Читать книгу Sammelband "Tatort Hunsrück" Teil 1 - Hannes Wildecker - Страница 30

Kapitel 24

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Voller Erwartung trafen Overbeck und Leni in Hermeskeil ein und eilten die Stufen zum Portal der Polizeiinspektion empor. Gehweiler öffnete auf ihr Läuten und es kam Leni vor, als habe er hinter der riesigen Doppeltür gestanden und nur auf ihre Ankunft gewartet.

„Gut, dass ihr kommt“, rief er und warf die Arme vielsagend in die Höhe. „Es ist nichts aus ihm herauszubringen. Er streitet alle Vorwürfe ab.“

„Ihr habt bereits mit der Vernehmung begonnen?“ Overbecks Stirn legte sich in Falten und Gehweiler schob schnell eine Bemerkung hinterher. „Befragt haben wir ihn, nicht vernommen, nur befragt.“

„Du sagtest doch, es sei nichts aus ihm herauszubringen?“, legte Overbeck nach und Gehweiler atmete tief ein, während er hilfesuchend auf Leni sah.

„Er brachte uns mit seinem Schweigen auf die Palme und da … da haben wir ihm die Morde vorgehalten“, stotterte er.

„Und nun sagt er nichts mehr und will einen Anwalt. Richtig?“

Gehweiler nickte. „Aber wir haben in dieser Richtung noch nichts unternommen. Wir wollten auf eure Ankunft warten.“

„Wenigstens etwas Gutes“, brummte Overbeck und Leni sah den Moment gekommen, die Diskussion zu beenden.

„Dann bring uns zu ihm. Wollen mal hören, ob er nicht doch etwas zu sagen hat.“

Sie gingen vorbei an der Wache, wo sich zwei junge Kollegen unterhielten und kurz die Hand zum Gruß hoben, als sie die Gruppe sahen. Dann folgten sie einem mit hässlichen grauen Fliesen verlegten Gang, an dessen Ende Gehweiler stehenblieb und auf eine der beiden Zellentüren zeigte.

„Unser Polizeigewahrsam, zwei Zellen“, sagte er fast entschuldigend, als hätten Leni und Overbeck mehrere davon erwartet. „Er ist in Nummer eins.“

Overbeck schob mit der Fingerspitze die kleine runde Sichtschutzplatte vor dem Spion beiseite und sah hindurch. Die kahle Pritsche auf der rechten Seite an der Wand war leer. Schon glaubte Overbeck, seine Augen spielten ihm einen Streich, da sah er ihn. Er saß auf der linken Seite des kleinen Raumes, unmittelbar neben der Tür, weshalb er ihn nicht sofort wahrgenommen hatte.

Es war ein junger Mann, den Overbeck an die achtzehn Jahre schätzte. Die dunklen vollen Haare reichten bis zur Schulter und hingen ungezügelt über beide Gesichtshälften, so dass gerade die Nasenspitze zu erkennen war. Seinen Anorak hatte er über beide Knie gelegt und seine Unterarme darauf abgestützt. Ob er schlief oder seinen Gedanken nachhing war nicht zu erkennen.

Overbeck nickte Gehweiler zu, der mit einem Rasseln sofort den Schlüssel ins Schloss steckte und mit zwei klackenden Geräuschen das Schloss öffnete.

Kaum hatte Overbeck die Zelle betreten, sprang der junge Mann auf und ließ eine Tirade vom Stapel, die den beiden Kriminalbeamten erst einmal die Luft nahm.

„Warum werde ich hier festgehalten?“, rief er schließlich und wandte dabei sein Gesicht den Beamten zu.

Overbeck sah einen jungen Mann vor sich, einen Mann mit langen, ungepflegten Haaren, mit stoppelbärtigem Gesicht und buschigen Augenbrauen. Er betrachtete das Gesicht des Gegenübers, um daraus zu lesen, auf seine Gedanken, seinen Charakter zu schließen. Es sprang ihm nur Hass und Wut über die Ohnmacht eines Festgenommen entgegen.

Overbeck verzichtete angesichts der momentanen Verfassung des Mannes auf eine weitere Unterhaltung in der Zelle.

„Bringt ihn in den Vernehmungsraum!“, gab er kurz Anweisung und zu Leni gewandt, sagte er kurz: „Komm!“

Gehweiler winkte einem jungen Kollegen, der just in diesem Moment den Gang betrat. Overbeck und Leni drehten sich nicht mehr um.

