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1. Privatrechtlicher Schutz gegen Beeinträchtigungen

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Die gesetzlichen Vorschriften, die den Inhalt des Sacheigentums bestimmen (§§ 903 ff, Rn 51, 52), geben dem Eigentümer gegen Beeinträchtigungen und Störungen seines Rechts keine Anspruchsgrundlage. Diese findet sich vielmehr in § 1004 Abs. 1, der einen Anspruch auf Beseitigung einer vorhandenen und Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen gibt. Damit ist uU in den Fällen 4 und 5 auszukommen, während in den Fällen 4 bis 6 noch zusätzlich Schadensersatz verlangt wird. Das könnte aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung begründet sein, die im Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf eine auf ein benachbartes Grundstück einwirkende Anlage liegen könnte[29]. Während aber dieser Anspruch Verschulden des Schädigers voraussetzt, kommt es hierauf im Bereich des § 1004 nicht an, der aber in Abs. 2 die Ansprüche des Eigentümers auf Beseitigung und Unterlassung abschneidet, wenn der Eigentümer aus einem gesetzlichen oder vertraglichen Grunde zur Duldung verpflichtet ist. Derartige Pflichten können sich aus § 906 ergeben. Das kann aber – was dann als nächstes zu prüfen ist – nach § 906 Abs. 2 S. 2 Ausgleichsansprüche aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung zur Folge haben. Bemerkenswert ist, dass der durch § 1004 gewährte negatorische Eigentumsschutz ähnlich konzipiert ist wie der Besitzschutz (Rn 45 ff), und dazu passt auch, dass sowohl die Duldungspflichten bezüglich der auf eine Sache einwirkenden Beeinträchtigungen als auch etwaige aus einer Duldungspflicht resultierenden Ausgleichsansprüche auch für den bloßen Besitzer der Sache gelten[30].

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Die Geltendmachung solcher Ansprüche erweckt im Alltag häufig den Eindruck, als solle in Freiheitsrechte und in die Interessen anderer Personen an ungehinderter (auch, aber nicht allein: wirtschaftlicher) Nutzung ihrer Sachen eingegriffen werden. Besonders im nachbarlichen Raum ist eine Kollision verschiedener Nutzungen, von denen keine ohne Weiteres den Vorrang beanspruchen kann, manchmal fast unvermeidlich.

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Das zeigen die einleitend zusammengestellten Fälle, wobei hervorzuheben ist, dass nicht selten auch öffentlich-rechtliche Aspekte, zB die Tatsache einer für eine Anlage (wie die Fabrik in Fall 5) erteilten Genehmigung, eine Rolle spielen. Die grundsätzliche Gleichrangigkeit der Nutzungen zeigt sich in Fall 4 in den Entscheidungen der Grundstückseigentümer über den Anbau von Pflanzen, wobei fraglich ist, ob die Verwendung von Herbiziden verboten ist, während D als der Nutzer des höher gelegenen Grundstücks auch fragen wird, ob er – obwohl er für solche Regenfälle nicht verantwortlich ist – verpflichtet ist, auf die besonderen Empfindlichkeiten, die B durch seine eigene Anbauentscheidung hervorgerufen habe, Rücksicht zu nehmen.

Auch im Fall 6 wird N gegen eine Inanspruchnahme einwenden, das Wachsen der Wurzeln der auf seinem Grundstück seit langem heranwachsenden Pappeln sei ein natürlicher, von ihm nicht zu beeinflussender Vorgang, und für die ungewöhnliche Nutzung seines Grundstücks mit einer Tennisanlage müsse T doch selbst einstehen.

Im Fall 5 schließlich würde es dem F sicher am liebsten sein, wenn er den weiteren Betrieb des Steinbruchs ganz untersagen oder wenigstens verlangen könnte, dass E oder später N Vorrichtungen anbringt, die den Staub vor Überschreiten der Grundstücksgrenze abfangen. Hinsichtlich des richtigen Anspruchsschuldners wird weiter zu überlegen sein, ob E, auch wenn er von der unberechtigten Nutzung seines Grundstücks durch N nichts wusste, dennoch als Eigentümer des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigungen ausgingen, verantwortlich gemacht werden kann.

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Es zeigt sich, dass in diesen Fällen häufig – fast regelmäßig – eine Abwägung zwischen privaten Interessen und Bedürfnissen von Eigentümern und Besitzern stattfinden muss, in die nicht selten auch Belange des Gemeinwohls einfließen, so etwa, wenn im Fall 4 die Herstellung von Lackleder für die Nachbarn dauernde Geruchsbelästigungen auslöst, F aber darauf hinweist, bei der Errichtung seines Betriebs seien alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen erteilt worden, die Gemeinde habe auch ein vordringliches Interesse daran, in diesem als „Mischgebiet“ betrachteten Bereich mittelständische Betriebe mit stadtnahen Arbeitsplätzen einzurichten. Weiter ist zu bedenken, dass häufig nachbarrechtliche Fragen etwa bezüglich der einzuhaltenden Grenzabstände für Gebäude und Pflanzen, so auch für die zulässige Höhe von Bäumen auf Grundstücken in Wohngebieten, durch landesrechtliche Vorschriften geregelt sind, wobei sich dann die Frage stellt, wie sich diese zu den nachbarrechtlichen Bestimmungen des BGB verhalten[31].

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Bei gesetzlichen Regeln über die Nutzung von Grund und Boden werden zunehmend auch wirkliche oder vermeintliche Notwendigkeiten des Umweltschutzes in den Vordergrund gestellt, etwa in Bezug auf die Lagerung von Industrieabfällen, den Bau von Infrastrukturanlagen, auch durch einen verstärkten Natur- und Artenschutz. Nachdem trotz einer europäischen Richtlinie zur Umwelthaftung und zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden der Entwurf eines Umweltgesetzbuchs nicht zum Erlass eines Gesetzes geführt hat[32], werden wichtige vom Postulat des Umweltschutzes beeinflusste Fragen nach wie vor im privaten Nachbarrecht zu entscheiden sein, verbunden mit den öffentlich-rechtlichen Sonderregeln, wobei dann auch der Gesichtspunkt der Haftung für Umweltschäden betont wird[33], der sich vor allem in einer verschärften Haftung nach Maßgabe des UmwHG[34] niederschlägt. Nicht durchgesetzt hat sich bis heute aber die Vorstellung, es gebe ein subjektives Recht einzelner Personen an bestimmten Umweltwerten wie sauberes Wasser, reine Luft oder ungestörten Naturgenuss „als sonstiges Recht“ iSd § 823 Abs. 1[35]. Wichtige Entwicklungen dieser Art betreffen die sog. sachenrechtlichen Nebengebiete, etwa Agrarrecht, Forst-, Jagd- und Fischereirecht sowie Wasserrecht[36].

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