Читать книгу Vorsicht Schwiegermutter! - Heike Abidi - Страница 23

Dieser Mann ist vom Teufel besessen. Stürz ihn bei nächster Gelegenheit von der Klippe.

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Natalie musste ihre überwältigende Schönheit von ihrem Vater mitbekommen haben – so viel stand nach erster Begutachtung des anwesenden Elternteils fest. Und diese Begutachtung war intensiv, denn Natalies Mutter kam mir mit ihrem von unfreundlichen Runzeln durchfurchten Gesicht so nahe an das meinige, dass ich das sachte Zucken ihres Augenlides wahrnahm, als sei es der große Wischer einer Windschutzscheibe. Böse blickte sie mich an, vielleicht auch weniger böse als skeptisch, und die Zukunft ihrer wahrscheinlich ­geliebten Tochter keinesfalls aufs Spiel setzend. Schließlich wandte sie sich an Natalie und sagte zu ihr einen Satz, dessen Übersetzung mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Dieser Mann ist vom Teufel besessen. Stürz ihn bei nächster Gelegenheit von der Klippe.« Und im gleichen Atemzug, ein leichtes Lächeln umspielte ihre auf einmal freundlich wirkenden Mundwinkel, fügte sie an mich gerichtet hinzu: »Bienvenu et bon appétit!«

Appetit hatte ich keinen mehr, aber auch nicht den Mut zu gehen, denn draußen dämmerte es bereits und das ­nächste Dorf war noch weit. Also kämpfte ich mich auf einem ­engen Bänkchen kauernd durch die Nacht, immer in Sorge, ­Natalie, die auf einmal gar nichts Zauberhaftes mehr an sich hatte, könnte mir zur Freude ihrer Mutter ein Küchenmesser ­zwischen die Rippen rammen. Schließlich – ich musste wohl doch noch kurz eingenickt sein – huschte ich mit dem ersten Hauch von Morgenhelle aus der Hütte und sah zu, dass ich Land gewann.

Kein Zweifel: Ich war gerade noch einmal mit dem ­Leben davongekommen. Aber konnte ich mich darüber ­wirklich freuen? Genügte es mir, der Spielball anderer zu sein, die Erwartungen anderer zu erfüllen? Nein, der Mensch sollte nicht allein sein. Aber immerhin konnte er es und deshalb würde ich mich niemals mehr einem weiblichen Wesen mit ernsthaften Absichten nähern – zumindest nicht, ohne vorher dessen Mutter kennengelernt zu haben. Also fasste ich einen Entschluss …

Im Grunde war es einfach, denn ich hatte bei meinem Plan, die ideale Schwiegermutter zu finden, auf nichts und niemanden Rücksicht zu nehmen. Ich war frei, ungebunden, nicht einmal eine Arbeit zwang mich noch dazu, an einem ­bestimmten Ort zu bleiben, und so überlegte ich zunächst, in welchem Milieu ich die Dame antreffen wollte. Zu klein sollte die Ortschaft nicht sein, auch nicht zu touristisch, eher urban, aber doch nicht arrogant. Unter keinen Umständen dürfte die Frau aus einer gut situierten Hamburger Kaufmannsfamilie kommen und auch die eingebildeten Shopping-Queens der Münchener Schickeria konnten mir gestohlen bleiben. Ich entschied mich nach einigem Überlegen für Freiburg im Breisgau – intelligent, alternativ, aber auch keine Stadt, die sich in wirtschaftlicher Hinsicht hinter anderen zu verstecken brauchte. Hier suchte ich mir erst einmal eine Wohnung und fand eine wirklich schöne mit freiliegenden Balken und ange­nehmer Atmosphäre. Ich richtete mich mit dem Nötigsten ein, meldete mich bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend – schwiegermuttersuchend konnte ich mich ja nicht melden – und hielt Ausschau nach einer Tanzschule.

Ich fand eine, die tatsächlich noch einen Charleston-­Kurs anbot, und meldete mich an. Wer in der heutigen Zeit Charleston lernte, so viel stand für mich fest, verfolgte ­damit unter keinen Umständen irgendwelche fragwürdigen ­Absichten. Charleston war für mich ein Tanz, mit dem man so offenkundig rein gar nichts mehr anfangen konnte, dass es nur die reine, ungetrübte Lebensfreude sein musste, die einen antrieb. Und lebensfroh sollte meine Schwiegermutter sein. Sie sollte leben und leben lassen. Vor allem Letzteres. Mehr erwartete ich nicht.

Maren übertraf meine Erwartungen um Längen. Sie ­tanzte nicht nur hervorragend Charleston, sondern hatte auch einen sensationellen Sinn für Humor. Sie war gut aussehend, gebildet, handwerklich begabt und zupackend. Und sie hatte eine Art, auf andere Menschen zuzugehen, die Eisklumpen zu Wasser werden ließ. Nach dem dritten oder vierten ­gemeinsamen Charleston nahm ich mein Herz in beide ­Hände und fragte diese fabelhafte Frau, ob sie meine Schwiegermutter werden wolle. Maren lachte laut auf – sie lacht oft, weil sie das Leben trotz all seiner Widrigkeiten immer auch zum Lachen findet – und sagte laut »Ja!«. Und dann noch zweimal: »Ja! Ja!«

Ihre lachenden und jubelnden Ausrufe brachten sogar die Musik zum Innehalten, aber niemand der Anwesenden hatte den Grund für Marens Freudenausbruch mitbekommen und so wurde rasch weitergetanzt.


Vorsicht Schwiegermutter!

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