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1. Struktur und Inhalt der AO
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Formal ist die AO ein Bundesgesetz auf der Kompetenzgrundlage von Art. 105 und 108 Abs. 5 GG[383]. Die AO löste mit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1977 die bisher geltende RAO aus dem Jahr 1919 ab und verwirklichte wichtige steuerliche Reformziele unter Berücksichtigung neuer rechtstaatlicher sowie technischer Erkenntnisse[384]. Gleichzeitig vollzog die AO die Harmonisierung mit den Vorschriften des am selben Tag in Kraft getretenen Verwaltungsverfahrensgesetzes[385] (VwVfG)[386]. Bei der erstmaligen Kodifizierung des VwVfG konnte der Bundesgesetzgeber daher neben den ungeschriebenen Grundsätzen des Verwaltungsrechts gleichsam auf die RAO als Prototyp einer verwaltungsrechtlichen Kodifikation zurückgreifen. Steuerverwaltungsrecht und allgemeines Verwaltungsrecht beeinflussten sich dadurch wechselseitig. Die formale Angleichung der AO an das erstmalig kodifizierte VwVfG wurde zwar in der Literatur aufgrund der zum Teil unreflektierten Übernahme verwaltungsrechtlicher Begrifflichkeiten in die AO kritisiert[387], sie hat sich jedoch für Entwicklung und Verständnis der Steuerrechtswissenschaft als fruchtbar erwiesen[388]. Die AO bildet somit gegenwärtig zusammen mit Teil X des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und den Verwaltungsverfahrensgesetzen die „Säulen-Trias“[389] des Verfahrensrechts[390]. Anders als das VwVfG enthält die AO indes nicht nur verfahrensrechtliche Regelungen[391]. Als Mantelgesetz strukturiert die AO diejenigen Materien, welche für alle oder zumindest einen Teil der Steuern gelten. Lediglich das Finanzverwaltungsgesetz (FVG) für die Finanzverwaltung und die Finanzgerichtsordnung (FGO) für das gerichtliche Verfahren wurden als selbstständige Gesetze neben der AO beibehalten[392]. Trotz dieses umfassenden Regelungsanspruchs[393], kann die AO nicht als steuerliche Grundordnung bezeichnet werden[394]. Die grundlegenden Entscheidungen über Anlage und Ausgestaltung des Steuerrechts sind auch weiterhin Verfassungsentscheidungen[395].
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Die AO ist inhaltlich insgesamt in neun Teile gegliedert: In ihrem Ersten Teil (§§ 1–32) definiert die AO die vor die Klammer gezogenen steuerlichen Grundbegriffe und trifft Regelungen zum Anwendungsbereich. Die Überschrift „Einleitende Vorschriften“ ist der RAO entnommen worden, erweist sich jedoch im Hinblick auf die Vorschriften über die Zuständigkeit der Finanzbehörden sowie das Steuergeheimnis als unzutreffend[396]. Der sachliche Anwendungsbereich wird durch die Vorschrift des § 1 AO bestimmt. Dieser erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 AO auf solche Steuern und Steuervergünstigungen, die durch Bundesrecht oder das Recht der Europäischen Gemeinschaften[397] geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden[398]. Für Zölle ist die AO vorbehaltlich des Zollkodexes anwendbar[399]. Für die von den Gemeinden verwalteten Steuern gilt die AO nur, sofern sie in den jeweiligen Landesgesetzen für anwendbar erklärt wird. Beziehen sich die Landesgesetze auf die AO, gelten die Vorschriften des VwVfG[400] lediglich ergänzend.
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Der Zweite Teil (§§ 33–77) der AO behandelt überwiegend das materielle Steuerschuldrecht. Das Steuerschuldrecht definiert die Grundsätze im Verhältnis zwischen Staat und Steuerschuldner. Geregelt werden die Ansprüche, die sich aus dem Steuerschuldverhältnis ergeben sowie Fragen bezüglich der Steuerbegünstigung oder Haftung. Der Begriff Steuerschuldrecht deutet zwar auf Gemeinsamkeiten mit dem Schuldrecht des BGB hin, gilt jedoch zum Teil als irreführend, da der Begriff des Steuerpflichtigen (§ 33) über das Steuerschuldrecht hinausreicht[401]. Er hätte dementsprechend an der Spitze der steuerlichen Begriffsbestimmungen platziert werden müssen[402].
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Der Dritte Teil (§§ 78–133) der AO befasst sich mit dem Besteuerungsverfahren. Das Steuerverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, das auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass von Verwaltungshandlungen gerichtet ist[403]. Insbesondere die verfahrensrechtlichen Vorschriften der AO sind daher weitgehend an das VwVfG angeglichen worden.
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Die Teile vier bis sechs (§§ 134–346) regeln die einzelnen Stationen des Steuerverfahrens. Daneben enthalten die Einzelsteuergesetze spezielle Verfahrensvorschriften für die jeweiligen Steuerarten. Die Besteuerung erfolgt im Rahmen eines gestuften Verwaltungsverfahrens, welches sich in vier selbstständige Teilbereiche untergliedert[404]. Das Steuerverfahren beginnt mit einer Vorbereitungsphase, in welcher die Steueransprüche im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (§§ 85 ff., 134 ff., 149 ff.) festgestellt werden[405]. Danach erfolgt die Entscheidung über die Steuerfestsetzung (§§ 155 ff., 179 ff.) durch Steuerverwaltungsakt. Das Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) verwirklicht zuletzt die festgestellten Ansprüche aus dem Steuerverhältnis. Das Vollstreckungsverfahren (§§ 249 ff.) betrifft demgegenüber die zwangsweise Verwirklichung der Ansprüche.
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Der Siebte Teil (§§ 347–367) der AO normiert das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren und entspricht funktional dem Widerspruchsverfahren der VwGO. Seit 1994[406] gibt es im Anwendungsbereich der AO nur noch den Einspruch als außergerichtlichen Rechtsbehelf. Die AO schließt im Achten Teil (§§ 369–412) mit dem nicht dem Steuerrecht im engeren Sinne angehörenden Steuerstraf- sowie dem Steuerordnungswidrigkeitenrecht.
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