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114. Eduard Wedekind189

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Herbst 1824

Hieraus [aus seiner „Harzreise“] las er seinen Freunden einiges vor, was, sonderbar genug, und wie es dennoch häufig mit solchen abgerissenen Stücken sich ereignet, wenig ansprach; er wurde dadurch einigermaßen entmutigt, beharrte aber glücklicherweise in seinem Vorhaben, und rächte sich an uns durch dessen glänzenden Erfolg. Sein Hauptaugenmerk war damals, Dr. jur. zu werden, und nie besuchte er mich, ohne entweder das stereotype: „Ach, lieber Junge, ich bin sehr krank“, oder: „Sag’ mir, lieber Junge, was muß ich tun, um durchs Examen zu kommen“, vorauszuschicken. Gleichwohl hat sich, obwohl er selbst sein juristisches Streben vom Teufel loben läßt, die Furcht vor dem Examen glücklicherweise ebenso unbegründet ausgewiesen wie seine Krankheit immer, sobald ein Gespräch auf die Bahn kam, das ihn interessierte. Dann griff er, nachdem er eine Zeitlang still gesessen hatte, lebhaft mit ein. Einmal kam die Rede auf Märchen, die wir wenig achteten, und daneben für wohlfeile Ware hielten. Der Beweis sollte sogleich geliefert werden, und nachdem einer einen langen und langweiligen Faden anzuspinnen begonnen hatte, und nicht recht damit zu Ende kommen konnte, unterbrach ihn Heine:

„Da waren drei Kinder, kleine Kinder, liebe Kinder, arme Kinder; hatten kein Brot; arme, liebe, kleine Kinder hatten kein Brot; wollten sich welches suchen, laufen in den Wald und sahen ein schönes, großes Haus; liebe kleine Kinder laufen auf das schöne, große Haus zu, und bitten um Brot; arme Kinder bitten um Brot. Da ist die Tür verschlossen; wollen sie klingeln, hängt die Klingel zu hoch. Arme Kinder, liebe Kinder, kleine Kinder, haben kein Brot und die Klingel hängt zu hoch.“

Es war schwer, ihn lange bei einem Thema zu fesseln; am ehesten gelang es auf Spaziergängen... Daß er von der Musik nichts verstände, und von der Malerei nicht viel mehr, war unter uns ausgemacht; er sprach aber gern davon, wie auch von seinem Studium des Sanskrit, und wurde empfindlich, wenn man ihn damit aufzog, aber schnell versöhnt, wenn man ihn aufforderte, sein neuestes Gedicht zu rezitieren...

In politischer Hinsicht war er ein großer Verehrer von Sartorius (den er durch ein schönes Sonett gefeiert hat) und seinen gemäßigt liberalen Ansichten. Früher, in Bonn, hatte er sich mit Vorliebe zur Burschenschaft gehalten, hatte in großer Gerichtssitzung über die deutschen Fürsten in milderem Sinne votiert, daß der König von Preußen nur auf Pension gesetzt werden solle, und bei der Regierung des deutschen Reichs sich das Amt eines der vier Zensoren (aber nicht Bücherzensoren) Vorbehalten. Alles dies lag damals weit hinter ihm und ergötzte ihn nur noch im Rosenschimmer der Poesie.

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