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1 Der politische Rahmen in der SBZ

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Der Zeitraum zwischen 1945 und 1950 war einerseits durch das Kriegsende und andererseits durch den Beginn des Kalten Krieges und die Zeit des sich anbahnenden „Kirchenkampfes“ bestimmt. In dieser Zeit ging es den Siegermächten und deren Verbündeten zunächst vor allem darum, das Macht- wie auch das geistige Vakuum im Nachkriegsdeutschland auszufüllen. Auch die katholische Kirche sah darin für sich eine wichtige Aufgabe. Wegen ihrer zum Teil kritischen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten sprach ihr die Besatzungsmacht in der SBZ zunächst einen relativ großen Gestaltungsspielraum zu, auch wenn dieser schon kurze Zeit später durch die gleichgeschaltete Politik von SMAD und KPD bzw. SED wieder beschnitten wurde. So bekamen die Rekatholisierungshoffnungen im Nachkriegsdeutschland nur im Westen Deutschlands durch die einsetzende Demokratisierung neue Nahrung. Im „Osten“ wurden diese Hoffnungen durch die Erfahrungen mit der sowjetischen Besatzung und der neuen Regierung sehr schnell gedämpft. Denn schon bald war offensichtlich, die eigentlichen Motive der SMAD und der kommunistischen Kader für die Annäherung an die Kirchen lagen darin begründet, diese politisch instrumentalisieren zu wollen.34 Daher kamen die alten „Feindbilder“ bald wieder zum Tragen. Ein ausgewiesener Antibolschewismus hatte bereits in der Zeit der Weimarer Republik die Position der katholischen Kirche gegenüber der atheistischen Sowjetunion geprägt.35 Dieser verfestigte sich nach dem Krieg, als nicht nur die Kirchen in der SBZ eine „Bolschewisierung“ durch die sowjetische Besatzung erfahren mussten.36 Ab 1945 lebte die Bevölkerung in der SBZ unter dem direkten Einfluss des „Bolschewismus“, was bei vielen Katholiken eine großen Angst vor „den Russen“, der Verkörperung des „Antichristen“, auslöste. Diese Angst war speziell bei den Vertriebenen oft mit persönlichen Erfahrungen aus den letzten Kriegsmonaten unterlegt.37 Durch die tagtäglichen Erfahrungen willkürlicher Entscheidungen der sowjetischen Besatzungsmacht und mit den Übergriffen der Soldaten bekam dieses Gefühl ständig neue Nahrung.38

Die Skepsis gegenüber „den Russen“ übertrug sich auch auf die von den sowjetischen Behörden eingesetzten und unterstützten Funktionäre, die mit Aufnahme ihrer politischen Arbeit an ihren Ziel, dem Aufbau einer neuen „Staatspartei“, keinen Zweifel aufkommen ließen.39 Daher waren die Funktionäre bestrebt, die „Jugend nicht durch Popen verwirren [zu] lassen.”40 Sie versuchten den gesellschaftlichen Einfluss der Kirche zu minimieren und „durch schnelles Handeln die Jugend für sich zu gewinnen, galt diese doch gemeinhin als ‚orientierungslos’ und ‚suchend’“.41 An der grundsätzlichen Gegnerschaft zwischen Kirche und Kommunisten, egal ob sowjetischer oder deutscher Herkunft, bestand also von Anfang an kein Zweifel.42 Bereits zu Beginn des Aufbaus neuer gesellschaftlicher Strukturen im Nachkriegsdeutschland war dies der Grund für die Skepsis, mit der sich die katholischen Vertreter bei aller Aufbruchsstimmung und Loyalität in den neu entstehenden Jugendgremien eher zurückhielten. Trotzdem gab es Seelsorger und Jugendliche, die sich in den neu gebildeten politischen Gremien in der SBZ bis hin in die Leitungsebene engagierten.43 Unbeschadet vieler Vorbehalte wurde seitens der Ordinarien die Mitarbeit der Jugendvertreter in den staatlichen Jugendgremien zunächst grundsätzlich bejaht. Von 1945 bis zum III. Parlament der FDJ 1949 war die katholische Kirche unter anderem im Zentralen Jugendausschuss und in der FDJ-Leitung vertreten. Auch wenn es heute in Vergessenheit geraten zu sein scheint, dass unter den Mitunterzeichnern der Gründungsurkunde der FDJ die Namen des katholischen Jugendführers M. Klein44 und des katholischen Jugendseelsorger R. Lange aus Berlin stehen, war diese Tatsache für die ersten Nachkriegsjahre für beide Seiten von außerordentlicher Bedeutung. Bereits kurze Zeit später sollte diese Kooperation der katholischen Kirche nichts mehr nutzen, die FDJ begann sie zu vertuschen.45

