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106. Max Heine70

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August 1824

Allen, die in den zwanziger Jahren in Göttingen studiert haben, dürfte es wohl noch in Erinnerung sein, daß die ein Stündchen von Göttingen gelegene anständige Kneipe, die „Landwehr“ genannt, von vielen Studenten besucht wurde.

Ganz besonders mag den ehemaligen Burschen das schöne Schenkmädchen, „Lottchen von der Landwehr“ geheißen, in Erinnerung geblieben sein. Dieses Mädchen war eine reizende Erscheinung. Höchst anständig, gleich freundlich gegen alle Gäste, bediente sie alle mit wunderbarer Schnelligkeit und graziöser Behendigkeit. Sehr oft besuchte Heinrich Heine in Begleitung seiner Freunde aus der Landsmannschaft der Westphalia diese Schenke, um daselbst zu Abend zu essen, gewöhnlich „eine Taube“ oder eine „Viertel Ente mit Apfelkompott“. Das Mädchen gefiel auch Heine, er liebte mit ihr zu scherzen, wozu sie übrigens weder Veranlassung noch Erlaubnis gab; ja einstens umfaßte er sie, um sie zu küssen.

Da hätte man das beleidigte Mädchen sehen müssen; vor Zorn ganz rot, stellte sie sich vor Heine hin und hielt eine so würdevolle Ansprache, kanzelte ihn dermaßen moralisch herunter, daß nicht bloß er, sondern alle übrigen Studenten, die anfangs dieser Szene recht fidel zugesehen hatten, ganz verlegen und kleinlaut davonschlichen.

Heine blieb längere Zeit von der „Landwehr“ weg und erzählte allenthalben, wie ein junges, seiner weiblichen Würde bewußtes Mädchen allezeit den kräftigsten Schutz gegen jede Frivolität in sich selbst berge. Nach einem Monat zog es ihn jedoch wieder nach der „Landwehr“ mit der eitlen Absicht, das hübsche Mädchen völlig zu ignorieren. Wie war er aber erstaunt, als er in die Schenke trat! Das Mädchen kam heiter lächelnd ihm entgegen, gab ihm die Hand und sagte ganz unbefangen: „Mit Ihnen ist’s etwas ganz anderes als mit den übrigen Herren Studiosen; Sie sind ja schon so berühmt wie unsere Professoren; ich habe Ihre Gedichte gelesen, ach, wie herzlich schön! Und das Gedicht vom ‚Kirchhof‘ weiß ich fast auswendig, und jetzt, Herr Heine, können Sie mich küssen in Gegenwart von allen diesen Herren. Seien Sie aber auch recht fleißig und schreiben Sie noch mehr so schöne Gedichte.“

Als mein Bruder mir später, fast gegen Ende seines Lebens, diese kleine Geschichte erzählte, sagte er wehmütig: „Dies kleine Honorar hat mir mehr reine Freude verursacht, als späterhin alle die blinkenden Goldstücke von Herrn Hoffmann & Campe.“

Gespräche mit Heine

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