Читать книгу "Nicht ohne den Mut zum Wagnis ..." - Hartmut Spring - Страница 28
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ОглавлениеDiese Arbeit versucht zu beschreiben, wie sich die katholische Jugendseelsorge in der SBZ/DDR, im Rahmen der noch zu erläuternden Einschränkungen, von der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Ende der 1960er Jahre entwickelte. Dieser zeitliche Ausschnitt der Betrachtungen berücksichtigt, dass die Jugendseelsorge in der Nachkriegszeit nicht aus dem Nichts entstand und nicht ohne Konsequenzen für die nachfolgende Zeit blieb.
Die engagierten katholischen Jugendlichen in der SBZ/DDR, geprägt durch die religiöse Sozialisation in ihren Herkunftsfamilien, waren weniger dem sozialistischen Staat verbunden. Sie fühlten sich eher zur katholischen Kirche hingezogen, die konkret in der Pfarrgemeinde bzw. der eigenen Pfarrjugend erlebbar wurde. Diese Jugendgruppen, die einer Territorialpfarrei angegliedert waren, wurden getragen von den drei konstitutiven Größen der Jugendseelsorge: zunächst von der prägenden Kraft der Persönlichkeit der Bezugsperson, meist der des Priesters, daneben von der Gruppe von Gleichgesinnten und drittens von den vermittelten Inhalten. Abhängig von binnenkirchlichen Faktoren wie auch gesellschaftlichen Strömungen wurde in den verschiedenen, im Folgenden zu untersuchenden, Zeitabschnitten diesen drei konstitutiven Größen eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Dies und in welchem Verhältnis diese drei Konstitutiva der Jugendseelsorge aufeinander bezogen waren, bestimmte den „Erfolg“ von Jugendseelsorge.
„In größere Zusammenhänge gestellt war die katholische Jugendseelsorge in der DDR wohl eher ein nachgeordnetes Kapitel der noch zu schreibenden kirchlichen Zeitgeschichte jener Jahre. Sie konnte als potentielles Konfliktfeld im Staat-Kirche-Verhältnis und mit ihrer daraus folgenden engen Abhängigkeit von den Bischöfen nie eine wirkliche pastorale Eigenständigkeit erlangen.“3 Daraus ergibt sich die Einschränkung, dass es bei einer Betrachtung der Jugendseelsorge unmöglich ist, diese von einer allgemeinen „DDR-Pastoral“ abzugrenzen. Die nächste Einschränkung ergibt sich aus der Tatsache, dass eine Gesamtschau des Themas für alle Ordinariatsbezirke der SBZ/DDR nicht darstellbar ist. Die sich neu organisierenden Ordinariate waren mehr um ihre binnenkirchliche Eigenständigkeit denn um ein Gesamtkonzept für die SBZ/DDR bemüht. So gab es weder die einheitliche „DDR-Pastoral“ noch „die“ Jugendseelsorge in der DDR. Weiterhin können selbst die optimistischsten Annahmen nur von wenigen Tausend katholischen Jugendlichen ausgehen, die im Bereich des EKM erfasst worden sind. So gesehen ist die vorliegende Arbeit eine Studie über „Minderheiten“ in der DDR.4 Dennoch konnte die Jugendseelsorge als spezielle Form der Standesseelsorge für den einzelnen, sich in der DDR oft isoliert fühlenden, Jugendlichen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die eigene Lebensgestaltung und Lebensorientierung bekommen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde scheint es angemessen, die Möglichkeiten und Grenzen der Jugendseelsorge während der Zeit des „real existierenden Sozialismus“ zu beleuchten und zu fragen, welche Bedingungen gegeben sein mussten, damit der kirchliche Anspruch innerhalb dieser Gesellschaftsform erfüllt werden konnte. Exemplarisch wird dieser Fragestellung entlang der Nachkriegsgeschichte der Jugendseelsorge im Kommissariat Magdeburg nachgegangen. Zu den Entwicklungen in den anderen Ordinariatgebieten in der SBZ/DDR werden zu bestimmten Themenbereichen Verbindungslinien dargestellt oder aber Unterschiede aufgezeigt, ohne jedoch den Anspruch auf eine vollständige Darstellung der Jugendseelsorge in der SBZ/DDR erheben zu wollen.