Der Vernehmungsraum lag im Obergeschoss, ein etwa 20 Quadratmeter großer, weiß angestrichener Raum, spartanisch eingerichtet, nur mit dem Notwendigsten ausgestattet. Auf einer Art Sideboard an der Wand gegenüber der Tür wartete ein Tonbandgerät auf seinen Einsatz und sogar eine kleine Videokamera hatte man auf einem Stativ in der Nähe des Fensters, weit genug weg vom Vernehmungstisch installiert. Eine Glasscheibe in der Größe einer Tischplatte gewährte einen Blick in das Innere des Vernehmungszimmers, nicht aber nach außen, wo meist ein Polizeibeamter das Vernehmungsgeschehen verfolgte, um in einer Ausnahmesituation eingreifen zu können.

Während Gehweiler und sein junger Kollege den Festgenommenen in den Vernehmungsraum führten, warteten Leni und Overbeck noch einen Moment draußen.

„Er hat keine Papiere dabei“, sagte Leni nachdenklich. „Und er macht keine Angaben über seine Person.“

„Dann muss er eben die übliche Prozedur durchlaufen“, gab Overbeck unwirsch zur Antwort. „Wir können uns nicht den ganzen Tag mit ihm befassen, wenn er keine Angaben macht. Wir werden ermitteln, wer er ist und ihn dem Haftrichter vorführen. Basta!“

„Nun mal langsam, Overbeck“, sagte Leni betont langsam und legte die Betonung bewusst auf seinen Namen. „Wir werden unsere Arbeit tun, wie wir sie immer tun. Nach Vorschrift.“

„Genau. Nach Vorschrift. Du kennst ja den Ausdruck: Dienst nach Vorschrift. So wird es laufen.“

„So kann es nicht laufen“, zischte Leni, in der auf einmal Aufregung emporstieg. „Dienst nach Vorschrift bedeutet, nur das Notwendigste zu tun. Aber das ist in unserem Fall zu wenig. Viel zu wenig. Wir müssen davon ausgehen, dass weitere Morde geplant sind. Morde, die wir verhindern wollen. Das geht ganz bestimmt nicht mit Dienst nach Vorschrift.“

Overbeck sah Leni an und plötzlich lächelte er. „Du glaubst, du kannst die nächsten beiden Morde verhindern?“

„Aus deinem Mund hört sich das an, als stünde die Ermordung der beiden Männer jetzt schon fest. Ja, wir müssen versuchen, das zu verhindern. Vielleicht ist das heute der Anfang. Lass uns reingehen.“

Leni hatte sich in Rage geredet und stand vor Overbeck und sah ihm in die Augen. Er hatte den Eindruck, dass sie leicht zitterte.

„Okay, gehen wir.“

Als Overbeck und Leni den Vernehmungsraum betraten sprang der Festgenommene, von dem sie nicht wussten, wie sie ihn anreden sollten, auf und kam auf sie zu.

„Setzen Sie sich!“ Overbecks Befehl war knapp und scharf. Der junge Mann schien nicht hinzuhören. Er kam einen weiteren Schritt auf die beiden zu. „Was wollen Sie von mir? Warum sperren Sie mich ein?“

„Drehen wir das Ganze doch einmal um“, sagte Overbeck leise. „Aber erst setzen wir uns.“ Sein fordernder Blick ruhte in den Augen des jungen Mannes, der zurückwich und sich auf einen der drei Stühle fallenließ.

„Also“, fuhr Overbeck weiter. „Beginnen wir damit, dass Sie uns sagen, wer Sie sind. Das würde die Angelegenheit um ein Vielfaches vereinfachen. Nicht, dass es uns viel ausmachen würde, aber während der Zeit, in der wir ermitteln, wer hier vor uns sitzt, bleiben Sie bei uns. Oder in U-Haft. Wer weiß? Es kommt auf Sie alleine an.“

„Machen Sie es sich nicht so schwer“, versuchte es Leni auf die freundliche Art. „Sie sagen uns, wer Sie sind, wir überprüfen es und zwischendurch erzählen Sie uns, was Sie in dem leerstehenden Haus wollten.“

„Und wenn ich mich weigere?“

„Dann werden wir Sie morgen früh dem Haftrichter vorführen und wie sich Ihre Situation darstellt, geht’s ab in den Bau.“

