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2.6.1 DANIEL DENNETT und der DARWIN’sche Algorithmus

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Wohl am bekanntesten ist der Philosoph DANIEL DENNETT mit seinem Buch Darwins gefährliches Erbe von 1995.9 In diesem Buch verteidigt DENNETT die Evolutionstheorie nicht nur als eine für die Biologie entwickelte und in der gesamten Biologie äußerst erfolgreiche Theorie, er versucht auch, sie auf andere als biologische Prozesse zu verallgemeinern. Er nennt einen Prozess Darwinsch, wenn dieser die drei Merkmale Vermehrung (mit Vererbung), Variation und Selektion aufweist. Nach DENNETT kann man das Zusammenwirken dieser drei Faktoren als einen Algorithmus auffassen, der überall greift, wo die genannten drei Begriffe, Merkmale oder Faktoren eine Rolle spielen. Der Begriff des Algorithmus ist sehr abstrakt; es spielt keine Rolle, auf welchem Material diese Prozesse ablaufen. So kann man versuchen, ihn auf andere als biologische Systeme zu übertragen.

Warum nennt DENNETT DARWINS Ideen gefährlich? Sicher nicht nur, um den Verkauf zu fördern. Das entscheidende Merkmal ist vielmehr die Übertragbarkeit und Verallgemeinerbarkeit der Theorie: Sie ist eben in vielen Disziplinen anwendbar, biologischen wie nicht-biologischen. Tatsächlich hat sie im Laufe der Zeit immer mehr Disziplinen erfasst, und DENNETTS Buch dient gerade dem Nachweis dieser Fruchtbarkeit. Er vergleicht die Wirkung von DARWINS Theorie, insbesondere des Prinzips der natürlichen Auslese, mit einer universellen Säure, die alles angreift, was ihr in den Weg kommt, und die deshalb nicht einzuschließen und nicht aufzuhalten ist.

Aber ist es nicht erfreulich, wenn eine Theorie sich als vielfach anwendbar erweist? Wird hier nicht eine Einheit entdeckt oder gestiftet, von der einige schon lange träumen? Es kommt auf den Standpunkt an. Wie die drei Kränkungen des Menschen durch KOPERNIKUS, DARWIN und FREUD, die SIGMUND FREUD nicht ohne Eigenlob diagnostiziert, und die weiteren Kränkungen, die inzwischen eingetreten sind, keineswegs für alle Menschen echte Kränkungen darstellen10, so sehen auch nicht alle in DARWINS Theorie eine Gefahr, sondern viele eher eine Chance. Wissenschaftlicher Fortschritt ist für viele erfreulich, für die Entdecker sogar meist beglückend. Er kann uns allerdings auch mancher Illusion berauben, insbesondere der Illusion über eine Sonderstellung des Menschen: seine Mittelpunktstellung im Kosmos (KOPERNIKUS), seine Ausnahmestellung gegenüber der Tierwelt (LAMARCK und DARWIN), die Rolle der Vernunft in seinen eigenen Entschlüssen und Handlungen (FREUD). Dass einige Menschen sich durch wissenschaftliche Entdeckungen tatsächlich gekränkt fühlen, sieht man am besten an dem Widerstand, der ihnen entgegengebracht wird. Da werden Forscher exkommuniziert, Bücher auf den Index gesetzt, Entdecker beschimpft oder lächerlich gemacht, Forschungen nicht mehr gefördert oder sogar verboten.

Nun sagt DARWIN nicht, dass der Mensch ein gewöhnliches Tier sei. Das behaupten auch nur wenige seiner Anhänger. Nicht nur ist jede Tierart, ist sogar jedes Individuum etwas Besonderes; vielmehr sind die Besonderheiten des Menschen besonders zahlreich, besonders auffällig und besonders folgenreich. Der Mensch ist also, wenn dieses Wortspiel erlaubt ist, in besonderer Weise besonders. Was DENNETT bei DARWIN gefährlich nennt, ist die Tatsache, dass dessen Theorie der natürlichen Auslese eine Erklärung „von unten“ bietet. Im Gegensatz zu vorher bedarf es nun zum Verständnis der belebten Welt keines Schöpfers mehr, keiner Vorsehung, keiner Teleologie, keiner übernatürlichen Instanz, keines Weltenlenkers.

Der Mensch mit seinen Fähigkeiten ist nicht gewollt, nicht geplant, nicht geschaffen; er ist auf ebenso natürliche Weise entstanden wie alle anderen Lebewesen auch. Und das gilt eben nicht nur für seinen Körper, seine Anatomie, Morphologie und Physiologie, sondern für alle Merkmale, auch für sein Gehirn und dessen Leistungen! Und da seine Eigenschaften und Erzeugnisse von sehr vielen Disziplinen untersucht werden, naturwissenschaftlichen wie geisteswissenschaftlichen, hält auch die natürliche Erklärung dieser Eigenschaften und Fähigkeiten in alle diese Disziplinen Einzug – unnachgiebig, unaufhaltsam, geradezu voraussagbar. Diese Naturalisierung gefällt vielen nicht, sie fühlen sich in ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Sonderstellung bedroht und wehren sich – letztlich vergeblich. Deshalb ist DARWINS Theorie für viele unwillkommen, beunruhigend, gefährlich. Das naturalistische Welt- und Menschenbild, wonach es überall in der Welt „mit rechten Dingen“ zugeht, wird von vielen abgelehnt.

Es gibt viele Ansätze, die Evolutionstheorie zu verallgemeinern. Die meisten gehen davon aus, dass eine solche umfassende Theorie nur die belebte Welt umfasst. Was ja Aufgabe genug ist. Wir begnügen uns hier mit drei jüngeren Ansätzen zu einer allgemeinen Theorie.

Darwin heute

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