Das Kommissariat Magdeburg befand sich im Nachkriegsdeutschland „an der Nahtstelle der Systeme“5 und hatte zudem eine enge historische, personelle und finanzielle Verbindung zum Erzbistum Paderborn, weshalb ihm eine besondere Rolle in der SBZ/DDR zukam. Die Eingrenzung des Themas auf den Bereich des Kommissariates Magdeburg findet neben der biographischen Verbundenheit des Autors mit dieser Region auch in den zur Verfügung stehenden Dokumenten ihren Grund. Als ein wichtiger Grundstock für diese Arbeit stand das umfangreiche Privatarchiv des dritten diözesanen Jugendseelsorgers von Magdeburg, C. Herold, zur Verfügung. Zudem kann diese Arbeit als inhaltliche Ergänzung zur vorliegenden Monographie über die „Katholische Jugendarbeit im Erzbistum Paderborn nach 1945“ verstanden werden, die aus „forschungsökonomischen Gründen“ den Ostteil des Erzbistums ausklammern musste.6
Weiterhin ist einzuschränken, dass vor allem für die Nachkriegsjahre die Jugendseelsorge hauptsächlich aus der Sicht männlicher Jugendlicher dokumentiert ist. Damit soll keineswegs der Eindruck erweckt werden, dass die weiblichen Jugendlichen weniger engagiert waren. Sie waren nur weniger im Blick der Seelsorger. Das mag neben den allgemeinen patriarchalen Strukturen in der Kirche einerseits daran liegen, dass für den Bereich des Erzbischöflichen Kommissariates Magdeburg in den ersten Nachkriegsjahren kein Jugendseelsorger für die weibliche Jugend gefunden werden konnte. Andererseits aber gewiss auch daran, dass in den jungen Männern immer auch die potentiellen Priesteramtskandidaten gesehen wurden und ihnen deshalb eine verstärkte Aufmerksamkeit zukam.
Inhaltlich ist die vorliegende Arbeit an der Schnittstelle zwischen Pastoraltheologie und Kirchengeschichte einzuordnen. Sie ist als ein Versuch anzusehen, kirchengeschichtliche Veränderungen zu erfassen und auf dem Hintergrund einer pastoralen Fragestellung kritisch zu kommentieren.
Wenn im Folgenden von „Jugendseelsorge“ gesprochen wird, ist dies der Tatsache geschuldet, dass dieser Begriff in der Geschichte der Katholischen Kirche in der DDR für den betreffenden Zeitraum seinen festen Platz hatte. In der SBZ war der bislang auch von der katholischen Kirche, so in den Bischöflichen Richtlinien von 1936, verwendete Terminus der „Jugendarbeit“ vom staatlichen Exklusivanspruch belegt worden und allein schon aus diesem Grunde nicht verwendbar. Außerdem orientierten sich bereits die ersten Überlegungen zu einer Arbeit an der Jugend der Nachkriegszeit an deren Erziehung zu christlicher Persönlichkeit. Die Jugendseelsorge in der SBZ wurde der Verantwortung des Bischofs unterstellt und primär als Jugenderziehung verstanden. Diese Ausrichtung bestätigten später unter den Bedingungen der DDR die Bischöflichen Richtlinien von 1953.7 Deren wesentlicher Vollzug erfolgte unter den Bedingungen der sozialistischen Gesellschaft zwar im Raum der Kirche, dem Bereich der „ordentlichen Seelsorge“8. Dennoch hatte sie, wenn auch nicht ausdrücklich, als „außerordentliche Seelsorge“ Auswirkungen auf die Gesellschaft. Dies gelang im Umbruch der Nachkriegszeit, eher als in den 50er Jahren, in denen die Jugendseelsorge durch die staatlichen Repressionen in den Raum der Kirche zurückgedrängt wurde. In den 60er Jahren gab es erneute Versuche, die Aktivitäten der Jugendseelsorge in die Gesellschaft einzubringen, was kirchenpolitische Spannungen nach sich zog. Für diese drei Phasen der Jugendseelsorge sind ganz unterschiedliche Akzentuierungen nachzuzeichnen. Auch wenn zweifellos die Entwicklung im „Westen“ Deutschlands von der „Jugendseelsorge“9 über die „kirchliche Jugendarbeit“10 bis hin zur „Jugendpastoral“11 ganz anders verlaufen ist, schloss „Jugendseelsorge“ in der DDR sowohl den kirchlichen Heilsdienst an den Jugendlichen als auch deren aktive Trägerschaft beim jugendseelsorglichen Handeln in Kirche und Gesellschaft, wenn auch nicht ausdrücklich, mit ein. Die dazugehörige theologische Reflexion aber wurde allenfalls aus der Ferne mehr oder weniger wohlwollend verfolgt und nur vereinzelt und zaghaft auf die Situation in der DDR übertragen. Dennoch hatte die Jugendseelsorge in der DDR auch die Hinwendung zur Subjekthaftigkeit der Jugendlichen mit eingeschlossen, der im Begriff der modernen „Jugendpastoral“ inbegriffen ist.12