Es war nachzuempfinden, wie sich die Gedanken im Kopf des Mannes überschlugen. Als er tief einatmete, wusste Overbeck, dass sie gewonnen hatten. Schließlich kam die Antwort:

„Gut. Mein Name ist Josef Köhler. Ich wohne in Trier. Sie können das gerne überprüfen. Habe dort eine kleine Wohnung, in der ich derzeit alleine lebe.“

Overbeck sah Leni an. „Ich mache das schon, sagte sie und stand auf. „Ihr Geburtsdatum?“

Der Mann sagte es ihr und Leni verschwand aus dem Raum. Draußen sah sie durch die milchige Scheibe noch einmal zurück und sah, wie sich Overbeck über den Tisch beugte und auf den jungen Mann einredete.

„Und? Wie sieht’s aus?“

Sie hatte Gehweiler nicht kommen hören und erschrak. „Du kannst mir behilflich sein. Sieh bitte mal im System nach, ob diese Person unter der angegebenen Adresse existiert. Und noch was: versuche herauszufinden, ob unter diesen Personalien irgendwelche Erkenntnisse vorliegen, laufende Verfahren, Vorstrafen oder Ähnliches. Du kennst dich hier besser aus. Ich werde dich begleiten.“

Auf dem Monitor wechselten die Seiten, bis Gehweiler endlich in dem Bereich angekommen war, wo er die vermuteten Personalien des Festgenommenen eingab.

Er nickte und zeigte mit dem Finger auf die Monitorfläche. „Köhler wohnt in Trier, so wie er es angegeben hat.“

„Dann stimmen also auch die restlichen Personalien?“

„Ja, offensichtlich. Josef Köhler, geboren am 15.3. 1992 in Hermeskeil …“

„In Hermeskeil?

„Hm.“

„Ist ja seltsam. Köhler wurde vor 19 Jahren in Hermeskeil geboren, wohnt jetzt in Trier und wurde in einem leerstehenden Haus in Hermeskeil festgenommen. Dafür muss es doch einen Grund geben. Er wird uns einiges zu erklären haben, da bin ich mir sicher.“

Gehweiler blätterte in den Seiten des polizeilichen Systems weiter, bis er schließlich in den Eingabebereich gelangte.

„Dann wollen wir mal sehen“, sagte er vor sich hin und gab Namen und Geburtstag in die entsprechende Rubrik ein. Er schüttelte den Kopf. „Nichts.“

„Das heißt, er ist strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten“, stellte Leni nüchtern fest und ließ sich auf einen Stuhl neben dem Gehweilers fallen. „Ich frage mich, warum er uns nicht sagt, was er dort oben wollte. Warum hat er so lange gezögert, seine Identität preiszugeben?“

„Versuch es herauszufinden.“

„Druck mir bitte alles aus, auch wenn es nur scheinbar uninteressante Erkenntnisse sind.“

„Kurze Zeit später hielt sie die ausgedruckten Seiten in der Hand. „Köhler, Peter, geboren am 15.3. 1992 in Hermeskeil, wohnhaft in Trier, Treverer Platz 54“, sagte Leni vor sich hin und betrachtete gedankenverloren die Blätter in ihrer Hand. „Wer wohnt noch alles in dem Haus? Sieh bitte nach.“

Kurz darauf hielt sie den Ausdruck in Händen, der ihr außer der Wohnung Köhlers noch drei Familien offerierte. Der Name Köhler tauchte dabei nicht mehr auf.

„Ist das alles?“ Gehweiler riss sie aus ihren Gedanken.

„Ja, das ist alles … nein, noch etwas. Ich brauche alle Einwohner in Trier mit dem Namen Köhler.“

„Alle?“ Gehweiler schaute ungläubig drein.

„Nein, nicht alle. Nur die Köhler, die sich mit ‚ö‘ schreiben. Die mit ‚oe‘ kannst du außer Acht lassen.“

Leni erhob sich. „Bringst du mir die Sachen nach unten? Ja, und noch eins. Ich brauche auch die Köhlers hier aus Hermeskeil. Wenn es denn welche gibt.“

Im Weggehen drehte sich Leni noch einmal zu Gehweiler um, der in seine Arbeit mit dem Computer vertieft war.

