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III. Mittäterexzess

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Zugerechnet werden können nach § 25 Abs. 2 StGB nur solche Tathandlungen, die vom gemeinsamen Tatplan umfasst sind. Geht ein Täter über diesen Tatplan hinaus, so kann den anderen Beteiligten dieser Exzess nach allgemeiner Ansicht nicht zugerechnet werden.[189] Allerdings ist es denkbar, dass ein bestimmtes Verhalten zwar nicht konkret geplant war, der Tatplan aber für Abweichungen offen war und Verhalten, was sich im Rahmen dieser Offenheit bewegt, keinen Exzess begründet. Maßgeblich ist dabei die tatsächliche Reichweite des Tatplans. Demgegenüber legt der BGH einen normativen Maßstab an und fragt danach, ob es sich bei dem in Frage stehenden Verhalten um eine wesentliche Abweichung vom gemeinsamen Tatplan handelt.[190] Dies konkretisiert er durch weitere Einschränkungskriterien und rechnet deshalb zum einen ein Verhalten auch dann zu, wenn die verabredete Tatausführung durch eine in Schwere und Gefährlichkeit gleiche Handlung ersetzt wird.[191] Zudem soll nach Ansicht des BGH kein Exzess vorliegen, wenn die Mittäter dem exzessiven Verhalten gleichgültig gegenüberstehen.[192]

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Gleichgültigkeit allein kann jedoch für die Bestärkung des Unrechtsentschlusses nicht genügen. Allerdings wird der Tatplan zumeist so weit gefasst sein, so dass auch bestimmte Abweichungen vom explizit Besprochenen noch im Rahmen des gemeinsamen Tatplans liegen können. Fraglich ist zudem, ob eine mittäterschaftliche Zurechnung von Exzessen schon dann möglich ist, wenn mit dem Exzess nach den Umständen gerechnet werden musste.[193] Dieser Vorwurf kann jedoch allenfalls Fahrlässigkeit, nicht aber ein den Unrechtentschluss festigendes Einverständnis mit dem Exzess darstellen. Tatsächlich prüft der BGH daher auch, ob die Beteiligten mit dem vermeintlichen „Exzess“ (tatsächlich) rechneten.[194]

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Allerdings müssen die Beteiligten nicht von jeder Handlung des anderen vorab eine klare Vorstellung gehabt haben.[195] Maßgeblich darf dabei aber nicht eine normative Gefährlichkeitsbewertung sein, die letztlich keine klaren Abgrenzungskriterien präsentiert und sich von den tatsächlichen Vorstellungen der Beteiligten enorm entfernen kann.[196] Vielmehr muss es darauf ankommen, ob der Tatplan für Abweichungen offen war und diese Abweichungen auch vom Willen der Mittäter gedeckt waren. Im Rahmen der Frage nach dem Umfang des Tatplans können dann die vom BGH herangezogenen Kriterien der Vorhersehbarkeit und der Gefährlichkeit als Indizien herangezogen werden, sie führen aber nicht eo ipso zur Zurechenbarkeit.[197]

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Sorgfältig zu prüfen ist zudem, ob die anderen den Tatentschluss während der Tatausführung möglicherweise durch stillschweigende Übereinkunft erweitert haben.[198] Zu beachten ist aber, dass aus der oben abgelehnten Möglichkeit eines „Einpassungsbeschlusses“ auch folgt, dass allein der fehlende Widerspruch zu einer Tatplanerweiterung, also das bloße Weiter-Mitwirken trotz eines Exzesses durch einen der Täter, nicht eine Tatplanerweiterung begründen kann.[199] Verfehlt ist es aus einem reinen Weiterverfolgen des Geschehens eine Tatplanerweiterung abzuleiten. Eine solche nachträgliche Billigung ist als dolus subsequens unbeachtlich und kann auch nach dem BGH keine Zurechnung des schon begangenen Unrechts (als sukzessive Mittäterschaft) begründen.[200] Übt deshalb ein Beteiligter eines Diebstahls einen Gewaltexzess und nehmen die anderen danach trotzdem noch Sachen weg, begründet dieser Umstand allein keine Mittäterschaft hinsichtlich eines Raubes. Aber auch künftiges Unrecht kann allein aufgrund einseitiger Zustimmung nicht zugerechnet werden.[201] Vielmehr muss auch in der Tatplanerweiterung eine wechselseitige Bestärkung des Unrechtsentschlusses erfolgen. Dabei genügt es auch nicht, dass sich der Beteiligte einer Eskalation der gewählten Tatmittel bewusst ist, vielmehr muss auch gerade sein Einverständnis mit den dann folgenden eskalierenden Handlungen festgestellt werden.[202]

