Читать книгу Vernehmungen - Heiko Artkämper - Страница 101

3.5.1Analyse der Aussage

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291Die Aussage bedarf einer Analyse ihrer Bestandteile „schnell“ – „zu schnell“ – „viel zu schnell“:

292Das Wort „schnell“ allein verdient schon seine eigene Betrachtung. Was ist „schnell“? Der Zeuge muss gefragt werden, was er denn darunter versteht, und seine Wertung fällt sofort noch tiefer in eine Wertungsposition. „Schnell“ beinhaltet schon eine Wertung, mit diesem Begriff kann kein Ermittler etwas anfangen. Was meint also der Zeuge? – So wie ein Radfahrer? – Nein, schneller. Das wären so etwa mehr als 10 km/h, je nach Vorstellung von der Geschwindigkeit eines Radfahrers (die bereits bis max. 60 km/h reichen dürfte). Langsamer als ein Auto auf einer Umgehungsstraße? – Also etwa zwischen 60 und 100 km/h.

293Die in der Bekundung „zu schnell“ enthaltene Wertung muss man wohl nicht erläutern, sondern man muss sich fragen, an welchen Werten der Zeuge sich orientiert. Schneller als erlaubt, schneller als die Technik seines Fahrzeugs es zulässt, schneller als die Situation es zulassen würde? Offen bleibt, wo das Vergleichsniveau ist, an dem der Zeuge sich orientiert oder zu orientieren können glaubt.

294„Viel zu schnell“. Was ist denn „viel“? Solche Aussagen müssen einen polizeilichen Vernehmungsbeamten und später einen Richter verärgern, werden sie nicht kritisch hinterfragt. Ebenso wenig ist definiert, was „wenig“ ist. Derartige Mengenangaben nehmen im allgemeinen Sprachgebrauch breiten Raum ein, sind aber wenig aussagekräftig – genauer gesagt: nichtssagend.

295Interessant ist auch die Antwort im Hinblick auf die Frage der Täterschaft einer bestimmten Person und damit dem Kernbereich der Tatsachenaufklärung: „Der!“ Wer ist das denn? Wahrscheinlich dürfte der Fahrer gemeint sein, konkret sogar nur das Auto; wer hat es gefahren, wer hat am Steuer gesessen? Ein Mann oder eine Frau? Hat der Zeuge den Fahrer erkannt? Regelmäßig hat er nur das Auto gesehen, das seiner Meinung nach „viel zu schnell“ war.

296Im Ergebnis beinhaltet die Bekundung eigentlich gar nichts: Der Fahrer ist unbekannt, und die gefahrene Geschwindigkeit kann so nicht ermittelt werden. Vielleicht ist es als Ergebnis zulässig, zu behaupten, dass es dieses Auto war, zumindest aber ein gleich aussehendes mit vielleicht diesem abgelesenen Kennzeichen. Eine scheinbar „sichere“ Aussage entpuppt sich als Flop.

Praxistipp:
297 Es macht keinen Sinn, weiter nachzufragen, was wirklich viel zu schnell ist; „viel zu schnell eben“. Es wird deutlich, dass der Vernehmende offenkundige Wertungen auf das tatsächlich Wahrgenommene reduzieren muss: „Was haben Sie gesehen?“ Die ernüchternde Antwort lautet: Ein fahrendes Auto – in diesem Beispiel –, mehr nicht.
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