„Harry … du hast etwas gut bei mir. Ein Feierabendbier.“

„Gehweiler sah auf. Ein Bier? Also drei müssten da schon drin sein.“

„Sie haben hier in Hermeskeil gewohnt. Warum haben Sie nichts davon erwähnt?“ Leni legte den Ausdruck des Computers mit den Meldedaten vor Köhler auf den Tisch.

„Sie haben nicht danach gefragt“, war die schnippische Antwort.

„Sie sind sogar in Hermeskeil geboren. Ein waschechter Hermeskeiler also. In Trier wohnen Sie erst seit“ … Leni drehte das Blatt Papier zu sich herum … „seit 2 Jahren. Warum sind Sie weggezogen?“

„Das ist meine Sache“, kam die wiederum kurze Antwort.

„Gut, das reicht“, schaltete sich Overbeck ein. „Ich möchte von Ihnen wissen, was Sie in dem Haus am Rande der Stadt gesucht haben. Ich gebe Ihnen eine mögliche Antwort: Der Täter kehrt in vielen Fällen zum Tatort zurück. Also, was wollten Sie dort?“

Köhler schwieg.

„Dass Sie einen Einbruch begangen haben, das dürfte Ihnen wohl klar sein. Einbruchsdiebstahl ist ein Vergehen, das nicht unerheblich bestraft wird.“

„Ich habe nichts gestohlen.“

„Dann bleibt immer noch ein versuchter Einbruchsdiebstahl. Auch damit geht man nicht straflos aus.“

„Beweisen Sie mir das. Ich habe das Fenster eingeschlagen. Na und? Sachbeschädigung, ja, dazu stehe ich. Mehr können Sie mir nicht beweisen.“

„Herr Köhler“, Overbeck zog den Namen bedächtig in die Länge und ging mit ausgebreiteten Armen im Raum umher. „Herr Köhler“, wiederholte er. „Uns geht es nicht darum, einen Einbruch oder seinen Versuch, oder Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung aufzuklären. Meine Kollegin und ich sind von der Mordkommission und Sie sitzen hier vor uns, weil wir Sie verdächtigen, einen, ja vielleicht zwei Morde begangen zu haben. Was zählt da schon ein Einbruch.“

Overbecks Worte schienen auf fruchtbaren Boden zu fallen. Kein Aufbrausen, wie die beiden Kriminalisten es erwartet hatten, kam als Reaktion auf die Anschuldigung. Köhler lehnte sich zurück und schien in sich zusammenzusacken.

„Ich habe weder einen Mord noch einen Einbruch begangen“, sagte er leise.

„Dann sagen Sie uns, was Sie dort wollten.“ Overbeck war an den Tisch herangetreten und stellte die Frage ebenso leise und wartete mit vorgeneigtem Oberkörper gespannt auf die Antwort. Ich habe ihn soweit, dachte er. Jetzt wird er es auskotzen.

„Ich wollte mir den Ort ansehen, wo der Mord geschah“, sagte er schließlich.

„Der Mord?“ Overbeck schüttelte den Kopf. „Die Morde! Zwei Morde. An der gleichen Stelle. Warum wollten Sie sich den Ort ansehen? Hat Sie Ihr Gewissen dorthin getrieben?“

„Verdammt noch mal, hören Sie mir eigentlich zu?“, schrie Köhler und neigte sich ebenfalls nach vorne, so, dass sein Gesicht das von Overbeck fast berührte. „Ich habe niemanden ermordet. Ich hatte einen Grund, dort zu sein. Einen persönlichen.“

Overbeck lehnte sich zurück und nahm damit die Spannung aus der Situation. Köhler hielt in seiner Stellung inne.

„Erzählen Sie uns Ihre Version“, ließ sich nun auch Leni vernehmen, die die letzten Minuten geschwiegen hatte. Er sieht nicht wie ein Mörder aus und seine Argumente müssen einen anderen Hintergrund haben, dachte sie bei sich. „Was Sie uns auch erzählen, wir werden es überprüfen, ob zu Ihrem Nachteil oder zu Ihren Gunsten. Darin besteht unsere Arbeit. Also, kommen Sie.“

Es schien, als überlege Köhler. Schließlich sagte er: „Wenn ich Ihnen die Wahrheit sage, werden Sie mir ebenso wenig glauben.“

„Versuchen Sie es.“

„Er war mein Vater.“

Es war auf einmal sehr still in dem Vernehmungsraum, der eigentlich geprägt war von robuster Kommunikation. Leni sah Overbeck an, dann wandte sie sich wieder an Köhler und fragte bewusst leise, als habe sie Angst, er könne sich wieder dazu entschließen, seine Aussage zu verweigern.

