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2.6 Gibt es eine allgemeine Evolutionstheorie?

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Die Reichweite des Evolutionsgedankens ist verblüffend, aber ist damit auch die Reichweite der Evolutionstheorie bereits abgesteckt? Insbesondere stellt sich die Frage, ob es für die verschiedenen Phasen der Evolution eine gemeinsame Theorie gibt, eine allgemeine Evolutionstheorie, die alle oder wenigstens die meisten Arten von Evolution umfasst. Diese Frage wird sehr unterschiedlich beantwortet. Oft wird sie kurzerhand verneint. So meint der Biologe HANS MOHR, der Entwurf einer allgemeinen Evolutionstheorie, die biologische, ökonomische und kulturelle Evolution umfasst, entspreche der Suche der Physiker nach der „Weltformel“.

Nun ist aber keineswegs ausgemacht, dass es keine Weltformel gibt oder dass sie, wenn es sie gibt, für uns unauffindbar bleiben muss. Ebenso wenig ist ausgemacht, dass es keine allgemeine Evolutionstheorie geben kann. Vielmehr wird sie von vielen für möglich gehalten, von manchen gesucht und von einigen als vorhanden vorgestellt. Fragt man allerdings, wie diese umfassende Theorie aussehen könnte, so erhält man sehr unterschiedliche Antworten, die kaum Notiz voneinander nehmen und sich meist mit Schlagworten zufrieden geben.

So fragt der Biologe und Philosoph GEORG TOEPFER ausdrücklich, ob es eine generelle Evolutionstheorie gibt, verneint diese Frage aber gleich darauf, weil kosmische, chemische und biologische Evolution sehr unterschiedlichen Mechanismen unterliegen. Man wird daraufhin fragen, ob es wenigstens für alle Evolutionsvorgänge bei Lebewesen eine solche allgemeine Theorie geben könnte, außer für die biologische Evolution also für die Evolution von Kulturen, Sprachen, Werkzeugen, Künsten, Gesellschaften, Wirtschaftssystemen. Hier begnügt sich TOEPFER mit einer Zusammenstellung von Begriffen, die nach verschiedenen Autoren für Evolutionsvorgänge charakteristisch sind: Reproduktion, Vererbung, Variation, fitnessabhängige Überlebens- und Vermehrungsraten, Irreversibilität, Entstehung neuer Systeme, Ungeplantheit, Einfluss von Zufallsfaktoren.8 Wie eine allgemeine Evolutionstheorie dann wirklich aussehen könnte, wird damit leider nicht klar. Dabei gibt es durchaus Versuche, solche Theorien zu formulieren, von denen wir wenigstens einige vorstellen wollen.

Im englischen Sprachraum diskutiert man das Thema einer allgemeinen Evolutionstheorie unter dem Stichwort Universal Darwinism. Schon DARWIN selbst macht sich Gedanken darüber, ob seine Evolutionsprinzipien Urverwandtschaft, Vererbung, Variation und Selektion auch für andere Gebiete gelten, insbesondere für die Evolution der menschlichen Sprache und der Moral. Der Ausdruck Universeller Darwinismus wird jedoch erst dem Biologen RICHARD DAWKINS zugeschrieben. Allerdings geht es DAWKINS dort noch nicht um eine Verallgemeinerung der Evolutionstheorie auf nichtbiologische Gebiete, sondern um die Allgemeingültigkeit von DARWINS Theorie, insbesondere des Prinzips der natürlichen Auslese, für alle Lebewesen.

Bald danach jedoch wird der Begriff erneut erweitert, und seitdem greift er über die Biologie weit hinaus. Dabei unterscheidet man noch zwischen solchen Anwendungen, bei denen die Genetik eine Rolle spielt (etwa Medizin oder Psychologie), und solchen, bei denen die Information anders gespeichert und weitergegeben wird als bei Lebewesen (etwa Computerprogramme, Kunststile oder wissenschaftliche Theorien).

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