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I. Konzept und Ausgestaltung

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Der im September 2013 vom nordrhein-westfälischen Justizminister Kutschaty vorgestellte „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden“ (Rn. 15) sollte die „Haftung“ von Verbänden in einem Verbandsstrafgesetzbuch (VerbStrG) regeln. Als Vorbild fungierte das österreichische VbVG (Rn. 17),[439] aufgegriffen wurden aber auch Elemente des italienischen und US-amerikanischen Unternehmensstrafrechts.[440] Dogmatisch lag dem Entwurf – abweichend vom VbVG – das „Modell der originären Verbandsverantwortlichkeit“ (Rn. 123) zugrunde. Der Erste Teil (§§ 1–12 VerbStrG-E) enthielt materiell-rechtliche Regelungen, der Zweite Teil (§§ 13–22 VerbStrG-E) Verfahrensvorschriften.

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Der Anwendungsbereich (§ 1 VerbStrG) sollte juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften umfassen, und zwar des „privaten und öffentlichen Rechts“ (Abs. 1), um den diesbezüglich bei § 30 OWiG bestehenden Streit zu entscheiden.[441] Bei den „Zuwiderhandlungen“ (Abs. 2) wurde einerseits die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ausgenommen, um klarzustellen, dass die „Bestrafung des Staates durch den Staat“ ausscheidet,[442] und andererseits Verbandsbezogenheit vorausgesetzt, um aus rein privaten Interessen begangene Taten auszuschließen.[443] Der Kreis der „Entscheidungsträger“ (Abs. 3 lit. a bis d) deckte sich mit dem Kreis der Leitungspersonen des § 30 OWiG. Die Allgemeinen Bestimmungen (§ 3 VerbStrG-E) sahen grds. die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des AT vor (Abs. 1). Für Verjährung und Strafantrag sollte die Zuwiderhandlung maßgebend sein (Abs. 2 und 3), womit die Verklammerung der Verbandsstraftat mit der Tat der natürlichen Person aufgegeben worden wäre.[444] Die Verbandsstraftaten (§ 2 VerbStrG-E) sollten zum einen an die vorsätzliche oder fahrlässige Begehung einer verbandsbezogenen Zuwiderhandlung durch einen Entscheidungsträger anknüpfen (Abs. 1), wobei dem Verband – abweichend von § 30 OWiG und dem VbVG – stets ein Auswahlverschulden vorgeworfen worden wäre.[445] Zum anderen sollte ein Entscheidungsträger bei Begehung einer verbandsbezogenen Zuwiderhandlung durch eine untergeordnete Person für eine vorsätzlich oder fahrlässig begangene Aufsichtspflichtverletzung verantwortlich sein, womit – analog zu § 130 OWiG – die Risikoerhöhungslehre im Strafrecht etabliert worden wäre.[446] Um einer Verlagerung von Aufsichts- und Kontrollzuständigkeiten zu begegnen, sollten Auslandstaten erfasst werden, wenn der Verband seinen Sitz in Deutschland hat (Abs. 3).[447] Verhängte Sanktionen sollten auch gegen Rechtsnachfolger wirken (Abs. 4).

