Читать книгу DAS Erste Große BetrugsOpferBUCH - Hedwig v. Knorre - Страница 131
Beispiel aus meiner Berufspraxis
ОглавлениеNachdem ich zum Betrugsopfer wurde und das Denken der Justiz kennen lernte, beobachtete ich meine Umgebung gründlich auf die Elemente „Vertrauen – Kontrolle“ hin. Damals war es auf meiner Station üblich, dass die jeweilige Schichtleitung im rotierenden System den Giftschrankschlüssel um den Hals und in dieser Schicht die Verantwortung für den Giftschrank trug. Im Giftschrank wurden sowohl die genehmungspflichtigen Medikamente wie Methadon als auch Rezepte usw eingeschlossen, also alles, was zu Missbrauch verführen könnte und darum besonderer Bewachung bedurfte. Auch in der Funktion der Schichtleitung mussten wir unsere normale Arbeit in den Zimmern tun. Nachdem einmal ein paar Tropfen Methadon fehlten, führte die Stationsleitung ein neues Kontrollsystem ein. Es bestand aus einer Liste mit allen Inhalten des Giftschranks. Bei jedem Schichtwechsel sollten die beiden Schichtleitungen alle Methadon-Tropfen usw zählen und eintragen, ebenso das Geld in der Stationskasse, die Rezepte usw. und anschließend unterschreiben. Das dauerte bei hoher Konzentration knapp 20 Minuten. Natürlich war das im sowieso überlasteten Krankenhausalltag nicht zu leisten. Meist übertrugen wir einfach die Zahlen aus der vorigen Spalte und unterschrieben schnell. Weiter war es üblich, dass eine Kollegin, die etwas aus dem Giftschrank benötigte, sich mit diesem Anliegen an die Schicht-leitung wandte. Nach der Einführung des neuen Kontrollsystems war ich einmal als Schichtleitung in einem meiner Zimmer zur Erstmobilisierung einer „frischen Sectio“. Eben hatte ich einer Frau feinfühlig geholfen, mit ihren starken Schmerzen erstmals nach ihrem Kaiserschnitt aus ihrem Bett aufzustehen und ich achtete auf Anzeichen, ob sie womöglich kollabiert, da kam eine Kollegin herein gestürmt: „ich brauch' ein Rezept, gibst du mir den Gift-schrankschlüssel“. Ich nahm ihn vom Hals und reichte ihn ihr, sie stürmte aus dem Zimmer. Ich begleitete „meine Frau“ weiter und leitete sie an... und vegass, wie üblich, im stressigen Stations-getriebe den Giftschrankschlüssel bis zum Schichtwechsel. Ich wusste ihn ja wie immer bei der Kollegin gut aufgehoben. Doch die gestrenge Stationsleitung tadelte mich: „den kannst du doch nicht einfach aus der Hand geben! ...musst doch kontrollieren!“ Ich dachte mit: „die frische Sectio wieder zurück ins Bett – solange muss die Kollegin auf mich warten. Dann neben ihr stehen, ihr auf die Finger schauen. Das dauert. Dann zurück, mit der frischen Sectio von vorne anfangen. Haben wir die Zeit? Und wenn die Kollegin eine Pille oder ein Rezept raus nehmen will, kann sie das auch geschickt vor meinen Augen tun, ohne dass ich es merke!“ Nein, diese Kontrolle war überflüssiger „Sand im Getriebe“ des überlasteten Krankenhausalltags ohne sinnvolle Funktion. Nachdem ich weiter darüber nachgedacht hatte, brachte ich das Gespräch später noch einmal auf den Giftschrankschlüssel: „und was, wenn mal was fehlt – ein paar Euro aus der Stationskasse, ein paar Pillen oder Tropfen, ein Rezept – wie geht’s dann weiter? Mit der Installation einer Überwachungskamera? Die wir auch mit ein wenig Geschicklichkeit überlisten können...“ nein, sagte ich, bisher haben wir einander vertraut. Mit den Kontroll-Listen tun wir nicht mehr als den Vorgaben Vorgesetzter zu genügen. Wenn wir einan-der nicht mehr vertrauen, können wir unsere Zusammenarbeit vergessen, dann läuft hier gar nichts mehr!
Damals frage ich mich wieder: hat die Justiz eigentlich Ahnung vom Leben? Also, was Kontrolle und Konsequenzen angeht in Relation zum Vertrauen, da fehlt ihr so einiges... oftmals macht es die Justiz genau umgekehrt, wie es sinnvoll wäre. Wem nützt das? Auf jeden Fall den Betrügern! Uns normalen Menschen in unserem normalen stressigen Alltag jedenfalls nicht. Im Gegenteil...