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A. Grundlagen

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Mittelbarer Täter ist nach § 25 Abs. 1 StGB, wer die Tat „durch einen anderen“ begeht. Über die Entwicklungsgeschichte des Gesetzes, das mit dem neuen Allgemeinen Teil des Jahres 1975 diese Rechtsfigur erstmals kodifiziert hat, und über die wissenschaftliche Entwicklung der Beteiligungsformenlehre unterrichtet § 50 dieses Handbuchs (→ AT Bd. 3: Bettina Noltenius, Die Lehre von der Beteiligung, § 50 Rn. 11 ff.).

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Auf der dort entwickelten Grundlage ist davon auszugehen, dass die Täterschaft im Regelfall durch das Kriterium der Tatherrschaft gekennzeichnet wird. Darüber besteht bei der mittelbaren Täterschaft sogar größere Einigkeit als bei der Mittäterschaft. Denn auch der Bundesgerichtshof stützt sich in seiner neueren Rechtsprechung in erster Linie auf die Tatherrschaft als Kriterium der mittelbaren Täterschaft, während sich bei der Mittäterschaft Gedanken der subjektiven Theorie als Begründungselemente noch weitergehend erhalten haben (dazu näher → AT Bd. 3: Bettina Noltenius, Mittäterschaft, § 51 Rn. 11 ff.).

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Allerdings ist die Frage, wie die Tatherrschaft als Voraussetzung der mittelbaren Täterschaft im Einzelnen zu bestimmen ist, äußerst umstritten, so dass Lehre und Rechtsprechung im Ergebnis sehr unterschiedliche Lösungen befürworten. Es gibt drei Hauptorientierungen, zu denen ich, um in der Meinungsvielfalt hinreichende Klarheit zu schaffen, zunächst in skizzenhafter Form eine Position entwickeln will. Detaillierte Auseinandersetzungen mit der Literatur und Rechtsprechung sollen dann anhand der entwickelten Leitlinie bei Behandlung der Einzelprobleme erfolgen.

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Eine erste Meinungsströmung folgt bei der Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung dem „Prinzip des Verantwortungs- oder Autonomieausschlusses“. Danach liegt eine mittelbare Täterschaft nur dann vor, wenn der Hintermann die Tat durch Ausnutzung der fehlenden Verantwortlichkeit des unmittelbar Handelnden beherrscht. Wer also jemanden durch eine Todesdrohung zur Begehung eines Deliktes zwingt, ist mittelbarer Täter dieser Tat, weil der unmittelbar Handelnde für ihre Begehung vom Gesetz nicht verantwortlich gemacht wird (§ 35 StGB). Entsprechendes gilt, wenn jemand ein Kind zu Straftaten benutzt oder den unmittelbar Ausführenden durch Hervorrufung eines Tatbestandsirrtums zur Verwirklichung einer Straftat veranlasst.

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Ist der unmittelbar Ausführende dagegen für sein Handeln selbst verantwortlich, kann der Hintermann auch bei dominierender Einwirkung kein mittelbarer Täter sein. Wer also z.B. im „Dritten Reich“ die Ermordung von Juden angeordnet und organisiert hat (Fall Eichmann), ist nach dieser Auffassung Anstifter (oder allenfalls Mittäter), keinesfalls aber mittelbarer Täter der begangenen Morde. Denn die Schergen, die im Konzentrationslager ihre Opfer als unmittelbare Täter umgebracht haben, waren selbst Täter der von ihnen begangenen Morde. Auch wer jemanden durch Hervorrufung eines vermeidbaren Verbotsirrtums zur Tat veranlasst, kann nach dieser Lehre nicht mittelbarer Täter sein. Denn der Ausführende wird selbst als vorsätzlicher Täter zur Verantwortung gezogen.

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Das Fazit ist also: Die Möglichkeit eines „Täters hinter dem Täter“ wird von den Autoren, die allein auf die Verantwortlichkeit des unmittelbar Ausführenden abstellen, prinzipiell abgelehnt.

