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1. Grundsätzliches

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Der Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“, der am 16. Juni 2020 vorgestellt wurde, enthält wie bereits der erste Referentenentwurf von Mitte August 2019 (zur Entstehung der Entwürfe Rn. 18 f.) das „Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (Verbandssanktionengesetz – VerSanG)“. Der Entwurf des VerSanG (VerSanG-E) greift Elemente des „Kölner Entwurfs“[497] (Rn. 18) auf, wobei er aber nur teilweise dem Repräsentationsmodell folgt; teilweise neigt er dem Vicarious liability-Modell zu (Rn. 162). In allen Entwürfen ist von „Verbandssanktionen“ die Rede, nicht wie im VerbStrG-E (Rn. 126 ff.) von „Verbandsstrafen“. Während beim Kölner Entwurf die Spezialprävention im Vordergrund stand,[498] soll das VerSanG die Ahndung von Verbänden sicherstellen und „zugleich“ Anreize für Investitionen in Compliance und die Aufklärung von Straftaten mit internen Untersuchungen setzen.[499] Die wesentlichen Unterschiede gegenüber dem ersten Referentenentwurf (VerSanG-eRefE) bestehen zum einen darin, dass nur noch Verbände erfasst werden, deren Zweck auf einen „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“ gerichtet ist (§ 1 VerSanG-E). Die Sanktionierung von anderen Verbänden soll weiterhin § 30 OWiG unterliegen, also mittels Verbandsgeldbußen erfolgen. Zum anderen ist die „Verbandsauflösung“ (§ 14 VerSanG-eRefE), die stark kritisiert[500] wurde („Todesstrafe“), nicht mehr als Verbandssanktion vorgesehen.

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Art. 1 des geplanten „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ enthält mit dem VerSanG ein umfangreiches neues Stammgesetz, das die Sanktionierung von Verbänden regelt und in sieben Teile mit 69 Paragraphen untergliedert ist: 1: Allgemeine Vorschriften; 2: Voraussetzungen der Sanktionierung und Ausfallhaftung; 3: Rechtsfolgen; 4: Verjährung; 5: Zuständigkeit und Verfahrensvorschriften; 6: Verbandssanktionenregister; 7: Schlussbestimmungen. Art. 214 enthalten ergänzende Bestimmungen zur Änderung bestehender Gesetzen (insb. GVG, InsO, StPO, GKG, RVG, StGB, OWiG, AO, GWB, WRegG, EnWG). Art. 15 sieht vor, dass das Gesetz erst zwei Jahre nach Verkündung, die Regelungen zum Verbandssanktionenregister sogar erst vier Jahre danach, jeweils am ersten Tag des folgenden Quartals in Kraft treten. Für Taten, die vor Inkrafttreten begangen wurden, über die aber erst nach Inkrafttreten zu entscheiden ist (Altfälle), werden die bisherigen Vorschriften, insbesondere § 30 OWiG, in ihrer bisherigen Fassung fortgelten (§ 68 VerSanG-E).

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Die Begründung des Entwurfs „akzentuiert“ die Defizite des geltenden Rechts und stellt die Einführung des Gesetzes als „alternativlos“ (siehe Rn. 137) dar. Straftaten, die aus Verbänden heraus begangen werden, könnten bislang nur mit einer Verbandsgeldbuße geahndet werden, womit eine angemessene Reaktion auf Unternehmenskriminalität „nicht möglich“ sei; die Höchstgrenze des Ahndungsteils von 10 Mio. Euro lasse insb. gegenüber finanzkräftigen multinationalen Konzernen „keine empfindliche Sanktion“ zu; „konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln“ für Verbandsgeldbußen würden ebenso fehlen wie „rechtssichere Anreize“ für Investitionen in Compliance; die Verfolgung stehe allein im Ermessen der zuständigen Behörden, was zu einer „uneinheitlichen und unzureichenden Ahndung“ geführt habe; Verbandstaten im Ausland könnten „vielfach nicht verfolgt“ werden.[501] Das OWiG und sein Verfahrensrecht seien „insgesamt keine zeitgemäße Grundlage mehr für die Verfolgung und Ahndung kriminellen Unternehmensverhaltens“.[502]

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Der Entwurf verfolgt (nur noch, Rn. 134) das Ziel, die Sanktionierung von Verbänden, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, eigenständig gesetzlich zu regeln.[503] Damit soll der Kritik[504] Rechnung getragen werden, es sei unverhältnismäßig, alle Verbände denselben Sanktionen zu unterwerfen. Das bislang im OWiG nur rudimentär geregelte Verbandsverfahren wird neu geordnet, wobei nicht nur das Legalitätsprinzip eingeführt werden soll, sondern auch verbandsspezifische Einstellungsvorschriften geschaffen werden, um Compliance-Maßnahmen zu fördern und Anreize zu geben, dass Unternehmen mit internen Untersuchungen dazu beitragen, Straftaten aufzuklären; darüber hinaus soll ein Verbandssanktionenregister geschaffen werden.[505] Gegenüber dem ersten Referentenentwurf wird – wohl im Hinblick auf die neue Bezeichnung als „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ – hervorgehoben, Rechtsbrüche einzelner Unternehmen gingen auf Kosten der rechtstreuen Unternehmen und deren Inhaber- und Arbeitnehmerschaft, würden den Ruf der Wirtschaft „insgesamt“ und bei Ausbleiben einer angemessenen Reaktion zugleich das Vertrauen in den Rechtsstaat schädigen.[506] Das VerSanG soll ein Instrumentarium zur Verfügung stellen, „mit dem angemessener, wirksamer und flexibler der Tat und ihren Ursachen Rechnung getragen werden kann“.[507] (Keine) Alternativen seien die Beibehaltung der „unzureichenden Rechtslage“, Änderungen des OWiG, die wegen der Vielzahl der erforderlichen Sonderregelungen mit „erheblichen systematischen Verwerfungen“ einhergehen würden, und die derzeit „nicht zwingend erscheinende Einführung eines Unternehmensstrafrechts“.[508] Mehrkosten, die den Bundesländern entstehen, würden durch Synergieeffekte und Mehreinnahmen relativiert.[509]

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