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115. Ferdinand Oesterley193

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1824/25

[Oesterley an seine Braut, 5. Oktober 1825:] Wer Heine kennt, kann kaum das Lachen lassen, wenn’s ihm einfällt, daß der schmerzzerrissene Mensch solch herzzerreißende Lieder dichten konnte; denn dem äußeren Umgange nach zu urteilen, ist’s ihm ebenso einerlei, wenn ihm ein Mädchen untreu wird, als er eine ungezügelte Angst vor allem hatte, was körperlicher Schmerz hieß, namentlich vor Prügeln. Doch gibt’s wohl wenig Menschen, wo das Innere im stillen immer so mächtig und fürchterlich fortbrütet, als bei Heine, wenig Menschen, bei denen das Innere sich so wenig im äußeren Leben zeigt, als bei ihm. Die meisten Menschen, mit denen er umging, sah er nur von einer poetischen Seite an, je mehr er jemanden gebrauchen konnte, desto lieber ging er mit dem Menschen um, einerlei wer er war. So läßt es sich erklären, daß er ein Herz mit dem schauderhaftesten Ochsen war; von ihm hatten diese Menschen nichts als seine schlechten Witze, ihn amüsierten sie durch ihre Eigenheiten bis zum Totlachen; wo etwas lächerlich war, oder wo seine Ironie Spielraum hatte, da war er am wohlsten. Freunde hatte er sehr wenige, doch die, welchen er einmal traute, hatte er sehr lieb, gegen diese war er, bis auf gewisse Stücke, sehr offen, hinreißend liebenswürdig, von dem feinsten Schicklichkeitsgefühle, gerade und aufopfernd. Er prahlte sehr, und dabei hatte innerlich doch niemand eine geringere Meinung von sich als er; am liebsten scherzte er über seine juristische Unwissenheit. Bei seinen heftigen und unausgesetzten Kopfschmerzen hatte er eine seltene Heiterkeit und Frische des Geistes, die sogleich durchblickte, wenn ihm etwas einfiel, was ihm lächerlich war. Niemanden habe ich über seine eigenen Witze mehr lachen hören als ihn, niemand machte mehr Witze als er, aber auch niemand mehr schlechte als er; die guten waren sehr gut.

Er hatte viel hellen Kopf, aber war zum Denken zu faul. Wenn er nicht wohl war, so flüsterte er fast nur und hatte seine Augen fast immer halb geschlossen. Da er fast nie ganz wohl war, so hatte er davon eigene Züge erhalten; besonders charakteristisch war bei ihm ein sehr ironisches und kühnes Ziehen der linken Oberlippe.

[Oesterley, Jurist, später Privatdozent, dann Stadtsyndikus und Oberbürgermeister in Göttingen, war ebenfalls Studienfreund Heines und ein begabter Musiker.]

Gespräche mit Heine

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