Читать книгу Vorsicht Schwiegermutter! - Heike Abidi - Страница 19

Schwiegermütter küssen besser

Оглавление

»Denkst du an unsere Verabredung heute Abend?« Katrin zog ihren Blazer vom Bügel und schlüpfte hinein.

»Welche Verabredung?« Jann wälzte sich im Bett auf die andere Seite. Als Musiker hatte er einen seinen Arbeitszeiten gemäßen Biorhythmus entwickelt, leider vollkommen gegenläufig zu Katrins Bürozeiten in der Kanzlei.

»Jetzt ärgere mich nicht.«

»Ja, ja, ich kann’s kaum erwarten, deine Mutter kennenzulernen.« Jann gähnte und griff nach Katrins Wade, als sie in ihrem Businessoutfit am Bett vorbeiging.

»Hmmm, Frau Anwältin«, gurrte er und streichelte langsam am Bein nach oben, »was fühle ich denn da? Haben Sie Gnade, Hohes Gericht, ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage. Bestrafen Sie mich.« Seine Finger wanderten weiter. »Sie könnten mir auch gern noch ein paar Gesetze eintrichtern«, flüsterte er und seine Stimme wurde rau. »­Hoppla«, Jann richtete sich halb auf. »Du trägst ja Strapse.«

»Das sind doch keine Strapse, bloß halterlose Strümpfe.«

Katrin entwand sich elegant seinem Griff. »Ist ein Trick von meiner Mutter«, erklärte sie im Hinausgehen. »Ich sehe dem Richter in die Augen und denke, wenn du wüsstest, was ich drunter trage … Man kriegt diesen, diesen …« Katrin wedelte mit den Fingern vor ihren Augen herum.

»… Killerblick«, vollendete Jann den Satz.

»Genau! Drück mir die Daumen, ja? Wir sehen uns heute Abend im Restaurant. Mit Jackett.«

Katrin warf ihm eine Kusshand zu und schloss die Tür. Jann sank stöhnend im Bett zurück.

»Womit habe ich das verdient?«, rief er ihr nach.

Als Jann Katrins Auto wegfahren hörte, drehte er sich auf den Rücken und starrte an die Decke, als stünde dort heute zur Abwechslung einmal ein klar ausgearbeiteter Zukunftsplan. Gestern hatte nichts geklappt. Erst war das Studio falsch gebucht worden, dann waren die Verstärker ausgefallen und schließlich waren sie mit dem Produzenten in Streit geraten, weil der Vollidiot verlangt hatte, eine mainstreamigere Waschmaschinenversion des Songs einzuspielen. Schließlich war er mit den Bandkollegen gründlich versackt. Seine Laune war auf dem Tiefpunkt. Da fehlte die große Familienzusammenführung gerade noch! Katrin hatte ums Verrecken nicht locker gelassen. Sie waren gerade mal ein knappes Jahr zusammen, aber irgendwie schien sie das offizielle Okay ihrer Mutter zu brauchen. Immerhin hatte es Monate gedauert, bis Katrin selbst es sich erlaubt hatte, mit einem so wenig standesgemäßen Typen wie ihm zusammen zu sein. Papa Staatsanwalt schien noch aus dem Grab heraus Gesetze zu zitieren, mit denen er gegen ihre Verbindung protestieren wollte, der alte Spießer. Wie war es Katrin nur gelungen, trotz dieses Elternhauses und ihrer kometenhaften Jungjuristinnenkarriere so down-to-earth zu bleiben?

Jann schlug die Decke zurück und verschränkte einen Arm hinter dem Kopf. Mit der anderen Hand glitt er unter den Bund seiner Boxershorts.

Wie war das vorhin gewesen? Katrins Mutter hatte ihrer Tochter zum Tragen von Strapsen geraten? Nicht gerade das übliche Schwiegermutterklischee, dachte Jann. Katrin war eher der knabenhafte Typ, sie hatte wohl nicht nur die Juristerei von ihrem Daddy geerbt. Katrins Mutter musste im Gegensatz zu ihr ein ziemlich heißer Feger sein, wie er aus Erzählungen wusste, und hatte sich den Chef der Kanzlei ­geschnappt, als sie gerade frisch von der Sekretärinnen­schule gekommen war. Auch dass die 18 Jahre Altersunterschied Mutter und Tochter eher wie Schwestern wirken ließen, die beiden sich äußerlich kein bisschen ähnelten und die Frau Mama außerdem aussah wie Simone Thomalla, hatte Katrin irgendwann erwähnt.

