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90. Eduard Wedekind149

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16. Juli 1824

[Tagebuch:] Heine gedenkt einen Faust zu schreiben. Wir sprachen viel darüber, und seine Idee dabei gefällt mir sehr gut. Heines Faust wird genau das Gegenteil vom Goetheschen werden. Bei Goethe handelt Faust immer; er ist es, welcher dem Mephistopheles befiehlt, dies und das zu tun. Bei Heine aber soll Mephistopheles das handelnde Prinzip sein, er soll den Faust zu allen Teufeleien verführen. Bei Goethe ist der Teufel ein negatives Prinzip; bei Heine soll er positiv werden. – Heines Faust soll ein Göttinger Professor sein, der sich in seiner Gelehrsamkeit ennuyiert. Da kommt der Teufel zu ihm und belegt ein Kolleg, erzählt ihm, wie es in der Welt aussieht, und macht den Professor kirre, so daß dieser nun anfängt liederlich zu werden. Die Studenten auf dem Ulrich fangen an, darüber zu witzeln. „Unser Professor geht auf den Strich“, sagen sie. „Unser Professor wird liederlich“, heißt es immer allgemeiner, bis der Herr Professor die Stadt verlassen muß und mit dem Teufel auf Reisen geht. – Auf den Sternen haben die Engel inzwischen Teegesellschaften, zu denen sich Mephistopheles auch einfindet, und dort beratschlagen sie über den Faust. Gott soll ganz aus dem Spiele bleiben. Der Teufel schließt mit den guten Engeln eine Wette über Faust. Die guten Engel liebt Mephistopheles sehr, und diese Liebe, besonders zum Engel Gabriel, denkt Heine so zu schildern, daß sie ein Mittelding zwischen der Liebe guter Freunde und der Liebe der Geschlechter wird, die bei den Engeln nicht sind. Diese Teegesellschaften sollen sich durch das ganze Stück ziehen. – Über das Ende ist sich Heine noch nicht gewiß. Vielleicht will er den Professor durch Mephistopheles, der sich zum Schinder gemacht hat, hängen lassen; vielleicht will er gar kein Ende machen, weil er dadurch den Vorteil erhält, manches in das Stück hineinbringen zu können, was eigentlich nicht hineingehört. – Mir deucht, dieser Faust kann sehr viel werden; nur fürchte ich, und Heine ebenfalls, daß durch die Teegesellschaften zu wenig Handlung hineinkommt. Wenn ich nur Zeit hätte, könnte ich von Heine noch eine Menge geistreicher und charakteristischer Züge aufführen, ich komme fast alle Tage mit ihm zusammen, aber mein Tagebuch nimmt mir so schon Zeit genug weg.

Gespräche mit Heine

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