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105. Max Heine70

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August 1824

Der Student Heinrich Heine bewohnte in Göttingen bei einem Färber auf der Weender Straße zwei große, hübsche Zimmer, viel besucht von den Mitgliedern der „Westphalia“, derjenigen Landsmannschaft, der Heine angehörte.

Ihm gerade vis-à-vis auf der Straße wohnte der Studiosus Adolf--- [Peters], der späterhin unter den lyrischen und frommen Dichtern einen berühmten Namen sich erworben hat. Damals aber mußte Adolf die ersten Sporen auf dem Felde der Lyrik verdienen, und dies unter den Augen eines so witzigen, satirischen und originellen Dichters wie Heine.

Wenn dieser sich amüsieren wollte oder des Schlafes bedürftig war, so öffnete er sein Fenster und rief mit lauter Stimme über die ganze Straße: „Adolf!“, lud ihn zu sich ein und bat Gedichte mitzubringen. Adolf, gutmütig, sanft und fromm, folgte sofort der ihm so schmeichelhaften Einladung. Nun begann das Vorlesen des in Verzückung geratenden Dichters. Nach jedem Gedicht, so mittelmäßig es auch war, oder nach dem Ausspruche eines Heine matt und leer erschien, sagte Heine: „Weißt du, Adolf, das ist dein bestes!“

So ging es mit allen Gedichten ohne Ausnahme ein Jahr lang, und vom jedesmaligen letzten Gedichte hieß es: „Adolf, das ist dein allerbestes“, worauf denn nicht selten Heine eingeschlummert war...

Einstmals hatte Heine einige Freunde bei sich, muntere, aufgeweckte Studenten. Die Rede kam auf lyrische Poesie und angehende, empfindsame Poeten.

„Wollt ihr ein kapitales Exemplar dieser Sorte,“ sagte Heine, „so kann ich damit aufwarten.“ Heine rief über die Straße hin: „Adolf!“ und Adolf erschien sofort mit der großen Mappe voll von Gedichten.

Nun muß ich vorher berichten, daß Adolfs Ideal Hulda hieß, und er hatte an sie, wie Schiller einst an Laura, eine Unzahl Gedichte unter allen möglichen Aufschriften gerichtet.

Die junge Gesellschaft, durch Heines maliziöse Bemerkungen schon ohnedies zur ungeheuersten Heiterkeit gestimmt, saß im Kreise. Mit süßer, lispelnder Stimme und schmachtend verklärten Augen begann Adolf sein erstes Gedicht mit den Worten: „Hulda schifft.“ Wer je auf einer Universität gewesen, oder auch nur mit Studenten Umgang gehabt, der kennt das Unaussprechliche dieses Wortes in der Studentensprache. Nicht in ein Gelächter, sondern in ein wahres unartikuliertes Brüllen brach die ganze Gesellschaft aus. Es war unmöglich, auch nur für einen Augenblick Ruhe und Stille wiederherzustellen. Gern hätte Heine gesagt: „Adolf, das ist dein allerbestes“, aber für heute blieb es bei dem verhängnisvollen: „Hulda schifft!“

[In Wedekinds Tagebuch wird – nach Strodtmanns Angabe („Deutsche Dichterprofile“, S. 241) – der Vorfall bestätigt und der Name Peters genannt. Peters wohnte im Sommer 1824 Heine gegenüber, bei Herrn Becker in der Gronerstraße, Heine in derselben Straße im Eberweinschen Haus; in die Weender Straße zog er erst Ostern 1825. Auch in seinen Briefen erinnert sich Heine mehrmals, wie er diesen „Esel mit Rosinensauce“ zum Ergötzen seiner Freunde zuweilen zum Narren gehabt (an Moser, 1. April 1825, und an Christiani, 26. Mai 1825); die Worte „Peters, das ist dein bestes“ zitiert er im Brief an Christiani Ende Dezember 1825 (Hirth, Nr. 122) humoristisch in bezug auf sein eigenes neuestes Gedicht. – Eine andere Schnurre von diesem „Universitätsfreund Adolf“ erzählt Heine selbst in einem Brief an Campe vom 7. März 1854.]

Gespräche mit Heine

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