Waren ja irgendwie doch keine schlechten Aussichten …

Wie war noch gleich der Spruch, den ihm sein Alter mit auf den Weg gegeben hatte? Guck dir die Mutter an, dann weißt du, wie die Tochter mal aussehen wird. Und in diesem Fall konnten sich offensichtlich beide absolut sehen lassen.

Ungeduldig stand Jann vor dem Eingang des Hotelrestaurants. Immer wieder sah er auf seine Uhr und kontrollierte sein Smartphone. Er wartete seit zwanzig Minuten auf Katrin. Wenigstens eine SMS hätte sie ihm schreiben können. Allmählich ging ihm das Herumstehen gewaltig auf die Nerven. Erneut rief er sie an und hinterließ eine weitere Nachricht auf der Mailbox.

Jann steckte das Gerät in seine Jackentasche. Sein ­Rücken war schon schweißnass. Hätte er sich bloß nicht das verdammte Jackett aufquatschen lassen. Er würde wohl oder übel endlich reingehen müssen, noch länger konnte er Katrins Mutter unmöglich warten lassen. Genau so hatte er sich das vorgestellt: Seine Freundin ließ ihn hängen und er musste die peinliche erste Musterung ohne sie überstehen.

Als er das Restaurant betrat und seinen Blick über die ­Tische schweifen ließ, wurde ihm bewusst, dass er kein Präsent dabei hatte. Immerhin hatte er damit gerechnet, Katrin an der Hand zu haben. In der jetzigen Situation wären ein Blumenstrauß oder eine Schachtel Pralinen sicher nicht verkehrt gewesen. Herrgott, das hier war schließlich nur Katrins Mama, mit der er locker ein paar Minuten höfliche Konversation durchstehen würde, bis Katrin hoffentlich endlich ihren süßen, kleinen Knackarsch …

»Sie müssen Jann sein!«

Eine Stimme wie Velourleder. Fest und gleichzeitig samtig. Jann spürte ein Prickeln im Nacken und drehte sich um.

Vor ihm stand eine Frau, so perfekt, dass es Jann für ­einen Moment den Atem verschlug. Simone Thomalla?, dachte Jann. Du! Kannst! Nach! Hauuuse gehn …

Er musste unwillkürlich grinsen.

Katrins Mutter reichte ihm die Hand, fixierte ihn und ­sagte: »Nenn mich Maria.«

»Freut mich, Sie, dich … Ich bin zu spät. Tut mir leid.« Jann versuchte, sich zu konzentrieren. »Äh, ich … also … Katrin ist leider noch nicht da, ich konnte sie auch nicht erreichen.«

»Kein Problem«, Maria winkte ab. »Das kenne ich schon mein ganzes Leben lang. Schriftsätze, Verhandlungen, Akten­studium. Die Mandanten sind immer wichtiger als der Ehepartner. Daran gewöhnst du dich besser gleich. Ich sitze dort drüben.« Maria deutete auf einen Tisch in einer kleinen Nische.

»Klein, edel und intim hier, nicht wahr?«, fragte sie, als Jann ihr unbeholfen den Stuhl zurechtrückte. »Ein Gentleman, das gefällt mir. Darauf hat Katrins Vater auch immer Wert ­gelegt.«

»Schön … alles hier.« Jann versuchte, den Blick von Marias leicht gebräuntem Dekolleté zu lösen. Eine lange Silber­kette mit einer glänzenden Perle am Ende leitete den Blick des ­Betrachters direkt zwischen …

»… absolut empfehlen«, drang Marias Stimme in seine Gedanken. Sie schlug die Karte auf.

»Wie bitte?« Jann blickte auf und spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. In seinen Ohren rauschte es leicht. War alles mit ihm in Ordnung? Dies hier war seine zukünf­tige Schwiegermutter und er bekam einen Schweißausbruch wie ein Dreizehnjähriger, der zufällig einen Blick in die Mädchenumkleidekabine erhascht hatte? »Ah, ja«, sagte er und seine Augen flogen über die Buchstaben, ohne ihren Sinn zu ­erfassen. Zanderfilet mit Risottokruste an Bärlauchschaum und mediterranem … Jann schüttelte unwillkürlich den Kopf.

»Ich komme öfter hierher. Soll ich für uns beide bestellen?«, bot Maria an und klappte die Karte zu. »Weiß, Rosé oder Rot?«

»Rot«, sagte Jann erleichtert.