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Ein abgestuftes, stark präventiv ausgerichtetes Reaktions- und Sanktionsinstrumentarium hätte dem Verband die Möglichkeit eröffnet, fehlerhafte Strukturen selbst zu korrigieren.[448] Vorgesehen war das Absehen von Sanktionen (§ 5 VerbStrG-E), wenn ausreichende organisatorische Maßnahmen getroffen wurden, um vergleichbare Straftaten künftig zu vermeiden, und ein bedeutender Schaden nicht entstanden war oder überwiegend wieder gut gemacht (Abs. 1) bzw. freiwillig Aufklärungshilfe geleistet wurde (Abs. 2, 4). Dies sollte die Einführung von Compliance-Systemen und die Offenlegung unternehmensinterner Erkenntnisse begünstigen.[449] Die Verbandsgeldstrafe (§ 6 VerbStrG-E) wäre nach Tagessätzen bemessen worden (Abs. 1), die sich nach der Ertragslage richten. Die Geldstrafe hätte höchstens 10 % des durchschnittlichen (Jahres-)Gesamtumsatzes betragen dürfen (Abs. 4), wobei der weltweite Umsatz der letzten drei Geschäftsjahre zugrundegelegt worden wäre (Abs. 5). Die Zumessung (Abs. 3) sollte an § 46 StGB und § 17 Abs. 3 OWiG anknüpfen, wobei Art, Schwere und Dauer des Organisationsmangels, die Auswirkungen der Zuwiderhandlung und das Nachtatverhalten im Vordergrund gestanden hätten.[450] Die Verbandsverwarnung (§ 7 VerbStrG-E) sollte zulässig sein. Bei den Regelungen zu Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen (§ 8 VerbStrG-E) hätte das Gericht u.a. den Verband mit dessen Einwilligung „nach Art einer Therapieweisung“[451] anweisen können, organisatorische und personelle Maßnahmen zu treffen und hierüber regelmäßig Bericht zu erstatten (Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3). Die Bekanntgabe der Verurteilung (§ 9 VerbStrG-E) sollte in Anlehnung an § 200 StGB und § 12 Abs. 3 UWG[452] bei der Schädigung einer „großen Zahl von Personen“ möglich sein. Als Verbandsmaßregeln waren der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge (§ 10 VerbStrG-E) und von Subventionen (§ 11 VerbStrG-E), jeweils mindestens für die Dauer eines Jahres, vorgesehen. Darüber hinaus sollte die Verbandsauflösung (§ 12 VerbStrG-E) möglich sein, wenn eine Straftat „beharrlich wiederholt“ wird und „erhebliche rechtswidrige Zuwiderhandlungen“ drohen.

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Hinsichtlich des Verbandsverfahrens war die sinngemäße Anwendung der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren vorgesehen (§ 13 VerbStrG-E). Der Legalitätsgrundsatz (§ 14 VerbStrG-E) sollte Anwendung finden, wobei bei Auslandstaten von der Verfolgung hätte abgesehen werden können, wenn dort bereits eine hinreichende Strafe rechtskräftig verhängt wurde oder zu erwarten wäre. Vorgesehen waren umfangreiche Verfahrensregelungen (§§ 15–21 VerbStrG-E) zur gerichtlichen Zuständigkeit und Ausschließung von Richtern, zu Vertretung und Zustellung, Beschuldigtenrechten, Verteidigung und Pflichtverteidigung, verfahrenssichernden Maßnahmen und zur Hauptverhandlung. Die gemeinsame Verfahrensführung sollte möglich sein (§ 15 Abs. 2 VerbStrG-E). Im Verbandsverfahren hätten nicht nur die Vertreter des Verbands[453] als Beschuldigte gegolten, sondern auch untergeordnete Personen, die einer Zuwiderhandlung verdächtigt werden (§ 18 Abs. 1 VerbStrG-E). Die gemeinschaftliche Verteidigung von Verband und natürlicher Person wäre zulässig gewesen (§ 18 Abs. 2 VerbStrG-E).[454] Als verfahrenssichernde Maßnahme (§ 20 VerbStrG-E) war die Anordnung des dinglichen Arrests bis zur Höhe von 10 % des Durchschnittsumsatzes der vorausgegangenen drei Geschäftsjahre vorgesehen, also des Höchstbetrages der Verbandsgeldstrafe. Für die Vollstreckung (§ 22 VerbStrG-E) war im Fall der Nichteinbringlichkeit der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgesehen. Schließlich waren Regelungen zum Eintrag von Strafen und Maßregeln ins Bundeszentralregister, zur Erstreckung der Entschädigungsvorschriften des StrEG und zur steuerlichen Nichtabzugsfähigkeit der Verbandsgeldstrafe enthalten.

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