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Schamil, sein anderer Freund und früherer Studienkollege, hatte sich damals nicht im Waldgebiet von Tschumkesskent aufgehalten, sondern sich noch vor der Winterpause nach Gimri zurückgezogen. Mit der leidenschaftlich geliebten Fatimat, mit der er jetzt verheiratet war, genoss er dort im tief verschneiten Bergdorf die Flitterwochen.

Wie die meisten kaukasischen Frauen war auch Fatimat schlank und anmutig, und begehrlich beobachtete Schamil sie, wie sie lautlos im Zimmer umherging, ja fast schon zu schweben schien. Er liebte ihre kleinen Füße, die in bestickten Hausschuhen aus rotem Leder steckten, und ihre zarten Gelenke, an denen die Armbänder aus schwerem Silber klirrten, wenn sie ihm Hirsekuchen, Reis und Honig, sein übliches Essen, auftrug. Während er auf den Kissen neben der glühenden Kohlenpfanne lag und die Bernsteinperlen seiner Gebetskette durch die Finger gleiten ließ, entging ihm keine ihrer geschmeidigen Bewegungen. Unter der weiten, geblümten Seidenhose, die fast verdeckt wurde durch ein hemdartiges, in der Hüfte zusammengehaltenes Übergewand mit offenen, wallenden Ärmeln und kunstvoll gearbeiteten Silberschließen, ahnte er ihren Körper, der ihm in der letzten Nacht wie in den vielen Nächten zuvor gehört hatte und zu dem es ihn immer wieder mit neuer Glut hinzog wie in der Hochzeitsnacht. Damals – er lächelte, als er daran dachte – hatte er nach altem Brauch die Knoten des langen Lederriemens gelöst, mit denen ihr Korsett zusammengeschnürt war, ein langwieriger Vorgang, der das fieberhafte Verlangen steigern und die Selbstbeherrschung des Bräutigams beweisen sollte. Diesen Beweis hatte er bestanden – im Gegensatz zu so manchem Liebhaber, der durch Ungeduld und Ungeschick bei seiner Braut und damit auch bei der Dorfgemeinde alle Achtung verloren hatte.

Noch war Schamil nicht an die Macht gekommen, ein junger Mann, dessen angeborene Würde und vornehme Kleidung ihm ein fürstliches Aussehen verliehen. Er trug, wenn er das Haus verließe, die klassische Tracht der Kaukasier, die Tscherkesska, ein weites, in der Hüfte eng anliegende, tunikaartiges Gewand mit Doppelreihen silberner Patronentaschen auf der Brust, und in der rauen Jahreszeit darüber die Burka, einen zottigen Mantel aus schwarzer Ziegenwolle. Die landesübliche schwere Lammfeldmütze ersetzte Schamil erst später, als er zum Imam aufgestiegen war, durch einen riesigen Turban mit roten Quasten, der Kopfbedeckung eines religiösen Führers. Zu den elegantesten Teilen seiner Garderobe gehörten jedoch die geschmeidigen, hauchdünnen Lederschuhe, die wie angegossen um die Fußgelenke saßen.

„Ich liebe deinen langen Zöpfe“, sagte er zärtlich, als Fatimat sich bückte, um den Katzen, die neben Schamil lagen, frisches Wasser hinzustellen, „wie du sie flichtst und mit Gold- und Silbermünzen schmückst. Bei nächster Gelegenheit werde ich dir noch mehr davon bringen und kostbare Seide, Brokat, vielleicht auch einen Zobelpelz.“

„Ich habe alles, was ich brauche“, antwortete sie zufrieden.

„Nun, wir werden sehen.“

Durch ständige, schon zur Gewohnheit gewordene Überfälle auf die Karawanen der Kaufleute, die durch den Darialpass zogen, hatte sich unter den Adelsfamilien im Gebirge ein bescheidener Luxus breitgemacht. An dieser Engstelle zwischen den steil aufragenden Felsen hatte eine Handvoll Kaukasier leichtes Spiel mit einer gut bewaffneten Militärbegleitung. Aus dem Hinterhalt eröffneten sie das Feuer, fielen über die Soldaten her und rieben sie auf, um mit der Beute auf Kamelen und Packeseln in ihre nur schwer zugänglichen Bergdörfer zurückzukehren. Die Waren sowohl aus Tiflis und dem Westen als auch aus den Landstrichen und Ländern im Osten – Brokat und Seide, Tee und Gewürze, Jade und Pelze, Uhren und Porzellan, französische Spitzen und Tulasilber, Schnupftabak und Stoffe aus Manchester – fanden so ihren Weg in die wohlhabenden Auls, auch nach Gimri, solange dort der muridische Entsagungsglaube noch nicht Einzug gehalten hatte.

„Wer weiß, was die Karawanen das nächste Mal mitbringen werden“, dachte Schamil. „Doch was immer es auch sein mag, das Schönste ist für Fatimat bestimmt.“

Zufrieden nickte er ihr zu und sagte dann leise: „Ja, so soll es sein.“

„Was?“

„Für die Mutter meines erstgeborenen Sohnes kann nichts schön genug sein.“

Fatimat schlug die Augen nieder und lächelte leicht verschämt.

Fragend blickte er sie an.

„Ist es vielleicht schon so weit?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Noch nicht, glaube ich. Aber ich hoffe sehr, dir viele Söhne zu gebären.“

„Vor allem den ersten, denn von keiner Frau wünsche ich mir meinen Erben mehr als von dir.“

Wie immer, wenn er ihr seine Liebe zeigte, fühlte sie sich vor Glück wie berauscht und nichts wünschte sie in diesem Augenblick sehnlicher, als ihm, dem Mann, den sie liebte und achtete, den erstgeborenen Sohn zu schenken, der größte Stolz einer orientalischen Frau.

Noch war sie Schamils einzige Ehefrau, aber sie war sich darüber im Klaren, dass sie ihn bald mit anderen teilen musste. Doch keine Frau, das ahnte sie jetzt schon, würde je mehr Einfluss auf ihn haben als der Muridismus. Wenn Schamil auch noch nicht zum Führer der Muriden aufgestiegen war, so wies dennoch schon jetzt alles darauf hin, dass er ein Auserwählter war, in dessen Leben selbst sie niemals so eingreifen konnte, wie Allahs Gebot es tat. Verglichen mit seinem Ziel, den Muridismus zu verbreiten und für die Freiheit des Kaukasus zu kämpfen, kam ihr nur wenig Bedeutung zu, auch wenn er sie anbetete. Sie lernte schon bald, sich selbst und alles Trachten nach persönlichem Glück in den Hintergrund zu drängen. Fatimat war seine Frau, die tagsüber das Haus versorgte und nachts als Geliebte sein Lager mit ihm teilte, und bald, so hoffte sie, würde sie die Mutter seines erstgeborenen Sohnes sein.

„Möchtest du eine Tasse Tee trinken?“, fragte sie ihn.

„Ja, gern, wenn du dich zu mir setzt.“

Sie warf ihm einen liebevollen Blick zu und huschte hinaus.

Zufrieden streichelte er die junge Katze, die ihm auf die Brust krabbelte und sich schnurrend an ihn schmiegte.

Der Löwe vom Kaukasus

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