Als der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen, konnte er Maria unauffällig betrachten. Katrin hatte recht gehabt. Es bestand nicht die geringste Ähnlichkeit zwischen den beiden. Vielleicht ein wenig die Nase? Und das Lächeln. Ganz eindeutig. Bekam Katrin dabei nicht auch solche Grübchen? Janns Blick blieb an Marias Haar hängen. Es floss mit sanftem Schwung über die Schulter, sodass Jann seine Hand förmlich davon abhalten musste, die Finger darin zu vergraben. Rasch griff er nach dem kunstvoll gefalteten Serviettenschwan und breitete das Tuch auf seinem Schoß aus.

Maria nahm gerade ihre Hand vom Unterarm des Kellners, wo sie diese platziert hatte, um der Bestellung mehr Nachdruck zu verleihen, als ihr Handy klingelte. Jann registrierte, wie ihr Finger über das Display wischte, und konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie es aussähe, wenn sie mit diesen roten Nägeln seinen …

»Süße! Wir warten schon seit Ewigkeiten, gerade habe ich bestellt. Wo steckst du? – Es ist Katrin«, bedeutete sie Jann und hörte eine Weile zu. »Oh, Schätzchen, das ist ja furchtbar … Geht es dir gut, ja? … Okay, pass auf dich auf … Nein, keine Sorge, Jann und ich werden uns nicht langweilen … Doch, ganz nett, soweit ich bis jetzt beurteilen kann.« Maria zwinkerte Jann zu. »Mache ich … Ich dich auch … Nimm gleich ein heißes Bad. Bis morgen, Spatz. Ich ruf dich an.«

Sie legte das Handy beiseite. »So was Unnötiges! Platter Reifen. Direkt vor dem Gerichtsgebäude«, erklärte sie. »Katrin ist jetzt bei der Polizei, kann sein, dass es eine Racheaktion war oder einfach bloß Zufall. Ich soll dich grüßen.«

»Himmel«, sagte Jann, »das gibt’s doch gar nicht.«

»Ja, schade«, meinte Maria. »Ausgerechnet heute. Sie nimmt sich ein Taxi direkt nach Hause, die arme Maus.« Kopfschüttelnd hob sie das Glas mit dem Aperitif, das der Kellner während des Telefonats serviert hatte. »Katrin hat ihr Handy übrigens in der Kanzlei liegen lassen, sie hat gerade von der Polizei aus angerufen.«

»Sie haben einen Anruf frei«, zitierte Jann mit strenger Stimme aus einem Film.

»Und den verwendet sie für ihre Mama.« Maria lächelte. »Ist das nicht lieb?«

Jann nickte.

»Auf Katrin«, sagte Maria.

»Auf ihre Mutter«, fügte Jann hinzu und stieß sein Glas leicht gegen ihres.

»Und auf einen schönen Abend!« Maria senkte das Glas, nahm mit dem Zeigefinger einen Tropfen Sekt auf, der an der Außenseite des Glases entlangperlte, und leckte ihn ab. Auf ihrem Finger blieb ein Hauch Lippenstift ­zurück.

Jann schob das Besteck zurecht und räusperte sich.

»Ich komme öfter hierher, wie gesagt …«, meinte Maria, ließ den Satz im Raum stehen und betrachtete Jann ungeniert. »Katrin hat erzählt, du wärst ein richtig guter Sänger«, plauderte sie dann.

»Singer/Songwriter, sagt man.« Jann lehnte sich zurück. Distanz schaffen, auf bekanntes Terrain zurückziehen, dachte er und begann zu erzählen.

Während des Hauptgerichts griff Maria in ihre Tasche und reichte Jann einen Stapel Fotos über den Tisch. Katrin bei der Einschulung, Katrin beim Reiten, beim Ballett, mit Zahn­lücke und mit nacktem Babypopo auf einem Schafsfell.

»Sie ist einfach eine wundervolle Tochter«, sagte Maria und hauchte ein Küsschen auf das Babyfoto.

Später kam Maria auf Janns Beruf zurück. »Es gibt viele Groupies bei den Konzerten, kann ich mir vorstellen«, sagte sie mit fragendem Unterton. Ihre Wangen glühten, der Kellner hatte gerade den letzten Rest aus der Weinflasche in ihre Gläser gefüllt.

