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1. Besitzerwerb

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Besitz ist die vom Recht anerkannte, nicht mit dem Eigentum gleichlaufende tatsächliche Gewalt über eine Sache, die allerdings nicht nur durch eine direkte körperliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache, den unmittelbaren Besitz (§ 854), geschaffen wird, sondern auch durch Einschaltung einer anderen Person in die Herrschaftsbeziehungen begründet oder beibehalten werden kann[3]; näher Rn 32 f. Der Besitz genießt einen gesetzlich besonders ausgestalteten Schutz gegen Eingriffe anderer, durch den im Grundsatz das reine Haben der Sache gesichert werden soll, ohne dass es dabei auf ein – aus Eigentum oder einem anderen Rechtsverhältnis herrührendes – „Recht zum Besitz“ ankommt. Das Besitzrecht und die Möglichkeit seiner Verteidigung, die sich allerdings vom Schutz des Sacheigentums deutlich unterscheiden, hat somit eine eigenständige Friedensfunktion, neben der die Offenlegung von Rechtsbeziehungen, etwa bei der Übergabe einer beweglichen Sache zum Zweck der Übereignung nach § 929, etwas zurücktritt[4]. Die Sachbeziehung kann unterschiedlich stark ausgestaltet sein, und eine gewisse Lockerung führt auch nicht unbedingt zu einem Besitzverlust, für den es vielmehr auf die Verkehrsanschauung ankommt. Auch ist nicht immer sicher, ob und wie der Besitzer sein Recht gegenüber Eingriffen oder Rechtsbehauptungen durchsetzen kann[5]. Der Rechtsverkehr wird oftmals ein – wenn auch gelockertes – Herrschaftsverhältnis auch dann anerkennen, wenn die räumliche Beziehung durch eine gewisse tatsächliche Distanz abgeschwächt ist, so bei einem Pflug auf dem Feld während einer Arbeitspause oder bei einem Pkw auf dem Flughafen-Parkplatz während einer Geschäftsreise des Fahrers (Umkehrschluss aus § 856 Abs. 2). Deshalb bleibt der Betreiber eines Kinos Besitzer der im Vorführraum befindlichen Stühle, auch solange Kinobesucher auf ihnen sitzen[6]. Schließlich braucht die Aufrechterhaltung der tatsächlichen Gewalt auch nicht fortdauernd erkennbar gemacht zu werden. Folgt man dem BGH in einem umstrittenen Urteil, so würde dies bedeuten, dass der in den Großmarkt zurückkehrende Verlierer, wenn er dort den Geldschein wiederfindet, inzwischen den Besitz verloren hat[7].

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Auch im Fall 2 könnte man zweifeln, ob die zeitlich begrenzte Überlassung des Strandkorbs an Dr. M angesichts der offenbar ausbedungenen (und sachlich notwendigen) Eingriffsmöglichkeiten der Leute der Kurverwaltung dem Dr. M genügende Einwirkungsmöglichkeiten gibt, um seine Stellung als tatsächliche Sachherrschaft kennzeichnen zu können. Da aber die Familie M (bei schönem Wetter) vermutlich jeden Tag für mehrere Stunden und für jedermann erkennbar den Strandkorb für sich allein nutzt, ist Besitz doch wohl anzunehmen. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass der Strandkorb vorübergehend von seinem Standort entfernt wird. Ebenso ist im Fall 3 die Beziehung des Ralf zu dem von ihm benutzten Rad, obwohl es unverschlossen an der Strandpromenade steht, noch nicht so unterbrochen, dass vom Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft gesprochen werden könnte; Räder müssen nun einmal regelmäßig und typischerweise immer wieder „abgestellt“ werden.

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Besitzerwerb setzt voraus, dass der Veräußernde sich mit dem Erwerber über den Besitzübergang einigt und die Sache übergeben wird, worin ein Realakt liegt, der auch gegeben ist, wenn der Erwerber im Einverständnis mit dem Veräußerer einseitig die tatsächliche Herrschaftsmacht erwirbt. Nach § 854 Abs. 2 genügt es aber auch, wenn der Erwerber die Möglichkeit hat, die tatsächliche Gewalt über die Sache auszuüben, die Übergabe geschieht dann durch schlichte, wiederum auch rechtsgeschäftliche, Einigung.

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Zweifelhaft ist, ob es eines Besitzbegründungswillens bedarf, um von Besitz sprechen zu können. Die Begründung des Besitzes durch Erwerb der tatsächlichen Gewalt über die Sache (§ 854 Abs. 1) kann bei Ableitung des Besitzes von einem früheren Besitzer (derivativer Besitzerwerb), durchaus geschehen, ohne dass der neue Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft einen konkret auf die Sache bezogenen Willen zur Begründung seiner Herrschaftsmacht haben oder sogar zum Ausdruck bringen muss; weniger deutlich ist dies in den Fällen eines nicht von einem Vorbesitzer abgeleiteten (originären) Besitzerwerbs. Die hM verlangt generell einen Besitzbegründungswillen, ist aber bereit, diesen gewissermaßen zu generalisieren, indem er sich nicht auf individuell bestimmte Sachen, sondern auf alle Sachen bezieht, die regelmäßig und mit dem Willen des Erwerbers in seinen Machtbereich gelangen[8]. Das würde etwa für den Einwurf in einen Briefkasten genügen, nicht aber, wenn ein Brief „unter der Tür hindurchgeschoben“ wird, ohne dass sicher ist, dass der Wohnungsinhaber jetzt oder in naher Zukunft anwesend sein wird. Weitergehend wird zT auch gerade mit Blick auf den letztgenannten Fall gefordert, dass die Sache in einen Organisationsbereich verbracht wird, den der als Erwerber Angesprochene beherrscht[9]. Das bedeutet in dem in Fn 4 behandelten Fall des Verlusts einer Sache in einem Restaurant oder einem Kaufhaus[10] vielleicht tatsächlich einen Besitzerwerb des Gastwirts bzw Geschäftsinhabers, doch ist zu bedenken, dass ein genereller Besitzwillen in Bezug auf Sachen, an die beliebige Personen herankönnen, ohne dass derjenige, der den betreffenden Raum eröffnet hat, dies kontrollieren könnte oder wollte, mehr eine Fiktion ist[11]. Man muss auch bedenken, dass mit Besitz einer Sache, die offensichtlich anderen gehört, Verantwortung verbunden sein kann (s. §§ 989, 990).

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