Читать книгу Der Löwe vom Kaukasus - Helmut Höfling - Страница 13
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Оглавление„Ohne Kanonen wird es schwer sein, die Festung zu nehmen“, meinte General Weljaminow, der Befehlshaber der russischen Streitkräfte, als er bei einer Stabsbesprechung seinen Angriffsplan erläuterte.
„Aber wie sollen wir sie durch den Engpass bringen und wo aufstellen?“, fragte ein Offizier.
„Nicht durch den Engpass.“
„Der Weg führt nur dort hindurch!“, beharrte ein anderer. „Der Saumpfad ist die einzige Verbindung nach Gimri.“
Lächelnd schüttelte Weljaminow den Kopf.
„Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Schauen Sie hier auf die Karte.“ Er fuhr mit dem Zeigefinger über eine rot eingezeichnete Linie. „Das hier ist der zweite Weg, der sogenannte Ziegenpfad hoch oberhalb Gimris. Ich habe davon durch unsere verbündeten Bergstämme erfahren.“
„Ich auch“, fiel ein Stabsoffizier ein. „Er führt über zackige Gipfel hinweg, die fast das ganze Jahr über schneebedeckt sind, ohne einen Sonnenstrahl. Selbst die Dorfbewohner benutzen den Ziegenpfad nur selten.“
„Eben deshalb erwarten sie bestimmt nicht, dass wir ihn benutzen werden.“
„Von dort oben, so habe ich mir sagen lassen, soll selbst das auf hohen Felsen liegende Gimri geradezu zwergenhaft wirken. Der Ziegenpfad fällt so steil ab mit zahlreichen Kurven, dass nicht einmal ein Maultier da hinauf oder hinunter kann.“
„Und ein Hund?“, fragte Weljaminow. „Kann ein Hund dort hinauf?“
„Ich glaube schon, was soll die Frage?“
„Nun, meine Herren, was ein Hund kann, kann auch ein russischer Soldat!“
„Soll das heißen, dass wir mit zehntausend Mann den -“
„Nicht mit zehntausend Mann“, unterbrach ihn Weljaminow. „Nur ein kleinerer Teil rückt über den Ziegenpfad auf die Höhen vor, um Gimri von oben zu überrumpeln. Die Hauptmacht aber greift von unten aus an.“
Weljaminow war ein kühler Rechner, dessen Kaltblütigkeit immer wieder überraschte. Im Gegensatz zu dem alten Moskowiter Teufel Jermolow, der genauso brüllte und kämpfte wie die Kaukasier, verhielt er sich viel unauffälliger und war daher für Kasi Mullah schwer einzuschätzen. In der Meinung, mit vollem Magen lasse sich besser kämpfen, schob er oft ein Treffen auf, damit seine Soldaten sich erst noch den Bauch vollschlagen konnten, was die Erregung der heißblütigen Tschetschenen steigerte, die der Schlacht nervös entgegenfieberten.
Als die russischen Streitkräfte, unterstützt durch einheimische Verbündete, bis auf Sichtweite an die Bergfestung Gimri vorgerückt waren, setzte sich Weljaminow auf eine Trommel und beobachtete seelenruhig durch ein Fernrohr die Verteidigungsanlagen. Sobald die Muriden der ersten Linie ihn erblickten, richteten sie ihre Gewehre auf ihn und drückten ab. Der General verlor seine Fassung auch nicht, als die Geschosse dicht um ihn pfiffen, und zeigte sich nur leicht ungehalten über seine Stabsoffiziere, die um ihn standen und nun plötzlich gegen sein Fernrohr fielen.
„Aber meine Herren“, beschwerte er sich, „darf ich vorschlagen, anderswo zu fallen!“
„Bitte, General, gehen Sie in Deckung!“, bat ihn Dadiani, Fürst von Mingrelien und Kommandeur des Regiments Eriwanskij, mit beschwörender Geste. „Es ist zu gefährlich hier!“
„Jawohl, Fürst, ganz Ihrer Meinung“, pflichtete ihm Weljaminow in traditioneller militärischer Höflichkeit bei. „Das hier ist wirklich ein gefährlicher Ort. Würden Eure Hoheit die Güte haben, das Regiment gegen die rechte Befestigungslinie zu führen?“
Mehrere Tage lang leiteten Geplänkel an verschiedenen Stellen die Schlacht um Gimri ein, die am siebzehnten Oktober begann. Auf beiden Seiten wurde erbittert gekämpft. Nur äußerst mühsam, unter übermenschlicher Anstrengung, schleppten die Russen Artillerie und Nachschub über den verschneiten Saumpfad hinauf, bedroht von Lawinen und herabstürzendem Geröll. Obwohl viele Soldaten und Zugtiere bei diesem waghalsigen Aufstieg in die Tiefe stürzten, rückte das Heer immer näher an die Bergfestung heran. Einen entscheidenden Vorteil errangen Weljaminows Truppen, als es russischen Pionieren gelang, aus der Felswand eine Plattform für die Geschütze herauszusprengen. Zentimeterweise zogen die Kanoniere die schwere Artillerie in Stellung und bestrichen die Befestigungen, die Kasi Mullahs Krieger so mühsam errichtet hatten, mit einem vernichtenden Feuer. Immer wieder wurden die Russen dabei von verwegenen Scharen überrascht, die plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, von den Felsen auf sie herabsprangen und alle niedermachten, noch ehe sie zu den Waffen greifen konnten.
Nach harten Gefechten nahmen Weljaminows Truppen den sperrenden Engpass von Erpeli, wobei die schwerfälligen russischen Soldaten nicht nur von den kampferprobten und geschickten Kosaken, sondern vor allem auch von den berggewohnten Grusiniern, Mingreliern, Guriern und Chewsuren kräftig unterstützt wurden. Sie gehörten zu den Stämmen, die sich auf die Seite der Russen geschlagen hatten, da sie von ihnen zuvorkommend behandelt worden waren und sich vom Zarenregime wirtschaftliche Vorteile erhofften.
Einige der russischen Offiziere fürchteten weder Tod noch Teufel, darunter auch so mancher, dessen Löwenmut in Wirklichkeit nur der Mut der Verzweiflung war. Es waren solche jungen Männer, die sich freiwillig zur Kaukasusarmee gemeldet hatten, weil sie aus irgendeinem Grund dort den Tod auf dem Schlachtfeld suchten. Zu ihnen gehörte Hauptmann Allbrandt, der unter einer unglücklichen Liebe litt, die von seiner Angebeteten nicht erwidert wurde. Er war geradezu versessen darauf, sich immer wieder zu Selbstmordkommandos zu melden, um seinem Elend ein Ende zu machen. Aber sooft er auch sein Leben aufs Spiel setzte, er kam stets mit heiler Haut davon. Erst in der Schlacht um Gimri traf ihn eine Kugel oberhalb des Herzens, aber zu seinem Pech blieb sie in einer Ikone aus Messing stecken, die er auf der Brust trug. Der verschmähte junge Liebhaber überlebte nicht nur diesen Anschlag, sondern auch viele weitere verwegene Husarenstücke in den langen Jahren des Kaukasuskrieges. Als er schließlich genug Ruhm geerntet hatte, ließ sich seine Geliebte erweichen und wurde seine Frau. Doch damit begann für ihn nur ein neuer Leidensweg, denn das Glück, das er sich von dieser Ehe erträumt hatte, fand er nicht. Das gütige Geschick des Himmels hatte ihn verlassen, nun schmorte er in der Hölle.