Aufgrund der unterschiedlichen Interessen gab es innerhalb der Zweckbündnisse zwischen Kirche und Kommunisten von Anfang an Spannungen in den verschiedenen Gremien, so z. B. bereits bei der Zusammenarbeit im Zentralen Jugendausschuss.46 Trotzdem wurde das Miteinander seitens der katholischen Kirche solange als möglich aufrechterhalten. Denn für den Aufbau einer eigenen Jugendseelsorge war die katholische Kirche vom Wohlwollen der staatlichen Stellen abhängig. Diese Möglichkeit wollten die Verantwortungsträger der Kirche durch eine grundsätzliche Verweigerung der Kooperation nicht aufs Spiel setzen. Über die Art und Weise der Zusammenarbeit mit der staatlichen Jugendorganisation gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine einheitliche Auffassung innerhalb der katholischen Kirche.47 Die katholischen Vertreter standen zunächst dem Einheitsgedanken mit einer zentralen Jugendorganisation nicht unbedingt ablehnend gegenüber.48 Tendenziell sollte aus Sicht der ostdeutschen Ordinarien zu keinem Zeitpunkt eine eigene katholische Jugendorganisation in der SBZ aufgebaut werden. Denn schon früh war abzusehen, dass eine katholische Jugendorganisation unter den Bedingungen der SBZ keine Chance haben würde. Noch weniger sollte Arbeit an der katholischen Jugend der FDJ überlassen bleiben. Vielmehr war es das Anliegen der Ordinarien, die noch nicht flächendeckend vorhandenen Strukturen der Pfarrjugendseelsorge von den Städten auf die gesamte SBZ auszuweiten.

Wenn noch der Befehl Nr. 2 der SMAD vom 10. Juni 194549 die Bildung von antifaschistischen Organisationen verschiedenster Arten und damit implizit auch von verschiedenen Jugendorganisationen zuließ, so schloss bereits der Aufruf der sowjetischen Militärverwaltung vom 31. Juli 1945 zur Bildung von Jugendausschüssen in Städten explizit andere als antifaschistische Jugendorganisationen aus.50 Antifaschistisch wurde in der Folgezeit aber immer enger im Sinne von „einheitssozialistisch“ interpretiert. Die häufig gemachte Erfahrung der katholischen Kirche, von den staatlichen Stellen vereinnahmt oder zurückgedrängt zu werden, traf auch für den Bereich der Jugendarbeit zu.51 Dabei wurde anfangs von sowjetischer Seite sogar noch regulierend eingegriffen. Vor allem dann, wenn eingesetzte KPD/SED-Funktionäre zu radikal bei der Gleichschaltung aller „antifaschistischen” Kräfte vorgingen.52 Die Gestaltungsmöglichkeiten der kirchlichen Vertreter in den staatlichen Jugendgremien aber blieben von Anfang an begrenzt. Bemühten sich die Kirchen, den ihnen eingeräumten Handlungsspielraum zu erhalten, wurde von der staatlichen Seite aus versucht, die Kirchenpolitik für ihre eigenen Interessen zu funktionalisieren. Sie war vor allem Mittel zu dem Zweck, möglichst alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens kontrollieren zu können.

