Читать книгу Vorsicht Schwiegermutter! - Heike Abidi - Страница 16

Denn es gibt zwar so etwas wie liebe Gäste, jedoch ganz gewiss nicht in Form meiner Schwiegermutter!

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Doch heute lag genau da das Problem. Denn es gibt zwar so etwas wie liebe Gäste, jedoch ganz gewiss nicht in Form meiner Schwiegermutter!

Ich möchte nicht voreingenommen klingen, schließlich bin ich der Guten noch nicht begegnet. Mit Klaus war ich erst seit fünf Monaten zusammen. Dennoch wusste ich, dass er der Richtige war. Es passte einfach alles. Umso wichtiger war es für mich, heute einen guten ersten Eindruck zu machen. Alles in allem also keine idealen Voraussetzungen für einen entspannten Abend.

Ach, die ist bestimmt ganz nett, Iris.

Die überhebliche Stimme in meinem Innern gehörte nicht zu mir. Zumindest nicht so richtig.

Nein ehrlich, das ist doch die Mutter von Klaus. Dann muss sie doch nett sein, oder?

Klar. Ich vernahm die Worte und wünschte, ich könnte es glauben. Fünf Monate waren genug, um einen Mann wie Klaus zu durchschauen. Und damit meine ich nicht seine ewige Suche nach dem zweiten Socken oder diese stän­dige Handy-Starrerei. Es war die Art, wie er von seiner Mutter sprach. Voller Respekt. Nein, voller Angst. So als kämpfe er mit der nackten Panik, wenn er nur an sie dachte.

So viel zu meinen guten Aussichten für den heutigen Abend.

Schweren Herzens machte ich mich an die Arbeit. Vielmehr stand ich vor der geöffneten Kühlschranktür und zerbrach mir den Kopf, was man aus diesen mageren Zutaten wohl kochen könnte.

Zweifel nagten an meinen Nerven. Vielleicht war der heutige Abend keine gute Idee gewesen. Ich rief Klaus an.

»Der Teilnehmer ist im Moment nicht erreichbar«, war die einzige Antwort. War ich etwa das Opfer einer Verschwörung? Verunsichert und allein gelassen?

Aus der Nummer kam ich jetzt ohnehin nicht mehr raus. Ich würde mein Bestes geben und ein zauberhaftes Abendessen servieren. Schließlich hatte Klaus mir wertvolle Tipps gegeben. Da konnte ja nicht so viel schiefgehen.

Ein Blick auf die Uhr. Mir blieben noch knapp fünf Stunden, bis ich zum allerersten Mal meiner zukünftigen Schwiegermutter gegenüberstehen würde. Das würde knapp werden, aber mit gekonnter Planung würde ich das schaffen.

Immer noch genauso ratlos wie zuvor öffnete ich wieder den Kühlschrank. Während ich die gähnende Leere der Kühlfächer bestaunte, hörte ich wieder die Stimme aus dem Off.

Na Iris? Schon eine Idee, was es heute Abend geben wird?

Das hatte mir gerade noch gefehlt! Dass mir meine ­eigene Einbildung zynische Kommentare um die Ohren schlug!

Zumindest scheint es ja nicht kalorienreich zu werden …

Ich schloss eine Sekunde lang meine Augen, um mich auf die Tatsachen zu besinnen. So schnell ich konnte, ­schnappte ich mein Survival-Kit – Geldbörse, Handy, Autoschlüssel, Korb. Mir blieben noch vier Stunden und dreiunddreißig ­Minuten. Meine Laune stieg merklich, als ich den Supermarkt betrat. Denn Einkaufen war mehr, als nur einen Blechwagen durch die Gegend zu schieben, um irgendwelche Produkte hineinzuwerfen. Einkaufen, das war für eine Köchin wie das Auswählen der Farben für einen Maler. Die reinste Inspiration.

Nur nicht unter solchem Druck wie heute. Ich betrachtete das gammelige Gemüse, das so aussah, als hätte man es mit dem Handkarren von Holland hierhertransportiert.

Noch vier Stunden und fünfzehn Minuten.

Da bleibt dir nicht mehr allzu viel Zeit. Wissen wir denn jetzt endlich, was es heute Abend geben wird?

Selbstverständlich hatte ich mir unterwegs Gedanken über das Menü gemacht. Unter Berücksichtigung von Klaus’ Empfehlungen.

Für den Salat brauchte ich Tomaten, denn die liebte seine Mutter, hatte er gesagt. Doch der Anblick dieser matschigen Früchte erregte lediglich mein Mitleid.

