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4. Verfassungsrechtliche Kritik

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Das europäische Recht genießt im Rahmen der Kompetenzübertragung an die europäischen Institutionen Anwendungsvorrang vor dem deutschen Recht.164 Dies hat zur Konsequenz, dass die DSGVO nicht an den deutschen Grundrechten zu messen ist.165 Entsprechend wurde im Vorfeld der Verabschiedung der DSGVO kritisiert, dass mit der DSGVO 30 Jahre Rechtsprechung des BVerfG zum Datenschutzrecht obsolet würden.166 Dieses Schutzdefizit wird in materiellrechtlicher Hinsicht jedoch kompensiert, indem die DSGVO auf europäischer Ebene an dem Grundrecht auf Datenschutz gem. Art. 8 GrCh zu messen ist,167 das der Gewährleistung der informationellen Selbstbestimmung in der deutschen Grundrechtsdogmatik entspricht. Dennoch sieht sich die DSGVO erheblicher verfassungsrechtlicher Kritik ausgesetzt.168 Diese ist zum einen dadurch begründet, dass es auf europäischer Ebene keine Rechtsprechung gibt, die ein der Grundrechtsrechtsprechung des BVerfG entsprechendes Niveau erreicht.169 Zudem führt die Regelung des Datenschutzes auf europäischer Ebene dazu, dass den Betroffenen der Weg zu einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG erschwert ist, während es auf europäischer Ebene keinen Rechtsbehelf gibt, der den Betroffenen nach der Erschöpfung des Rechtsweges Rechtsschutz wegen der Verletzung von Grundrechten aus der GrCh bietet.170

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Der Primärrechtsschutz wegen der Verletzung von Rechten nach der DSGVO ändert sich hingegen mit Inkrafttreten der DSGVO nicht, da die mitgliedstaatlichen Gerichte auch für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zuständig sind.171 Gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden bleibt es daher bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte und gegen Datenschutzverstöße von Privaten kann Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten erlangt werden.172 Ein entscheidender Unterschied ergibt sich jedoch im Fall der Erschöpfung des Rechtsweges, da die Entscheidungskompetenz des BVerfG eingeschränkt sein kann. Nach der Solange-Rechtsprechung des BVerfG überprüft dieses europäische Rechtsakte nämlich nicht am Maßstab des Grundgesetzes, solange die europäischen Gemeinschaften insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH einen Grundrechtsschutz gewährleisten, der in seinem Wesensgehalt mit dem der Grundrechte des GG vergleichbar ist.173

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Während in der Solange I-Entscheidung174 noch davon ausgegangen wurde, dass dieses Schutzniveau nicht erreicht ist, geht das BVerfG seit der Solange II-Entscheidung175 davon aus, dass ein entsprechendes Schutzniveau besteht. Eine Überprüfungskompetenz des BVerfG besteht in Anwendung dieser Grundsätze nur solche Rechtsakte, die aufgrund einer Öffnungsklausel in der DSGVO erlassen wurden176 und nach den Grundsätzen der Lissabon-Entscheidung für europäische Rechtsakte, die offensichtlich in den Kernbereich souveräner Staatlichkeit eingreifen,177 soweit diese strukturelle Bedeutung haben und vom EuGH unbeanstandet geblieben sind.178 Ein Verstoß gegen europäische Grundrechte kann danach nur indirekt im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV durch eine Vorlage eines Fachgerichts vom EuGH auf einen Verstoß gegen europäische Grundrechte geprüft werden.179 Eine Pflicht zur Vorlage ergibt sich gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV für Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit innerstaatlichen Rechtsmitteln angefochten werden können, insbesondere also für Entscheidungen des BVerwG und des BGH.180 Mit den Entscheidungen Recht auf Vergessen I181 und Recht auf Vergessen II182 relativiert das BVerfG diese Grundsätze und schafft die Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Kontrolle deutscher Stellen am Maßstab der deutschen Grundrechte (Recht auf Vergessen I) mit der Vermutung, dass dadurch auch die Europäischen Grundrechte mitgewährleistet seien und der direkten Anwendung der Europäischen Grundrechte durch das BVerfG unter Berufung auf die Integrationsverantwortung nach Art. 23 Abs. 1 GG (Recht auf Vergessen II).183

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Alternativ verbleibt die Möglichkeit einer Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. Art. 263 Abs. 4 i.V.m. Art. 256 Abs. 1 AEUV,184 mit der die Nichtigkeit der Verordnung erklärt werden könnte.185 Die Klage setzt jedoch den regelmäßig nicht erbringbaren Nachweis voraus, dass der Kläger unmittelbar und individuell wegen besonderer Eigenschaften betroffen ist, die ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebt.186

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Als letzte Möglichkeit verbleibt nach einem Beitritt der EU zum Europarat die Möglichkeit einer Klage vor dem EGMR unter Berufung auf die EMRK. Die Verfahrensvoraussetzungen sind nicht besonders hoch, jedoch ist aufgrund der Überlastung des Gerichts mit einer langen Verfahrensdauer zu rechnen.187

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