In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus geschulte Köpfe wie H. Aufderbeck53 schienen die Strategie der Kommunisten bereits früh zu erahnen.54 Er war den neuen Machthabern gegenüber sehr skeptisch und distanzierte sich von anderenorts praktizierten Versuchen, die eine Mitgliedschaft katholischer Vertreter in den Leitungsorganen staatlicher Organisationen einschloss. Katholiken waren in der Leitungsebene der FDJ im Bereich der Bistümer Meißen und Berlin vertreten. In Meißen wurden die katholischen Jugendlichen anfangs sogar ermuntert, aktiv in der FDJ mitzuarbeiten.55 Im Unterschied zum Kommissariat Magdeburg gab es in diesen beiden Ordinariaten einen hauptamtlichen Vertreter der katholischen Kirche, der zugleich auch Sekretär der FDJ war. Das staatlicherseits propagierte “brüderliche Verhältnis” zwischen Kirche und FDJ, das darauf abzielte, nicht nur Kleriker, sondern auch Jugendliche zur Mitarbeit in den sozialistischen Einheitsorganisationen zu gewinnen, blieb zwar auch in der Folge offizielles Ziel von SED und FDJ.56 Doch die Strategien, mit denen dieses Ziel verfolgt wurde, waren zweischneidig. Einerseits nahmen sie in den folgenden Jahren immer repressivere Formen an. Schon bald wurden die ersten unliebsamen katholischen Jugendführer verhaftet.57 Andererseits wurde noch lange Zeit später nach außen hin demonstriert, dass die von der SED geführte Regierung versuche, „unter den Anhängern aller Religionsgemeinschaften ... eine feste Massenbasis für den Kampf um die Erhaltung und Sicherung des Friedens ... für die aktive Teilnahme an der friedlichen Aufbauarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik” zu schaffen.58 Mit den Jahren aber sollten die Skeptiker wie H. Aufderbeck Recht behalten. Grundsätzlich war unter den Bedingungen der „sozialistischen Gesellschaft“ keine gemeinsame Basis für ein konstruktives Miteinander von Kirche und Staat vorhanden. Das galt auch für die Jugendorganisation. Die nicht nur für die SBZ als Auffangbecken aller Strömungen der Jugendarbeit konzipierte „Freie“ Deutsche Jugend war von staatlicher Seite von Anfang an als gelenkte sozialistische Einheitsjugendorganisation konzipiert, mit dem Ziel der Gleichschaltung unter einem Dach. Die Verantwortungsträger der neuen Regierung hatten offensichtlich aus den Erfahrungen mit der Hitlerjugend gelernt, welche systemtragenden Wirkungen eine zentralistische Jugendorganisation haben konnte.

Bereits auf der konstituierenden Tagung der neuen Einheitsorganisation für die Jugend, dem I. Parlament der FDJ, 1946 in Brandenburg, kam es zu einem Vorfall,59 bei dem infolge einer Unachtsamkeit kommunistische Interna zum Umgang mit den katholischen Jugendvertretern eben jenen zu Ohren kamen, weshalb es fast zum Scheitern der Gründungsversammlung der FDJ gekommen wäre.60 Dieser Vorfall zeigte, dass der Einflussbereich der Kirchen in der SBZ bereits sehr begrenzt war und mehr und mehr beschnitten werden sollte. Außerdem legte er die unüberbrückbaren Gegensätze zwischen kommunistischen und kirchlichen Erwartungen an die Jugendarbeit offen.61 Im Bereich der Jugendarbeit scheiterte bereits in Brandenburg der Versuch der FDJ, auch die christliche Jugend zu vertreten. Es war der Anfang vom Ende des „Miteinanders” von katholischer und kommunistischer Jugendarbeit. Die orthodoxen Kommunisten sprachen aus, was sich im Hinterkopf der Strategen der FDJ in ähnlicher Form wiederfand, obwohl die kirchlichen Vertreter durch ihre formale Mitarbeit noch einige Zeit versuchten, zu retten, was noch zu retten war. Es wurde deutlich: Die Entscheidungsträger in der SBZ waren die kommunistischen Vertreter. Die katholischen Vertreter M. Klein und R. Lange konnten in der FDJ-Leitung nicht konstruktiv im Sinne katholischer Interessen wirksam werden. Lediglich eine Schadensbegrenzung blieb in der Folgezeit das Ziel ihrer Bemühungen.