Jann schüttelte den Kopf, dann nickte er. »Schon«, gab er grinsend zu. »Aber es sind alles dermaßen junge Hühner, die müssten einem vorher den Ausweis zeigen.«

»Vor was …?«, hakte Maria nach. Sie legte das Besteck beiseite und schlüpfte aus ihrem Jäckchen. Sie fasste die ­Haare für einen kurzen Augenblick mit beiden Händen zu einem Pferdeschwanz zusammen. Die silberne Kugel rollte über dem Ansatz ihrer Brüste hin und her. »Eduardo hat es heute gut gemeint mit dem Chili in der Pasta, was?«, sagte sie und wedelte sich etwas Luft in den leicht geöffneten Mund. Dann schüttelte sie die Haare aus, pustete ein paar Fransen aus der Stirn und nahm einen Schluck Mineralwasser. »Wir hätten besser Milch bestellt.«

Jann tat, als ob er mit den Resten auf seinem Teller ­beschäftigt wäre. »Stimmt«, murmelte er. Mittlerweile war er kaum mehr zu einem klaren Gedanken in der Lage. In seinem Kopf mischten sich Bilder von Marias Erzählungen über ­Katrins Kindheit mit wilden Fantasien darüber, was er mit dieser unfassbar sinnlichen Frau in einem Hotelbett anstellen würde.

Unvermittelt legte Maria ihre Hand auf seine. Ein schmerzhaft süßes Gefühl jagte durch seine Lenden.

»Wollen wir vor dem Dessert noch ein bisschen frische Luft schnappen?«, fragte sie.

Janns Zunge fühlte sich an wie festgenagelt. Er nickte schwach.

»Wunderbar«, sagte Maria, tupfte den Mund mit der Serviette ab und erhob sich. Der schwarze Lederrock raschelte leise, als sie ihn zurechtstrich. »Gehen wir.«

Vor der Tür empfing sie kühle Abendluft. Jann atmete tief durch. Kopfkino anhalten, Kopfkino anhalten. Das konnte alles nicht gut gehen. Wie sollte er seiner zukünftigen Schwiegermutter je wieder unter die Augen treten? Jann dachte verzweifelt an all die Kaffeekränzchen, Sonntagsbesuche und Weihnachtsfeiern, die ihm noch bevorstanden.

Maria hakte sich kurzerhand bei ihm ein und führte ihn den Weg entlang.

»Ist ein bisschen dunkel hier«, kicherte sie.

»Gut, dass der Mond scheint«, erwiderte Jann lahm. Sein Gehirn arbeitete auf Sparflamme.

»Autsch!« Maria taumelte auf den hohen Absätzen und Jann spürte ihre Haare an seinem Kinn, als er sie enger ­umfasste. Ihr Parfum war betörend. Die Duftmoleküle hatten sein limbisches System geentert.

»Guck, hier ist eine Bank«, sagte Maria und ließ sich ­darauf nieder. Dabei öffnete sich der Seitenschlitz ihres Rockes und gab den Blick auf die Spitzenborte der Strümpfe frei.

Jann unterdrückte ein Stöhnen, als er sich neben sie ­setzte. Sie sah ihn an. »Na, mach schon«, murmelte sie und schloss die Augen. Jann umfasste ihren Nacken und zog sie sachte zu sich heran. Ihre Zungen fanden sich, wund von der Schärfe des Essens und träge vom dunklen Rotwein. Maria seufzte.

»Darf ich vorstellen?«, Katrins Stimme drang nur verzögert in Janns Gehör. Sein Körper reagierte schneller. Reflexartig zog er die Hand unter dem Rock seiner Schwiegermutter hervor. Jann wurde übel. Wo kam Katrin denn auf einmal her? Er wandte sich um. Sie kam den Weg herunter, neben sich eine aparte blonde Frau mit Perlenhalskette und durchscheinendem Porzellanteint, die tatsächlich aussah wie eine ältere Ausgabe von ihr selbst.

»Meine Mutter«, bestätigte Katrin seine schlimmsten ­Befürchtungen.

»Armer Schatz«, sagte Katrins Mutter mit einem abfälligen Blick auf den Freund ihrer Tochter und legte den Arm um sie. »Wieder einer durchgefallen.«

Maria erhob sich und reichte den Frauen die Hand. »Tja, das tut mir leid …«, sagte sie bedauernd. »Ich schicke Ihnen dann die Rechnung. Wie immer …«

»Gute Arbeit«, lobte Katrins Mutter.

Maria zuckte mit den Schultern. »Schade um ihn, eigentlich. Wie gesagt, tut mir wirklich leid.« Dann strich sie ihren Rock glatt und ging zum Restaurant zurück.

»Katrin, warte, es ist alles ganz …«, rief Jann.

»Wichser!«, brüllte Katrin zurück, als sie zum Parkplatz rannte. Anders als vor Gericht wurde in diesen Angelegenheiten dem Angeklagten nicht das Recht auf das letzte Wort gestattet.

Vorsicht Schwiegermutter!

Подняться наверх