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Die „kommerzielle Revolution“
ОглавлениеDer Handel im Raum von Palästina bis England erreichte im Hochmittelalter eine Stetigkeit und ein Volumen, das eine Ausweitung des Geldverkehrs bis hin zum bargeldlosen Zahlungsverkehr und zum Kreditgeschäft notwendig machte. In diesem Kreditgeschäft spielten Bankiers aus der Toscana und der Lombardei die entscheidende Rolle. Die Ausdehnung des Handels führte dazu, dass anstelle der bis dahin ausreichenden Pfennigstücke nunmehr Silberbarren im Gewicht einer Mark (= 233 g) in Gebrauch kamen. Als erste Stadt ließ Venedig eine große Silbermünze im Werte von 24 Pfennig prägen. Seit etwa 1250 gab es in Florenz und Genua mit dem Gulden (fl.) sogar neue Goldmünzen.
Der von der Deutschen Hanse getragene Ost-West-Handel im Raum von England über Flandern und Norddeutschland in die Ostseegebiete trat im 13. Jahrhundert gleichgewichtig neben den alten Nord-Süd-Verkehr zwischen Italien, Frankreich, Deutschland und Flandern. Im Ost-West-Handel gingen Holz, Pelze, Wachs und Honig in westlicher und Salz, Wein, Tuche und Hering in östlicher Richtung. Es handelte sich hier also noch weitgehend um Massengüter, während im Nord-Süd-Handel auch Luxuswaren und Qualitätsprodukte eine Rolle spielten.
die „kommerzielle Revolution“ weitet die kaufmännischen Aktionsräume aus
Der allgemeine Handelsaufschwung des 13. Jahrhunderts führte zu einer Verfeinerung der kaufmännischen Methoden, die man als „kommerzielle Revolution“ bezeichnet hat. Die Kaufleute reisten nicht mehr ständig von einem Jahrmarkt zum anderen, sondern ließen sich an einem Orte nieder und überwachten von dort mittels Buchführung und schriftlicher Korrespondenz die Geschäfte. Große Handelsfirmen unterhielten in bedeutenden Marktorten feste Vertreter (Faktoren), wie dies einige italienische Firmen in England und den Niederlanden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts praktizierten. Es entwickelte sich der Kommissionshandel, bei dem zwei Kaufleute gegenseitig an ihrem Orte die Interessen des anderen wahrnahmen. Zukunftsweisende institutionelle Neuerungen wie die commenda weiteten die kommerziellen Aktionsräume erheblich aus und minderten zugleich die damit verbundenen Risiken. Mentalität, Weltbild und Arbeitsethos der führenden oberitalienischen Kaufleute waren bereits eindeutig kapitalistisch geprägt.
E
Commenda
In Italien und im gesamten Mittelmeergebiet verbreitete sich seit dem 12. Jahrhundert die Gesellschaftsform der commenda. Dabei finanzierten mehrere Geldgeber eine Schiffsreise oder lieferten dafür die Ladung und trugen das finanzielle Risiko. Eine besonders fortschrittliche Organisationsform entwickelte sich in Siena, Lucca und Florenz seit der Mitte des 13. Jahrhunderts: die compagnia. Bei dieser Vorform der heutigen Handelsgesellschaft brachten mehrere, häufig miteinander verwandte Personen für eine Dauer von mehreren Jahren Kapital ein, das oftmals mit Fremdkapital Dritter gegen Zinsen ergänzt wurde.