Dann vielleicht Gurkensalat? Mit einem raffinierten Dressing konnte er zu einer Delikatesse werden. Schnell suchte ich den passenden Gemüsekorb. Nur leider herrschte hier gähnende Leere.

Es blieb mir nur ein bunter Kopfsalat. Vielleicht mit Oliven und Lauchzwiebeln? Ich liebte einen frischen Sommersalat – Klaus jedoch nicht und seine Mutter dann wohl auch nicht. Schließlich fiel der Apfel nicht weit vom Stamm. Egal, ich hatte ja noch die Hauptspeise und mit der bekam ich sicher zehn Punkte. Wenn ich meinem Schatz glauben konnte, denn der schwärmte für meine Quiche Lorraine mit Pfiff. Und seine Mutter würde sie genauso lieben, hatte er gemeint.

Als ich den frischen Spargel im Korb sah, traf es mich wie ein Blitz. Letzte Woche hatte ich ein neues Rezept ­ausprobiert: Spargel mit Joghurtdressing. Hörte sich seltsam an, ­schmeckte aber einfach lecker. Meine Vorspeise stand somit fest.

Guten Mutes raste ich durch den Supermarkt und jagte nach allem, was ich brauchte: Eier, Rahm, Gouda, Speck und Zwiebeln. Natürlich auch nach einer guten Flasche Wein.

Zurück in meiner Küche fühlte ich mich wieder wie ein Mensch. Ein gutes Gefühl. Vielleicht lag es daran, dass ich endlich anfangen konnte. Ohne nachzudenken, griff ich nach meiner liebsten Rührschüssel. Der Teig für die Quiche würde ein Kinderspiel werden.

Ob die Mutter von Klaus mein Essen wirklich mögen würde? Eine Reihe von möglichen Szenarien drängte sich ­beharrlich in meinen Verstand. Zweifel stiegen auf und ich verspürte ein ungutes Drücken in der Magengegend.

Ob es der Iris wohl gelingt, ihre Schwiegermutter mit Quiche Lorraine zu beeindrucken?

Das war das Dumme an so einem Sprecher aus dem Off. Man konnte keine gusseiserne Bratpfanne nach ihm werfen.

Ich hatte ohnehin keine Zeit für so etwas. Die lief mir nämlich geradezu davon. Nicht einmal mehr drei Stunden blieben noch.

Im Geiste ging ich die Ingredienzien noch einmal durch. Super, alles da. Ich hätte zufrieden sein können. Wäre da nicht dieser kleine Teufel in meinem Ohr gewesen, der mich langsam in den Wahnsinn trieb.

Na Iris, hast du auch an alles gedacht?

»Hab ich!«, schnauzte ich den unsichtbaren Gesprächs­teilnehmer selbstsicher an. »Alles da.«

Wirklich alles?

Leicht irritiert sah ich meine Einkäufe noch einmal durch. Unsicherheit schlich sich in meinen Verstand und lähmte mein neu gewonnenes Selbstbewusstsein. Wie ein tückisches Gift.

Alles?, wiederholte die ätzende Stimme.

Es war wie eine juckende Stelle am Rücken, die man nicht kratzen konnte. Unerreichbar, und doch war sie da.

Auch den Muskat?

Muskat. Kein Muskat! Nicht einmal eine winzige Nuss. Verdammt. Quiche Lorraine ohne Muskat, das war wie eine Kerze ohne Docht. Sofort stürzte ich los, um Muskat zu ­kaufen.

Als ich wieder nach Hause kam, war Klaus schon da.

Und die Uhr zeigte gnadenlos an, dass mir nur noch zwei Stunden blieben. Da half es mir herzlich wenig, dass er mit Dackelblick in meiner Küche herumstand.


»Wie läuft’s?«, fragte er vorsichtig und schien sich im gleichen Augenblick zu wünschen, dass er mich nicht gefragt hätte. Ein Wimpernschlag von mir und er gab den Weg frei.

Schweigend machte ich mich an die Arbeit. Schneller als gedacht landete die Quiche im Backofen. So viel dazu. Während ich die Kerzen auf dem Tisch ausrichtete, stellte ich Klaus die Frage: »Sag mal, wie ist deine Mutter eigentlich so?«

Sofort erblasste seine Gesichtsfarbe. Er suchte nach Worten. Vielleicht auch nach Ausflüchten. Wer konnte das schon sagen?

