Читать книгу Gespräche mit Heine - Heinrich Hubert Houben - Страница 123
119. Max Heine70
Оглавление28. Juni 1825
An einem schönen Tage machten wir in einer leichten, offenen Kalesche einen Ausflug von Göttingen nach dem einige Meilen entfernten preußischen Städtchen Heiligenstadt. Ein anmutiger Chausseeweg führt dahin. Wir plauderten viel und mokierten uns über die lächerliche Titelsucht; Heinrich rief: „Wer mich Doktor juris schimpft, dem mache ich einen Injurienprozeß, in welchem ich mit Hilfe der zehn römischen Tafeln selbst plädieren werde, oder prügele ihn so lange durch, bis er auch den Doktor der Medizin ruft.“
Mittlerweile waren wir an die Grenze des preußischen Staats gelangt, wo an dem schwarzweißen Schlagbaume ein martialisches „Halt!“ gerufen wurde und ein Originalstück von Gamaschenfeldwebel mit purpurroter Nase zu uns herantrat. Er richtete an meinen Bruder folgende Fragen:
„Vorname?“
Antwort: „Heinrich.“
„Zuname?“
Antwort: „Heine.“
„Titel?“
Antwort: „Liegt schon im Namen.“
Nachdem der Feldwebel dies in Hieroglyphen auf einer Schiefertafel protokolliert hatte, begann er abermals zu fragen:
„Und der andere Herr. Vorname?“
Antwort: „Maximilian.“
„Zuname?“
Antwort: „Bruder.“
„Titel?“
Antwort: „Haupthahn zu Mariahüpp.“
Da ich gerade am letzten Sonntage zu Mariaspring (einem lieblichen Tanzorte in der Nähe von Göttingen und von den Studenten Mariahüpp genannt) sehr viel herumgetanzt hatte, so sollte der Haupthahn soviel als Haupttänzer heißen. Auch Obiges wurde von dem Grenzfeldwebel gewissenhaft notiert, dann kam die Frage:
„Nichts Zollbares?“
„Nichts, außer Gedanken und Schulden.“
Wieder eine Frage:
„Absicht der Reise nach Heiligenstadt?“
Antwort: „Um katholisch zu werden.“
Bekanntlich ist das in diesem Winkel gelegene Heiligenstadt eine streng katholische Stadt.
Der Preuße machte ein gar ernstes Gesicht, schüttelte mit dem Kopfe und schloß mit der Frage:
„Kehren die Herren zurück?“
Antwort: „In der Nacht als Bischöfe.“
So wurde damals bei den Studenten nach den bekannten Getränken jeder benannt, der vom „Bischof“ schon zuviel und vom „Kardinal“ noch zuwenig hatte.
[Die Erwähnung des Doktortitels verweist die Anekdote in das Jahr 1825, und vielleicht handelt es sich um die „sehr heitere Fahrt ins Bürgertal“ bei Gelegenheit von Heines Taufe, wovon Oesterley erzählt (Nr. 118). Max Heine studierte damals Medizin in Berlin; sein Besuch in Göttingen um diese Zeit ist nicht nachweisbar. Da er sich auch bei andern Erlebnissen seines Bruders als Mitbeteiligten nennt, obgleich er gar nicht dabei sein konnte, ist die obige Erzählung wohl ein Gemisch von Reminiszenzen aus 1824 und später Gehörtem.]