawakkil (gestorben nach 848) gegeißelt und seine Bibliothek vorläufig beschlagnahmt. Am Ende seines Lebens wurde Averroes aus Cordoba verstoßen. Wir wissen aber nicht, ob sein Exil mit seiner Beschäftigung mit der Philosophie zusammenhing. Der Grund war viel wahrscheinlicher ein politischer Wechsel. Die allgemeine Stimmung der Gesellschaft gegenüber der Philosophie war von Misstrauen gekennzeichnet, das übrigens auch anderswo und schon in der Antike belegt ist.113 Der soziale Druck war für die philosophische Forschung nicht günstig. So sagt uns Ibn Ḫaldūn, dass zu seiner Zeit diejenigen, die sich mit philosophischer Forschung befassten, unter der Aufsicht der Rechtsgelehrten waren.114

Islamische Philosophie im Mittelalter

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