Der Zwischenfall auf dem I. Parlament der FDJ in Brandenburg zeigte weiterhin: Bei dem bisher eingeräumten Spielraum stand über aller „Freiheit” des Handelns politischer Organisationen das Votum der SMAD. Diese war die entscheidende Instanz, die den Rahmen vorgab. Nur durch das Einschreiten der SMAD konnte verhindert werden, dass bereits 1946 die katholische Kirche ihre Mitarbeit in der FDJ beendete. Daneben wurde deutlich, dass die Absicht der kommunistischen Seite, mit der Kirche zusammenzuarbeiten, nur taktischer Natur war. Auch in den Länderverfassungen und danach in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wurde diese Strategie der SED den Kirchen deutlich vor Augen geführt. Der Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit wurde zwar dem Wort nach gewährt, ja sogar in der Verfassung garantiert. Das gleichzeitig ausgesprochene Verbot eines Missbrauches der Kirche oder des Glaubens für politische Zwecke jedoch ließ den staatlichen Organen einen breiten Interpretationsspielraum offen, wie die verschiedenen Formen der Behinderungen kirchlicher Arbeit zeigten.62 Später sollte sowohl von der Kirche als auch vom Staat auf je eigene Art immer wieder auf die in der Verfassung verbrieften Rechte zurückgegriffen werden, um das jeweils eigene Vorgehen abzusichern. Dennoch hätte nicht erst mit der ersten Verfassung der DDR die Hoffnung aufgegeben werden müssen, dass die alten Verhältnisse aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus wieder hergestellt werden könnten. Wäre dies geschehen, hätte sich die katholische Kirche vielleicht zu einem früheren Zeitpunkt neuen pastoralen Akzentsetzungen zuwenden können.63 Der offiziell Bruch hinsichtlich der nur scheinbaren Zusammenarbeit in der Frage der Jugendarbeit erfolgte auf dem III. Parlament der FDJ und mit dem Ausscheiden der kirchlichen Vertreter aus dem Zentralrat der FDJ. Damit sollte die Phase des Taktierens zwischen staatlichen und kirchlichen Jugendvertretern zu Ende gehen.

Mit dem Ausschalten der kirchlichen und anderer nichtkommunistischer Vertreter wurde die FDJ zur sozialistischen Massenorganisation der Jugend in der SBZ. Für ihr Ziel, möglichst alle Jugendlichen zu gewinnen, griff die FDJ neben den vorhandenen Machtstrukturen auf traditionelle Jugendrituale aus der Zeit der Jugendbewegung und des Nationalsozialismus zurück. Im Ringen um die Jugend wurden vertraute Elemente wie Heimabende, Medien, Musik, Literatur angeboten und diese gegebenenfalls mit neuen Inhalten versehen.64 Wenn aber in gleicher Weise die Kirchen diese Elemente in ihrer pfarrlichen Jugendseelsorge weiterhin einsetzten, wurde das Konfliktpotenzial offenbar. Deshalb war die FDJ auch sehr darum bemüht, dass die kirchliche Arbeit mit und an der Jugend auf den innerkirchlichen Raum und ausschließlich auf die religiöse Erbauung beschränkt blieb und jede öffentliche Betätigung und damit Konkurrenz unterließ. Denn der absolute Anspruch der FDJ, als die einzige Organisation die Interessen aller Jugendlichen zu vertreten, wurde durch jede organisierte Jugendarbeit außerhalb der FDJ infrage gestellt.65 Da aber die Kirchen immer wieder Formen fanden, die Jugendlichen anzusprechen und zu begeistern, zeigte sich, dass der Absolutheitsanspruch der FDJ nicht wie beabsichtigt umgesetzt werden konnte. Dieses Unvermögen einzugestehen, passte nicht zum Selbstverständnis der FDJ. Deshalb wurde zunehmend, vor allem in der späteren Phase der kämpferischen Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche, vor der Gefahr der kirchlichen Jugendarbeit gewarnt. Wobei von den staatlichen Stellen katholische und evangelische Formen der Jugendseelsorge unter dem Begriff der „Jungen Gemeinde“ zusammengefasst worden sind.66 Die Jugend in der SBZ und später in der DDR würde durch die Junge Gemeinde „irregeführt”67 und „die wirkliche Aufgabe der Jungen Gemeinde, nämlich die Zersplitterung der Jugend und die Störung einer planmäßigen Kaderentwicklung“ würde von den Kirchen nur verschleiert.68 Solchen Ausführungen machten deutlich, wie sich die Fronten zwischen den beiden Seiten bereits verhärtet hatten. Die Strategie der DDR-Führung lief darauf hinaus, „das Aussterben der Religion aktiv zu fördern.“69



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