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Eine zweite, im Ganzen überwiegende Auffassung macht die mittelbare Täterschaft von der Beherrschung der konkreten Tatbestandsverwirklichung (nicht notwendig des Tatmittlers) abhängig. Man könnte hier von „Verwirklichungsherrschaft“ sprechen. Danach ist der Einsatz eines ohne Verantwortlichkeit handelnden Tatmittlers zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige Fall mittelbarer Täterschaft. Diese kann auch bei zwei weiteren Konstellationen gegeben sein.

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Die erste betrifft den schon erwähnten Fall, dass ein Hintermann (als „Schreibtischtäter“) zwar nicht den (ihm meist sogar unbekannten) exekutierenden Schergen, wohl aber die Organisationsstrukturen beherrscht, die eine angeordnete Tatbestandsverwirklichung unabhängig von der Person des ggf. selbstständig strafbaren Ausführenden sicherstellt.

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Eine weitere Fallgruppe mittelbarer Täterschaft bilden Sachverhalte, bei denen der Hintermann den Tatmittler in erheblicher Weise über das Ausmaß des Schadens, über Umstände eines qualifizierenden Tatbestandes, über die Identität des verletzten oder getöteten Opfers oder über die Rechtswidrigkeit der Tat täuscht (mag auch der Verbotsirrtum des unmittelbar Ausführenden vermeidbar sein). In allen Täuschungsfällen, in denen eine Vorsatzverantwortlichkeit des unmittelbar Handelnden bestehen bleibt, setzt aber das Vorliegen mittelbarer Täterschaft voraus, dass die Fehlvorstellung des unmittelbar Handelnden den Unrechts- oder Schuldgehalt der von dieser begangenen Tat wesentlich herabsetzt oder verändert. Nur unter dieser Voraussetzung kann das überlegene Wissen des Hintermannes eine Verwirklichungsherrschaft begründen.

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Ein „Täter hinter dem Täter“ ist also nach dieser zweiten Auffassung anzuerkennen, soweit der Hintermann unabhängig von der Person des Ausführenden durch einen seiner Anordnungsgewalt unterstehenden organisatorischen Machtapparat die Rechtsgutsbeeinträchtigung in der Hand hat, oder sofern er irrtumsbedingt den wesentlichen Unrechts- oder Schuldgehalt der konkreten Tatbestandsverwirklichung beherrscht.

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Eine dritte Auffassung, deren Konzeption man als „Prinzip der überwiegenden Einflussnahme“ bezeichnen könnte, dehnt die Anerkennung eines „Täters hinter dem Täter“ noch weiter aus, indem sie schon jede Nötigung unterhalb der Exkulpationsgrenze des § 35 StGB und auch die Hervorrufung tatveranlassender Motivirrtümer zur Begründung einer mittelbaren Täterschaft genügen lässt. Wenn also jemand einen anderen durch die Drohung mit der Offenbarung einer ehrenrührigen Tatsache zu einer Straftat veranlasst, soll der Hintermann mittelbarer Täter dieses Deliktes sein, obwohl der Ausführende seinerseits für die Tat in Kenntnis aller Umstände voll verantwortlich und der Hintermann von seiner Entscheidung abhängig ist. Ebenso soll nach dieser Ansicht eine mittelbare Täterschaft beispielsweise vorliegen, wenn A den B zu einer Verprügelung des C veranlasst, indem er ihm vorspiegelt, C habe ein Verhältnis mit der Frau des B. Hier wird also eine mittelbare Täterschaft angenommen, obwohl der Irrtum des Täters keinen Einfluss auf Unrecht und Schuld der begangenen Körperverletzung hat, deren Art und Ausmaß der verantwortlich handelnde Ehemann in vollem Umfang übersieht.