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Liegt nach diesen Grundsätzen ein die Zurechnung ausschließender Exzess vor, kann der Beteiligte nicht wegen des mittäterschaftlichen Begehungsdelikts strafbar sein. Denkbar ist aber, dass das vorangegangene Geschehen schon die naheliegende Gefahr eines derartigen Exzesses hervorgerufen hat und diese Gefahr von den anderen Mittätern pflichtwidrig herbeigeführt wurde. Insoweit kommt dann eine Stellung als Beschützergarant kraft Ingerenz in Betracht,[203] welche nach zutreffender Ansicht eine Strafbarkeit wegen Täterschaft oder Beihilfe durch Unterlassen begründen kann. Zur Begründung der Ingerenz kann aber nicht auf die Gefahr der Eskalation durch den Mittäter abgestellt werden.[204] Dies würde letztlich zu einer Rechtspflicht des Beteiligten zur Kontrolle des anderen führen und ihn zum Überwachergaranten für seine Mittäter machen, die aber für ihre außerhalb des Tatplans liegenden Handlungen allein verantwortlich sind. Die Beschützergarantenstellung kraft Ingerenz kann sich vielmehr nur aus der geschwächten Verteidigungsfähigkeit des Tatopfers, welche durch die vorherige mittäterschaftliche Misshandlung herbeigeführt wurde, ergeben. Erforderlich ist zudem, dass der Garant auch eine Möglichkeit zum Eingreifen hat, was namentlich bei überraschend ausgeführten Tötungshandlungen fehlen kann.

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Scheidet daher auch eine Unterlassensstrafbarkeit aus, bleibt ggf. eine Strafbarkeit wegen eines erfolgsqualifizierten Delikts. Praktisch häufig sind hier eskalierende Gewalthandlungen im Rahmen eines gemeinschaftlichen Raubes sowie eskalierende Gewalt nach vorangegangenen gemeinschaftlichen Misshandlungen des Tatopfers. Nach der Rechtsprechung des BGH soll es möglich sein, dass bei mittäterschaftlicher Realisierung des Grunddelikts die Beteiligten auch aus dem erfolgsqualifizierten Delikts haften, wenn sich die Handlung, die zum (Todes-)Erfolg geführt hat, als Exzess eines Mittäters darstellt. Das soll z.B. dann der Fall sein, wenn ein Mittäter einer gemeinschaftlichen Körperverletzung plötzlich (z.B. in Nachstellung einer Filmszene) mit Tötungsvorsatz massive Gewalthandlungen vornimmt.[205] Dies setzt allerdings nach früherer Rechtsprechung voraus, dass diese konkrete Gewalthandlung noch vom Tatplan umfasst war.[206]

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Ist jedoch bereits die massive Gewalthandlung als solche nicht vom Tatplan umfasst, sondern als Exzess zu bewerten, können auch die darauf beruhenden Folgen den anderen Mittätern nicht zugerechnet werden und zwar auch dann nicht, wenn die Handlung für den Mittäter vorhersehbar war.[207] Die zum Erfolg führende Gewalthandlung muss sich vielmehr als vorsätzliche Körperverletzung darstellen. Hingegen genügt es nicht, schon die vorherigen nicht-exzessiven Gewalthandlungen als Anknüpfung für die spätere Eskalation und Todesfolge anzusehen.[208] Von dieser Rechtsprechung ist der BGH wohl in NStZ 2004, 684 und im sog. „Schweinetrogfall“[209] abgewichen.[210]

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In einigen neueren Entscheidungen wird eine Zurechnung allein an die Beteiligung an den körperlichen Auseinandersetzungen geknüpft, sofern schon diese eine Gefahr der tödlichen Eskalation in sich bargen.[211] Das ist verfehlt: Entweder ist die letztlich tödliche Handlung noch vom Tatplan umfasst und kann den Mittätern zugerechnet werden oder sie stellt einen Exzess dar und kann den anderen weder als Tötungs- noch als Körperverletzungshandlung zugerechnet werden und dann auch keinen Anknüpfungspunkt für eine Erfolgsqualifikation darstellen.[212]

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Umstritten ist, ob sich ein error in persona eines Mittäters für die anderen als Exzess darstellt. BGH und h.M. verneinen dies und halten einen solchen Irrtum nur bei tatbestandlichen Ungleichwertigkeit der angegriffenen Rechtsgüter für relevant.[213] Ist Voraussetzung der mittäterschaftlichen Zurechnung der gemeinsame Tatplan und der Vorsatz des Mittäters, muss ein fahrlässiges Überschreiten des Tatplans ebenso wie ein vorsätzliches Überschreiten die Zurechnung zu den anderen Beteiligten ausschließen. Das gilt freilich gleichermaßen im Rahmen eines unvorhergesehenen Kausalverlaufs. Maßgeblich ist also stets der Umfang des gemeinsamen Tatentschlusses und die Vorstellung des Mittäters vom Tatablauf.[214] Wird daher in maßgeblicher Weise von den Festlegungen des Tatplans abgewichen, scheidet auch eine Zurechnung aus. Entsprechend den oben festgelegten Grundsätzen reicht es dabei nicht aus, dass die Überschreitung für den Mittäter vorhersehbar war, vielmehr muss sein Vorsatz auch die Irrtumsmöglichkeit umfassen. Rechnete er also angesichts der Offensichtlichkeit des Irrtums nicht mit der Tatausführung durch seine Mittäter, fehlt es insofern am nötigen Vorsatz. Zu den sog. Verfolgerfällen vgl. oben Rn. 48.

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