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Der Aufstieg der Hanse

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Bereits seit Beginn des 11. Jahrhunderts entfalteten deutsche Kaufleute in Nordosteuropa beträchtliche kommerzielle Aktivitäten. Kölner und westfälische Kaufleute trieben Handel mit England. 1157 erhielten die Kölner Kaufleute für ihre Waren und ihren Kaufhof in London den besonderen Schutz des englischen Königs.

Den Ost-West-Handel auf der Ostsee beherrschten damals die Friesen, Flamen, Russen und Gotländer. Die Hanse bildete sich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts, als die deutschen Kaufleute unter der Führung der westfälischen Stadt Soest die wirtschaftliche Herrschaft über die Ostsee gewonnen hatten. Einen Wendepunkt markierte die Gründung der Stadt Lübeck (1158), die mit dem Ziel erfolgte, den Osthandel zu forcieren. Nur wenig später bildete sich auf der Insel Gotland, dem Zentrum des Warenaustausches im Ostseeraum, eine Genossenschaft der Gotland besuchenden Deutschen, die zur Keimzelle der Hanse wurde. Gemeinsam mit den Gotländern benutzten die Hansen in Nowgorod am Ilmensee deren St. Olavshof, ehe sie um 1200 eine eigene Niederlassung, den St. Petershof, erwarben. Seit Ende des 13. Jahrhunderts hatte Lübeck unbestritten die Führung in der Hanse inne.

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Hanse

Die Hanse war eine bevorrechtete Genossenschaft deutscher Kaufleute im Ausland, keineswegs ein fester Städtebund. Sie unterhielt gemeinsam genutzte Kontore, die mit Privilegien wie Steuerbefreiungen oder eigener Gerichtsbarkeit ausgestattet waren, wie den St. Petershof in Nowgorod, die deutsche Brücke in Bergen oder den Stalhof in London. Die Hanse hatte niemals eine gemeinsame Flotte, gemeinsame Beamte oder eine gemeinsame Finanzordnung. Ebenso wenig war die Hanse „national“: zwar wurden nur „deutsche“ Städte aufgenommen, jedoch bedeutete dies lediglich, dass es sich dabei um Städte handelte, in denen deutsches Recht galt und eine große Gruppe aus Deutschland stammender Kaufleute lebte. So waren auch Stockholm, Krakau, Reval Hansestädte.

Bedeutung der Ostkolonisation

Von entscheidender Bedeutung für den Aufstieg der Hanse wurden die gewaltige Expansionsbewegung der Ostkolonisation, die zur Gründung zahlreicher Siedlungen und Märkte in Osteuropa führte, und das Vordringen rheinischer und westfälischer Kaufleute in den Ostseeraum. Entlang der Ostseeküste entstand eine Reihe deutscher Städte wie Rostock, Stralsund, Danzig, Königsberg, Dorpat, Reval und Riga, die zu wichtigen Stützpunkten für den Ost-West-Handel wurden. Besonders bedeutend als Handelsplatz für die Hansen war die Südwestspitze Schwedens. Die Halbinsel Skanör in Schonen war das Zentrum des europäischen Heringsfangs. Hansische Kaufleute sicherten sich hier zahlreiche Privilegien.

Im flämischen Bereich, in dem sich mit der Weltstadt Brügge das nördliche Zentrum des mittelalterlichen Welthandels befand, traten die Hansen erst Anfang des 13. Jahrhunderts mit ihren großen und besonders seetüchtigen Koggen in Erscheinung. 1252/53 gelang es ihnen, dort Privilegien zu erwerben, indem sie einen Konflikt zwischen König Wilhelm von Holland und der Gräfin Margarete von Flandern ausnutzten. Die hansischen Kaufleute sprangen in die Bresche, als den Flamen Ende des 13. Jahrhunderts der Handel mit englischer Wolle verboten war. Um 1300 hatten sich die Hansen die führende Rolle im Norden Europas gesichert. In Brügge fanden sie Anschluss an die damals noch auf das Mittelmeer ausgerichtete europäische Weltwirtschaft, die ihre Zentren in Venedig und Genua sowie Byzanz hatte.

Brügge wurde zur Drehscheibe des internationalen Warenverkehrs. Durch Vermittlung der Hanse entwickelte sich die Stadt zum Hauptstapelplatz für die Waren des Ostens. Flämische Textilien wurden von hier aus in umgekehrter Richtung in den Osten verschifft, Italiener und andere Kaufleute aus Südeuropa fanden sich ein, um die hansischen Waren zu erwerben.