»Na ja«, sagte er. Sonst nichts. Aber das genügte, ich hatte verstanden. Wenn sie wirklich so ein Drache war, dann stellte ich besser den Feuerlöscher bereit.

Eine Stunde später kehrte langsam so etwas wie Ruhe ein. Die Spargel-Joghurt-Vorspeise sah so aus, wie es meiner Erwartung entsprach, und auch die Quiche Lorraine war ­gelungen. Verschwitzt, aber glücklich betrachtete ich mein Werk.

Na, Iris? Hast du jetzt alles, was man für ein Drei-­Gänge-Menü braucht?

Der schon wieder. Diesmal konnte er mich nicht verunsichern. Das schwor ich mir still. Denn jetzt war es an der Zeit, mir Gedanken über mein Aussehen zu machen. Wie wäre es mit dem roten Kleid? Nein, das wäre eindeutig ein bisschen overdressed.

Ein Drei-Gänge-Menü?, wiederholte das ungreifbare ­Ekelpaket.

Vielleicht doch eher bequem in Jeans? Die mit den drei Nähten?

Drei?

Mein geistiger Kleiderschrank verschwand. Zurück blieb nur die Zahl drei. Siedend heiß fiel es mir ein. Ich hatte nur Vorspeise und Hauptspeise. Alles andere als ein perfektes Dinner. Ich hatte nur Vorspeise und Hauptspeise.

Weil die Nachspeise fehlte!

Bestimmt ist die Schwiegermutti keine Süße. Sind sie doch meistens nicht.

Ich schwor mir, mich eigenhändig auf die Suche nach diesem Menschen zu machen, der da unvermittelt in meinen Kopf hineinsprach, sobald alles vorbei war.

»Ich kriege dich, hörst du?«

»Hast du etwas gesagt, Iris?«, fragte Klaus.

»Ich habe keinen Nachtisch«, blaffte ich ihn an.

Er machte so ein bestürztes Gesicht, dass es mir sofort leid tat. Ich sah in das fassungslose Klausgesicht und zuckte mit den Achseln.

»Ich weiß was.« Ein Siegerlächeln erschien auf seinen Lippen und rettete meine Stimmung. Normalerweise hätte ich mich jetzt vorsehen müssen. Doch Verzweiflung macht leichtgläubig.

Deshalb lauschte ich einfach nur dem, was er zu sagen hatte.

»Mama mag nichts so sehr wie fertige Schokodesserts. Ehrlich!«

Ungläubig begann ich seine Worte nachzuvollziehen. »Pudding aus dem Plastikbecher?«

»Natürlich«, grinste er. »Dafür lässt sie alles stehen und liegen.«

Wäre ich nicht so verzweifelt gewesen, dann hätte ich das sicher nicht in Betracht gezogen. So aber hatte ich ­keine Wahl. Schließlich war es seine Mutter. Und die kannte er wohl hoffentlich besser als ich. Stirnrunzelnd gab ich nach und Klaus verschwand durch die Haustür.

Ich dagegen verzog mich schnurstracks ins Schlafzimmer zu meinem Kleiderschrank.

Es klingelte.

Schon als ich den feindseligen Ton hörte, rutschte mir das Herz fast in die Hose. Übertragen gesprochen, denn ich hatte mich am Ende doch für das rote Kleid entschieden. Ich war es, die zur Tür eilte und öffnete.

Die Frau, die dort draußen stand, sah aus wie eine skurrile Omi. Allein die Hochsteckfrisur war filmreif, denn sie ­trotzte der Schwerkraft entgegen allen mir bekannten physika­lischen Gesetzen. Sie trug ein schwarzes Kleid, was ihr den ­Anschein einer Trauernden verlieh. Oder war es eher der ­einer ­Richterin?

»Hallo«, sagte ich und gab ihr die Hand. »Ich bin Iris.«

Ihre viel zu kleinen Augen funkelten mich durch die ­dunkle Hornbrille misstrauisch an. So als wollte sie sagen: Ich ­beobachte dich!

Mit tiefer Stimme entgegnete sie: »Und ich bin Frau Urlberg. Die Mutter von Klaus.«

So verstrich die Gelegenheit für ein spontanes Du. Und auch meine Hand nahm sie nicht, sondern platzierte darin ­ihren staubigen Mantel, den sie vorsorglich schon ausgezogen hatte.

»Hallo Mama«, flüsterte Klaus kleinlaut und drückte ihr ­einen Kuss auf die faltige Wange. Was war mit meinem selbstsicheren, smarten Freund los? Wo war der hin?


Vorsicht Schwiegermutter!

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