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1. Alternative Mittäterschaft

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Bei der sog. alternativen Mittäterschaft wirken zwei oder mehr Beteiligte in einer Weise zusammen, die mehrere als unsicher vorhergesehene Kausalverläufe abdecken und so in allen Fällen ein Gelingen der Tat sichern soll. Die Beteiligten wissen aber vorab, dass nur einer von ihnen den letztlich wirksamen Akt vornehmen wird. Deutlich wird das Problem an einem von Rudolphi gebildeten „Isar-Fall“:[254] A und B lauern O auf zwei Seiten des Flusses auf, weil sie wissen, dass O entweder auf der einen oder auf der anderen Seite vorbeikommen wird. Derjenige bei dem O vorbeikommt, soll O töten. Fraglich ist, ob A und B die Tat gemeinsam ausgeführt haben, so dass auch B als Mittäter strafbar ist, wenn nur A den O tatsächlich tötet.

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Nach der subjektiven Theorie der Rechtsprechung kann hier der Täterwille des B ohne Probleme angenommen und seine Mittäterschaft bejaht werden. Rudolphi selbst will dagegen eine Mittäterschaft nur dann bejahen, wenn beide ihre Tatbeiträge im Ausführungsstadium gegenseitig beherrschen. Mittäterschaft erfordere ein kumulatives und nicht bloß alternatives Zusammenwirken bei der Begehung der Tat selbst. Gerade bei örtlich auseinanderliegenden und nur optionalen Ausführungshandlungen fehle der täterschaftsbegründende Einfluss auf die Verwirklichung des Tatbestands.[255]

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Das ist jedoch auf den ersten Blick nicht zwingend. Denn nach dem gemeinsamen Tatentschluss, d.h. aus subjektiver ex-ante-Sicht, war der Beitrag jedes Einzelnen für das absolute Gelingen erforderlich. Nachträglich ist der Beitrag der einen Person zwar überhaupt nicht erforderlich gewesen, doch ergibt sich dies für die Beteiligten erst während der unmittelbaren Ausführung. Zur Sicherstellung der Erfolgsrealisierung sind aus der Planungsperspektive beide Tatbeiträge erforderlich und nur der Zufall entscheidet, wer von den beiden den Erfolg herbeiführt.

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Daher wird gegen die Lösung Rudolphis eingewendet, dieser Zufall könne nicht darüber entscheiden, ob die Person als Täter oder Teilnehmer zu bewerten sei. Die klassische Tatherrschaftslehre lässt daher auch den nicht im Erfolg wirksam gewordenen Beitrag des anderen genügen und erfasst die Mitwirkung des B im Beispiel als Mitwirkung im Ausführungsstadium. Das arbeitsteilige Zusammenwirken im Ausführungsstadium liege danach gerade im Abschneiden des alternativen Weges. Roxin will den Fall aber u.a. dann anders entscheiden, wenn die alternativen Tatorte örtlich weit auseinanderfallen, z.B. in verschiedenen Städten liegen. Dann begehe nur der tatsächliche unmittelbare Täter die Tat, dem anderen fehle es an einem Beitrag, weil er bei der konkreten Ausführung gar nicht in Aktion getreten ist.[256] Dagegen spricht, dass die Gruppen kaum voneinander abzugrenzen sind, wie der Fall des Flusses deutlich zeigt: Soll es von der Breite des Flusses oder der Entfernung zwischen den Brücken abhängen?[257]

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Die Lösung liegt in einer genauen Bestimmung des Begriffs „Tat“. Der Erkenntnis, dass Tatherrschaft eine (Mit-)Beherrschung während der konkreten Tatausführung erfordert, muss auf der zweiten Ebene die richtige Bestimmung der Tat korrespondieren. Die Tat, deren Ausführung der Mittäter mitbeherrschen muss, ist die im Tatbestand umschriebene. Das verbietet es, die Herrschaft über eine vom Gesetz losgelöste, wie auch immer zu bestimmende „Gesamttat“ ausreichen zu lassen.[258] Die steuernde Beherrschung kann sich nicht auf ein vom jeweiligen Unrechtstatbestand abstrahiertes Geschehen beziehen, sondern muss sich allein als Herrschaft über den tatbestandlichen Erfolg darstellen. Die Beteiligten planen gerade keine gemeinsame Tatbegehung, sondern jeder für sich die Begehung einer gleichartigen Straftat als Einzeltäter.[259] Entsprechend wird auch die Handlung jedes Beteiligten (wie geplant) nur dann für den Erfolg wirksam, wenn das Opfer letztlich in seinen Wirkbereich eintritt.[260] Für den „Isar-Fall“ heißt das: Weil B das tatbestandlich beschriebene Verhalten, die Tötung des O, nicht beherrscht, sondern es allein dem A überlässt, ob dieser die Tat selbstständig ausführt, scheidet eine Mittäterschaft aus.[261]

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