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Auch „Weisungen“ im Rahmen des Geschäftsverkehrs sollen nach einer vornehmlich vom Bundesgerichtshof forcierten Auffassung eine Tatherrschaft und damit mittelbare Täterschaft begründen können, wenn sie die Begehung strafbarer Handlungen einschließen.

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Nach der hier vertretenen Auffassung wird allein die Lehre von der Verwirklichungsherrschaft (also die zweitgenannte Konzeption) dem Prinzip der Tatherrschaft gerecht. Mittelbare Täterschaft ist Willensherrschaft. Das ist mehr als ein – im Übrigen von der Anstiftung nicht präzise abgrenzbarer – Willenseinfluss, wie ihn die an dritter Stelle genannte Lehre genügen lässt. Wo der unmittelbare Täter den Unrechts- und Schuldgehalt seiner Tat in vollem Umfang übersieht und nach rechtlichen Maßstäben voll verantwortlich ist, wo zudem die Tatbestandsverwirklichung – anders als bei Anordnungen im Rahmen organisatorischer Machtapparate – allein von seiner Entscheidung abhängt, können Hintermänner die Tat zwar mehr oder weniger beeinflussen, aber nicht beherrschen.

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Die Möglichkeit einer Tatherrschaft greift aber andererseits über den Fall der Unverantwortlichkeit des Tatmittlers hinaus, auf den die erstgenannte Auffassung abhebt. Das gilt nicht nur für den Fall des „Schreibtischtäters“, der mit Hilfe eines von rechtlichen Bindungen gelösten Machtapparates die Durchführung seiner Anordnungen wegen der Ersetzbarkeit der Vollstreckungspersonen ohne Rücksicht auf individuelle Entscheidungen eines Einzeltäters durchsetzen kann. Ein Hintermann beherrscht die Tat auch dort, wo er unbeschadet der – in der Regel reduzierten – Verantwortlichkeit des Ausführenden die Unrechts- und Schulddimension der konkreten Tatbestandsverwirklichung als einziger übersieht.

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Mittelbare Täterschaft ist demnach Tatbestandsverwirklichung in Gestalt der Tatherrschaft. Auch der mittelbare Täter tötet, verletzt, betrügt oder stiehlt also. Weil er dies nicht notwendig mit eigener Hand tun muss, erweitert die Tatherrschaft demnach den formal-objektiven zu einem materiell-objektiven Begriff der Tatbestandsverwirklichung.

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Die nachfolgende Darstellung folgt der geschilderten Leitlinie. Freilich erschöpfen die drei genannten Grundauffassungen das Meinungsspektrum nicht. So halten einige Autoren auch bei ausgeschlossener Verantwortung des unmittelbar Handelnden – also in Fällen des Nötigungsnotstandes oder bei Veranlassung von Kindern zur Tatbegehung – eine Teilnahme noch für möglich.

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Die Übersicht über den Meinungsstand wird weiter dadurch erschwert, dass die Vertreter der drei vorstehend skizzierten Grundkonzeptionen ihre Auffassung in der Regel nicht konsequent durchhalten, sondern Ausnahmen anerkennen oder Anleihen bei einer der anderen Auffassungen machen. So erkennen z.B. einige Vertreter der Lehre, dass verantwortliches Handeln des Ausführenden eine mittelbare Täterschaft ausschließt, eine solche im Fall der Organisationsherrschaft oder bei Hervorrufung eines vermeidbaren Verbotsirrtums ausnahmsweise doch an. Andererseits wird von einigen Verfechtern des Prinzips überwiegender Einflussnahme eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft abgelehnt.

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Immerhin gestattet der hier entworfene Bezugsrahmen nicht nur eine sachgerechte Einordnung der zahlreichen Einzelprobleme. Er liefert auch Ansätze zu ihrer Lösung, die im Folgenden ausgearbeitet werden sollen.

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme§ 52 Mittelbare Täterschaft › B. Die Erscheinungsformen mittelbarer Täterschaft

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