Читать книгу Vorsicht Schwiegermutter! - Heike Abidi - Страница 8

8. Juni, 10.30 Uhr

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Langsam wurde ich nervös: Gleich sollte ich meine Schwiegermutter kennenlernen. Sie war vor zwei Tagen in Frankfurt gelandet und sofort zu ihrer Freundin Gerdi einen Ort weiter gefahren. Ich packte meine Handtasche und nahm Paulina an die Hand. Auf dem Weg zum Auto sah Ben mich auf einmal so komisch an.

»Was ist?«

»Ach, nichts.«

Am Marktplatz fanden wir recht schnell einen Parkplatz und liefen zur kleinen Brasserie – ich freute mich vor allem auf einen leckeren Brunch. Ben öffnete die Tür und wir traten ein. Einen kleinen Augenblick mussten sich meine Augen an das Dunkel gewöhnen und dann sah ich sie: Hildegard! Sie hatte leuchtend rot gefärbtes Haar, lange Fingernägel, die im selben Farbton lackiert waren, und ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, die ihr aber nicht schlecht standen. Sie trug ­farbenfrohe, bequem und trotzdem chic aussehende Kleidung in verschiedenen Rottönen. Hildegard stürmte auf uns zu, öffnete ihre Arme und rief dabei einen Tick zu laut: »Ben! Andrea! Und die kleine Paulina! Ich freue mich so sehr, euch zu sehen!«

Sie knutschte uns der Reihe nach ab, wobei Paulina einen Flunsch zog. »Kommt zu uns an den Tisch, Pamuy freut sich auch schon auf euch!«

Ich warf Ben einen fragenden Blick zu: Wer ist Pamuy? Ben zuckte nur mit den Schultern und wir steuerten zielstrebig auf einen Tisch in der Ecke zu. Dort saß eine Frau, ebenfalls Mitte sechzig, ebenfalls sehr gepflegt, ebenfalls sehr bunt angezogen – wobei sie ganz offensichtlich Lila und Pink liebte und auch verschiedenen Grüntönen gegenüber nicht ganz abgeneigt war.

Ben umarmte Pamuy und sagte: »Gerdi, schön, dich auch mal wieder zu sehen!« Aha, das war also die beste Freundin von Bens Mutter.

»Ich heiße jetzt Pamuy«, sagte Gerdi. »Diesen Namen hat deine Mutter für mich erträumt! Er bedeutet ›Wassermond‹ – passt das nicht perfekt?« Ben und ich guckten uns schon wieder fragend an. »Na, ich kann doch bei Vollmond nie schlafen und außerdem gehe ich so gern schwimmen!«, ­erklärte Pamuy-­Gerdi.

Schon stand der Kellner bei uns am Tisch und nahm die Bestellungen auf. Die Gespräche drehten sich um alte Zeiten, die vielen Kleinstadtgeschichten, die seit der Abreise von Bens Mutter passiert waren, und natürlich auch um Paulina und unsere Hochzeit.

Es hätte ein entspannter Sonntag werden können, wenn Paulina nicht irgendwann »Oma Hildegard« gesagt hätte …

Meine Schwiegermutter blickte uns alle drei streng an: »Oma? Sie nennt mich Oma? Und dann auch noch Hildegard? Diesen Namen habe ich schon vor zehn Jahren abgelegt! Ich heiße Magaskawee – Ma-gas-ka-wiii! Und das bedeutet Schwanenmädchen.«

Paulina schob trotzig die Unterlippe vor: »Das ist ein doofer Name, so heißt doch keiner!«

Ich befürchtete, dass Paulina gleich anfangen würde zu weinen, und erklärte ihr: »Oma Hil…, äh, Magaskawee nennt sich so, weil sie gern so heißen möchte. Sag mir mal nach: Ma-gas-ka-wii – das ist ganz einfach.«

Paulina grinste mich an und antwortete: »Ma-ga-kacka-wii!« Ich zuckte zusammen und blickte vorsichtig in Richtung Hil…, äh, Magaskawee.

Meine Schwiegermutter stutzte einen Moment, schüttelte leicht den Kopf und fing an zu lachen: »Wie Ben in dem Alter – ziemlich kreativ, die kleine Paulina!« Auch Gerdi lachte und so entspannte ich mich wieder und lachte mit. Ben machte das alles offenbar nichts aus, er saß locker zwischen mir und seiner Mutter, plauderte und ließ sich die köstlichen, kleinen Kalorienbomben schmecken.

Es wurde Nachmittag und wir verabschiedeten uns. Magaskawee und Pamuy hatten abends noch ein Treffen mit ein paar anderen Frauen aus einer freien Energie-Tanzgruppe und wir wollten in Ruhe das Wochenende ausklingen lassen. Küsschen rechts, Küsschen links, das übliche Abschiedss­zenario.

Wir wollten gerade gehen, da fragte Magaskawee: »Und wann können wir bei euch vorbeikommen? Wir müssen noch eure Wohnung einrichten nach den neuesten heilenden, transzendentalen und klärenden Erkenntnissen. Schließlich sollt ihr eine glückliche, lange Ehe führen!«

Was? Unsere Wohnung einrichten? Die Wohnung, die ich mit viel Liebe über die letzten Jahre hinweg zu unserem gemütlichen, an uns und unsere Bedürfnisse perfekt angepassten Lieblingsaufenthaltsort gemacht habe? Tickte die noch ganz richtig?

Ich holte tief Luft, doch bevor ich Einwände erheben konnte, sagte Magaskawee: »Ich habe schon die Sternenkonstellation ausgewertet – zehn Tage vor eurer Hochzeit passt alles super zusammen! Also kommen Pamuy und ich am 26. Juni bei euch vorbei.« Sprach’s und verschwand mit Pamuy-Gerdi am Arm wie eine rot-orange-grüne, lustig vor sich hin schnatternde Wolke.

»Du wirst ihr ja wohl sagen, dass unsere Wohnung schön ist, so wie sie jetzt ist. Und gemütlich. Und zu uns passt. Wir brauchen keine ›Neuausrichtung unserer Wohnung nach ­irgendwelchen esoterischen Erkenntnissen‹!«, wandte ich mich entrüstet an Ben.

Der meinte nur: »Ach, lass mal, das hat sie bis dahin eh wieder vergessen, reg dich nicht auf!«

Vorsicht Schwiegermutter!

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