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Das »Augusterlebnis«

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Der Kriegsausbruch wurde vielerorts stürmisch begrüßt. Der Taumel der nationalen Begeisterung wirkte, als hätten die Menschen den Krieg regelrecht herbeigesehnt. »Wir kannten sie ja, diese Welt des Friedens«, schrieb etwa der Dichter Thomas Mann, »wimmelte sie nicht von den Ungeziefern des Geistes wie von Maden? Gor und stank sie nicht von den Zersetzungsstoffen der Zivilisation? [...] Wie hätte der Künstler, der Soldat im Künstler, nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satthatte!« In der Massenhysterie der ersten Kriegstage erlebe jeder Einzelne gleichsam »eine Steigerung seines Ichs«, notierte der Schriftsteller Stefan Zweig. Der Krieg werde als »Erlösung«, als »reinigendes Gewitter«, als »Spaziergang« angesehen, von dem man – wollte man den Versprechungen des deutschen Kaisers glauben – bis Weihnachten zurück sei. Überall strömten junge Männer in die Rekrutierungsbüros. Untauglichkeit galt als »Schande«. »Es war selbstverständlich, es gab keine Frage, keinen Zweifel mehr: Wir würden mitgehen, alle«, schilderte Carl Zuckmayer die Stimmung unter seinen Klassenkameraden.

»Die Soldaten sangen, Frauen und Mädchen hatten sich in ihre Reihen gedrängt und sie mit Blumen geschmückt. Ich habe seitdem noch manche begeisterte Volksmenge gesehen, keine Begeisterung war so tief und mächtig wie an jenem Tag.«

Ernst Jünger

Auch Adolf Hitler, der sich 1913 dem Militärdienst für die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie noch durch eine Übersiedlung nach München entzogen hatte, wurde von patriotischen Gefühlen hingerissen. »Ich schäme mich auch heute nicht zu sagen«, hieß es später in Mein Kampf »dass ich, überwältigt von stürmischer Begeisterung, in die Knie gesunken war und dem Himmel aus übervollem Herzen dankte, dass er mir das Glück geschenkt, in dieser Zeit leben zu dürfen.« Der Krieg bot Hitler, der bis dahin ein eher zielloses Leben geführt hatte, endlich die lang ersehnte Perspektive.

Im »Geist von 1914« wurde fortan das Bild einer Volksgemeinschaft beschworen, die keine Parteien mehr kannte. Doch die Bilder vom Auszug blumengeschmückter Soldaten täuschten. Die Kriegseuphorie hatte längst nicht alle Gesellschaftsschichten in. gleichem Maße erfasst. Während im bürgerlich-akademischen Milieu dem Aufbruch in eine neue Zeit entgegengefiebert wurde, machte sich unter der Arbeiterschaft und der Landbevölkerung Verzagen breit. Wer sollte die Ernte einbringen, wer die Familie ernähren, wenn die Männer an die Front mussten? »Ganz Landshut ist voll schluchzender und weinender Menschen«, notierte der Schüler Heinrich Himmler in sein Tagebuch.

Die jungen Soldaten, die im Sommer des Jahres 1914 an die Front verlegt wurden, hatten keine Ahnung von den Gesetzen eines Krieges, der erstmals auch mit modernsten Massenvernichtungswaffen geführt werden würde. Französische Wehrpflichtige zogen mit roten Hosen und blauen Jacken in den Kampf. Das britische Empire war ohnehin vollkommen unvorbereitet auf einen längeren. militärischen Konflikt. England hatte keine Wehrpflicht und, anders als Frankreich und Deutschland, kein Massenheer.

Erst nach dem Kriegseintritt erfolgte die Bildung einer Freiwilligenarmee durch den neu ernannten britischen Kriegsminister Lord Kitchener. Große Plakate mit seinem Konterfei riefen junge Männer mit dem Slogan zu den Waffen: »Your country needs you!« (Dein Land braucht Dich). Alle beteiligten Nationen hatten einen schnellen Sieg vor Augen – ein fataler Irrtum.

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