Читать книгу Besonderes Verwaltungsrecht - Группа авторов - Страница 279

V. Die Genehmigungsfreistellung

Оглавление

85

Mit Ausnahme von Hamburg haben inzwischen alle Bundesländer ein Genehmigungsfreistellungsverfahren[426] eingeführt oder mit dem Kenntnisgabe-[427] und Anzeigeverfahren[428] zumindest ähnliche Modelle umgesetzt (siehe Rn. 24)[429]. Im Vergleich zum vereinfachten Genehmigungsverfahren ist bei der Genehmigungsfreistellung die Deregulierung noch weiter vorangeschritten[430], weil das Verfahren – anders als nach § 9 der Verwaltungsverfahrensgesetze vorgesehen – ohne Genehmigung endet. Es findet regelmäßig u.a. auf Wohngebäude und deren Nebengebäude und -anlagen Anwendung, die sich innerhalb des Geltungsbereichs eines qualifizierten oder vorhabenbezogenen Bebauungsplans befinden, den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen und deren Erschließung gesichert ist[431]. Nicht anwendbar ist das Genehmigungsfreistellungsverfahren dagegen auf bauliche Anlagen, die als Schutzobjekte unter die Seveso-III-Richtlinie (RL 2012/18/EU) fallen und den sich daraus ergebenden angemessenen Sicherheitsabstand zu einem Betrieb mit gefährlichen Stoffen nicht einhalten[432].

86

Der Bauherr muss auch bei der Genehmigungsfreistellung seine Unterlagen (bei der Gemeinde) einreichen[433], wobei deren Inhalt zumeist durch Verordnungen zu den Landesbauordnungen festgelegt wird[434]. Charakteristisch für das Genehmigungsfreistellungsverfahren ist nun, dass die Gemeinde zur Sicherung ihrer Planungshoheit innerhalb eines Monats die Durchführung eines (vereinfachten) Genehmigungsverfahrens verlangen oder Sicherungsmaßnahmen beantragen kann[435]. Eine Prüfpflicht der Gemeinde besteht indes nicht[436]. Der Bauherr darf mit dem Vorhaben beginnen, sobald die Frist abgelaufen ist oder die Gemeinde ihm bereits zuvor mitgeteilt hat, kein Genehmigungsverfahren durchführen (und keine Sicherungsmaßnahmen beantragen) zu wollen[437]. Dagegen kennen weder das brandenburgische Anzeige- noch das baden-württembergische Kenntnisgabeverfahren ein derartiges gemeindliches Überleitungsrecht in anspruchsvollere Verfahren.

87

Unterschiedlich oder gar nicht geregelt ist die Frage, ob die Bauaufsichtsbehörde beim Genehmigungsfreistellungsverfahren zu einer Prüfung der Voraussetzungen der Genehmigungsfreistellung verpflichtet ist. Manchen Bauordnungen kann man eine solche Prüfpflicht entnehmen[438], andere haben hingegen ausdrücklich den Verzicht auf die Prüfung normiert[439]. Daraus ist freilich kein Prüfverbot hinsichtlich der Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften abzuleiten, insbesondere wenn bereits Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften vorliegen[440]. Ein Amtshaftungsanspruch wird nur in besonderen Ausnahmefällen begründet sein, da eben ein Prüfrecht, nicht aber eine (drittbezogene) Amtspflicht besteht[441].

88

Der Bauherr erhält im Genehmigungsfreistellungsverfahren also überhaupt keine Genehmigung. Dementsprechend entfällt für ihn auch der Bestandsschutz, den eine Baugenehmigung gegenüber nachträglichen Rechtsänderungen vermittelt. Um diese für den Bauherrn missliche Lage etwas abzumildern, existieren verschiedene Mechanismen. Zunächst setzen sich auch Bauvorhaben aus dem Genehmigungsfreistellungsverfahren gem. § 14 Abs. 3 BauGB gegen eine später erlassene Veränderungssperre durch[442]. Des Weiteren gewähren manche Bundesländer für den aus Sicht des Bauherrn besonders ungünstigen Fall, dass sein Vorhaben deshalb rechtswidrig ist, weil der für das Genehmigungsfreistellungsverfahren vorausgesetzte Bebauungsplan nichtig ist, in begrenztem Umfang Bestandsschutz[443]. Schließlich räumen einige Bundesländer auch beim Genehmigungsfreistellungsverfahren dem Bauherrn ein Verfahrenswahlrecht „nach oben“ ein, also die Wahl des (vereinfachten) Genehmigungsverfahrens anstelle des Genehmigungsfreistellungsverfahrens[444]. Es verwundert nicht, dass für diese Fälle die Bauherren dem (vereinfachten) Baugenehmigungsverfahren oftmals den Vorzug einräumen[445]. In der Literatur ist angesichts der Bestandsschutzproblematik vereinzelt vorgeschlagen worden, zumindest bei Zweifeln an der Wirksamkeit eines Bebauungsplans auch für das Genehmigungsfreistellungsverfahren einen Bauvorbescheid zuzulassen[446]. Hiergegen wird argumentiert, dass dies den mit der Deregulierung verfolgten Zielen der Eigenverantwortung und Privatisierung zuwider laufen würde[447]. Dieser Streit hat sich zumindest in den Bundesländern mit Verfahrenswahlrecht erledigt: Kann der Bauherr für sein Vorhaben ein (vereinfachtes) Baugenehmigungsverfahren wählen, steht ihm auch wieder der Weg zur Erteilung eines Bauvorbescheids offen[448].

Besonderes Verwaltungsrecht

Подняться наверх