Strukturen und Methoden des hansischen Handels

Die Handelsaktivitäten der Hanse spielten sich im Wesentlichen entlang der Linie Nowgorod – Reval – Lübeck – Hamburg – London – Brügge ab. Der hansische Fernhandel beruhte auf der Vermittlung von Rohstoffen und Nahrungsmitteln aus den Ostseeländern in westlicher Richtung und niederländischer und englischer Fertigwaren in der östlichen. Dabei übertraf der Transport von Waren aus dem Osten denjenigen in umgekehrter Richtung wertmäßig bei weitem. Im Handel in östlicher Richtung nahm das Tuch die erste Stelle ein. Durch das Aufkommen der besseren und billigeren holländischen, brabantischen und englischen Textilien verlor die Hanse allerdings seit der Mitte des 15. Jahrhunderts Marktanteile.

Einen besonderen Stellenwert für den hansischen Handel hatte das Lüneburger Salz, da in den östlichen Ländern Salz vollständig fehlte. In westlicher Richtung wurden Getreidelieferungen immer wichtiger, die Nachfrage stieg mit der Bevölkerungsentwicklung in Westeuropa sprunghaft an. Preußische und polnische Gutsherren begannen mit der systematischen Getreideproduktion. Diese Gebiete entwickelten sich zu den Kornkammern Europas.

Zur Grundlage des Erfolgs der deutschen Hanse wurden bestimmte kostensenkende Institutionen und Werthaltungen, die die erheblichen Risiken des Handels im Nord- und Ostseegebiet minderten. Die von der Hanse gehandelten Güter waren zumeist billige, aber sperrige und schwere Waren, deren Transport beträchtliche Kosten bei nur geringem Gewinn verursachte. Gewinnmargen von im Höchstfall um die 5% erforderten ein engkalkulierendes, sparsames und vorausschauendes Verhalten des Kaufmanns. Solidarität untereinander, gemeinsame Gewohnheiten und ein ausgeprägter Gruppenstolz waren in dieser Umgebung, in der die Spielräume enger waren als im vergleichsweise reichen Mittelmeergebiet, ohne Frage förderliche Haltungen.

Mit teilweise rigorosen Methoden hielten die hanseatischen Kaufleute den von ihnen abhängigen Norden unter ihrer Kontrolle: Als das landwirtschaftlich wenig entwickelte Norwegen versuchte, die Privilegien der Hanse zu beschneiden, verhinderte die Hanse dies 1284/85 durch die Verhängung einer Getreideblockade, die das Land von den Getreidezufuhren aus Pommern oder Brandenburg abschnitt. Von den Norwegern bezogen die hanseatischen Kaufleute Pökelfleisch, eingesalzenen oder getrockneten Kabeljau von den Lofoten, Holz, Fette, Teer und Pelze. 1388 kam es zu Differenzen mit Brügge. Die Hanse brachte die reiche Stadt und die Regierung der Niederlande durch eine wirksame Blockade zur Kapitulation. Ähnlich rigoros war ihr Vorgehen gegen die Stadt Braunschweig, als dort 1374 die Zünfte den Rat der Stadt und damit die Vorherrschaft des Kaufmannspatriziats beseitigt hatten:

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„Verhansung“ von Braunschweig

Hanserezesse II, S. 226, Nr. 92. Übersetzt nach Bühler, S. 320f.

(…) die Städte der deutschen Hanse (haben) mit Einwilligung der anderen Städte, die zu ihrem Rechte gehören, einträchtig beschlossen, daß sie die Braunschweiger aus der Hanse und den Rechten und Freiheiten des Kaufmanns stoßen wollen, also daß kein Kaufmann in England, Flandern, Dänemark, Norwegen Nowgorod oder sonst irgendeiner Stadt, die im Recht des Kaufmanns steht, Gemeinschaft oder irgendwelche Handel mit den Braunschweigern haben soll (…). Auch soll man niemandem gestatten, ihnen Waren zu bringen oder fortzuführen, wenn man es hindern kann. Ferner sollen weder die Braunschweiger noch ihre Waren in irgendeiner Stadt, die im Rechte des Kaufmanns steht, Geleit oder Sicherheit haben.

Eine ernste Bedrohung für den hansischen Städtebund stellte die dänische Expansionspolitik Waldemar Atterdags (1340–1375) dar. Sie gefährdete die Landverbindung zwischen Lüneburg und Hamburg. Dies war umso bedrohlicher, als Dänemark den Öresund beherrschte. Als Waldemar 1360 auch Besitz von Schonen ergriff und die hansischen Privilegien auf den dortigen Heringsmessen beschnitt, kam es zu einem militärischen Konflikt. Die vereinigten Flotten der Kölner Konföderation, die nicht nur hansische Städte, sondern auch solche aus den nördlichen Niederlanden und Schweden umfasste, eroberten 1368 Kopenhagen und befestigte Plätze am Sund und Schonen. Waldemar musste sich im Stralsunder Frieden (1370) geschlagen geben.

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