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96. Eduard Wedekind149

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Sommer 1824

[Strodtmanns Bericht nach Wedekinds Tagebuch:] Daß Wedekind auch poetisierte, hatte er anfangs sorgfältig vor Heine verhehlt. Einige Tage nach der Vorlesung des oben [S. 77] mitgeteilten Scherzliedes zeigte ihm Heine die neuesten Nummern der „Agrippina“. „Von allen meinen Bekannten“, sagte er, „erpresse ich Beiträge für diese Zeitschrift meines Freundes. Auch Sie möchte ich um solche bitten.“ – „Aber wie kommen Sie auf die Idee? Ich weiß gar nicht...“ – „Haben Sie nichts Poetisches?“ – „Nein.“ – „Ach, sagen Sie’s doch nur gerade heraus! Ich kann das gar nicht leiden, wenn jemand so züchtig tut! Lesen Sie mir etwas von Ihren Sachen vor!“ Trotz dieser Aufforderung schien er nicht allzu aufmerksam zuzuhören; doch brachte er hie und da manche feine kritische Bemerkung vor. Von den Gedichten, die ein Gleichnis oder eine praktische Nutzanwendung enthielten, sagte er gleich: „Die taugen nichts.“ Bei einer Ballade „Donna Clara“ bemerkte er: „Sie müssen da nicht sagen, daß sie zu ihrem Vater hingeht und dies und das spricht, sondern Sie müssen sie unmittelbar jene Worte sprechen lassen und dann hinzufügen: ‚So sprach Donna Clara zu dem Vater.‘“ Unangenehm berührten ihn die vielen Reime auf den doppelten E-Laut, wie: leben – streben, gehen – stehen. „Solche Reime“, sagte er, „muß man nach Möglichkeit vermeiden, es ist kein Metall darin.“ Das höchste Lob, zu welchem er sich verstieg, war: „Dies ist recht gut; aber“, setzte er in der Regel hinzu, „Sie müssen konziser sein.“ – „Sie werden nie durchschlagen mit Ihren Gedichten“, lautete sein Endurteil; „aber es gibt eine gewisse Klasse von Lesern, die sehr groß ist – der werden Sie einen klaren, dauernden Genuß zu bereiten imstande sein. Der Verstand ist bei Ihnen vorherrschend; Sie würden gewiß eine vortreffliche Prosa schreiben. Haben Sie sich nicht in Erzählungen versucht?“ – „Nein, aber im Trauerspiel, und ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß mir Charakterschilderungen mit der Zeit immer besser gelingen werden.“ – „Das glaube ich auch,“ sagte Heine, „Sie sind ein guter Beobachter. Ihr Trauerspiel werde ich mir ausbitten, wenn ich mich ganz gesund fühle, um es mit Muße lesen zu können.“

Als er Heine das nächste Mal wieder traf, sagte ihm Wedekind: „Sie sind ein rechter Mephistopheles; meine Gedichte haben Sie mir ganz verleidet.“ – „Wieso?“ antwortete Heine; „dann haben Sie mich falsch verstanden.“ – „O nein,“ versicherte der enttäuschte Poet, „aber ich habe mich jetzt selbst verstanden.“

Gespräche mit Heine

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