„Ihr Vater? Wer war Ihr Vater?“

Köhler sah unter sich und auf einmal kam es Leni so vor, als habe sie einen zerbrechlichen jungen Menschen vor sich.

„Ich habe mir geschworen, nie mehr im Leben über meinen Vater zu sprechen. Ich hatte ihn aus meinem Leben, aus meinem Gedächtnis gestrichen. Doch als er dann tot war …“

„Ihr Vater?“, Leni zeigte sich irritiert und Overbeck sah ein, dass er sich nun zurückhalten musste. Hier war weibliches Fingerspitzengefühl mehr gefragt, das sah er ein. Sein Interesse aber wuchs. „Ihr Name ist … Köhler. Wer ist … wer war Ihr Vater?“

„Ich trage den Namen meiner Mutter. Sie war nicht mit meinem Vater verheiratet.“

„Moment mal“ Overbeck war aufgestanden und sah Köhler mit erwartungsvoller Spannung an. „Dann ist Ihre Mutter …“

„Jeanette Köhler. Sie kennen Sie. Meine Mutter hat meinen Vater in der Leichenhalle in Trier identifiziert. Sie hätten ihr das ersparen können.“

Overbeck überging den Vorwurf. „Ihr Vater war Jörg Dellmann!“ Das war eine Überraschung. Alles, was den jungen Mann betraf, ergab nun einen Sinn. Er wollte sich im Tod mit seinem Vater versöhnen. Blut ist eben dicker als Wasser. Overbeck tat es plötzlich leid, Köhler so angegangen zu haben.

„Sie sagten, Sie haben Ihren Vater aus Ihrem Gedächtnis gestrichen? Aber Sie wollten an den Ort, an dem …“

„Ich weiß, was er getan hat, was er und seine Kumpane vor 18 Jahren getan haben. Ich habe mich für ihn geschämt. Für ihn, meine Mutter und für mich. Wissen Sie, was es bedeutet, einen Mörder zum Vater zu haben?“

„Dennoch haben Sie die Stelle aufgesucht … den Ort, wo ihr Vater … starb.“

Köhler schwieg. Alle schwiegen für einen Moment.

„Wann haben Sie von seiner Tat erfahren?“ brach Leni schließlich das betretene Schweigen.

„Mein Vater verließ meine Mutter bereits, als sie mit mir schwanger war. Drei Jahre später passierte das dort oben.“ Köhler machte eine Kopfbewegung in die Richtung, von der er glaubte, dass dort das Haus der damaligen Familie Thompson war. Erst als ich 18 wurde, hat mir meine Mutter von meinem Vater erzählt. Es war ein Jahr vor seiner Entlassung aus dem Knast.“

„Haben Sie ihn danach getroffen?“

„Nein, ich konnte nicht. Ich hätte nicht in seine Augen sehen können.“

„Aber er war ihr Vater.“

„Ja, nachdem man ihn … ermordet hatte, machte ich mir Vorwürfe, nicht einmal mit ihm gesprochen zu haben.“ Köhler sah unter sich und sein Körper zuckte leicht.

„Dann wollten Sie zumindest die Stelle sehen, an der er sein Leben lassen musste?“

„Ja, und als dann die Polizisten auf das Haus zu stürmten, habe ich keinen anderen Ausweg gewusst, als mich im Inneren zu verstecken.“

Overbeck, der sich inzwischen wieder auf seinem Stuhl niedergelassen hatte, stand erneut auf. „Sie können gehen. Aber halten Sie sich zu unserer Verfügung.“

Köhler nickte. „Ich bin in meiner Wohnung in Trier zu erreichen“, sagte er.

„Kennen Sie die … Kumpane Ihres Vaters, die damals an der Tat beteiligt waren?“, wollte Leni wissen. Sie wusste, dass ihre Frage unnötig war.

„Ich kenne ihre Namen. In der Zeitung wurde nach ihrer Haftentlassung berichtet. Aber sie interessieren mich nicht. Mich interessiert nur der Mörder meines Vaters.“

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