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Ursachen des Niedergangs
ОглавлениеDer im 15. Jahrhundert beginnende Niedergang der Hanse hatte mehrere Gründe, ein besonders bedeutsamer aber war ohne Frage der Aufstieg der Territorialstaaten Dänemark, England, Niederlande, Polen (das 1466 den Deutschen Orden besiegte) und Moskowien unter Ivan III. (1462–1505). Ausländische Landesherren gingen zunehmend dazu über, ihre eigenen Kaufleute zu fördern oder den Konkurrenten der hansischen Kaufleute ebenfalls Privilegien zu gewähren. Über die wachsenden Schwierigkeiten der Hanse in diesem gewandelten politischen Umfeld konnten auch erfolgreiche Kriege gegen Dänemark (1425–1435) und vor allem gegen England (1469–1474) nicht hinwegtäuschen. Die Hanse konnte ihre Position in England halten, keinesfalls aber die holländische Konkurrenz ausschalten.
Die Ausbreitung der moskowitischen Macht unter Ivan III. versetzte der Hanse den schwersten Schlag: der Zar vernichtete die Stadtrepublik Nowgorod und schloss den St. Petershof (1494). Mit der Eroberung Narvas durch Schweden im Jahre 1581 verlor die Hanse ihren russischen Markt. Die englische Königin Elisabeth I. (1558–1603) schloss den Stalhof, die hansische Niederlassung in London. Holländern, Engländern und süddeutschen Kaufleuten aus Nürnberg gelang es zunehmend, in hansische Domänen einzubrechen. Die Holländer übernahmen immer mehr den Handel zwischen Skandinavien und Westeuropa.
Da die Hanse ihre Konkurrenten systematisch aus dem Fischfang ausschloss, zwang sie die Holländer, ihren eigenen Fischfang in der Nordsee zu entwickeln. Dank besseren Fanggerätes und des Baus großer seetüchtiger Fangschiffe etablierte sich der billigere holländische Nordseehering bald neben dem Hering aus Schonen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts verringerten sich zudem die Heringsschwärme vor Skanör und blieben gegen Ende des Jahrhunderts ganz aus. An den Küsten Norwegens, Islands und Englands wurden neue Fischfanggründe erschlossen. Gravierende Auswirkungen für den hanseatischen Handel hatte auch der Bedeutungsverlust des Fisches als Fastenspeise nach der Reformation.
relative Güterpreise und unterentwickelte kommerzielle Techniken benachteiligen hansischen Handel
Ein weiterer Ursachenkomplex für den Niedergang der Hanse ist in dem veränderten wirtschaftlichen Umfeld nach der Großen Pest von 1348/49 zu sehen. Die Nachfrage des Westens nach den Produkten des Ostseeraumes ging trotz verminderter Bevölkerungszahl zwar nicht zurück, ja der Ausbau der Flotten der am Atlantik gelegenen Staaten erhöhte sogar die Bedeutung der Holzzufuhr, doch entwickelten sich nach 1370 die relativen Güterpreise zum Nachteil der Hanse. Die Preise für Getreide und Pelze fielen, während Gewerbeprodukte anzogen. Die gewerbliche Wirtschaft der Hanse aber war im Vergleich zu den emporstrebenden westlichen Regionen unterentwickelt.
Auch die kommerziellen Techniken der hansischen Kaufleute konnten einem Vergleich mit den Gepflogenheiten italienischer Kaufleute nicht standhalten. Die hansische Wirtschaft schwankte zwischen Tauschhandel und Geldwesen, wobei das Silbergeld lange das einzige Zahlungsmittel blieb, und nutzte kaum die Möglichkeiten des Kredits.