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„Bei Gott, diese Tataren werden immer unverschämter!“, fluchte Jermolow, als ihm wieder einmal ein Partisanenüberfall gemeldet wurde. „Dagegen hilft nur eins: noch härter, noch rücksichtsloser vorgehen als bisher. Die einheimische Bevölkerung ist auszurotten. Ihre Dörfer müssen dem Erdboden gleichgemacht, ihre Ernten verbrannt, die Obstgärten abgeholzt, die Weinberge zerstampft und ihre Brunnen vergiftet werden. Pardon wird nicht gegeben. Der Feldzug hier im Kaukasus ist so schnell wie möglich zu einem siegreichen Abschluss zu bringen, ohne jede weitere Verzögerung. Dafür stehe ich!“

„Verzeihen Sie, General“, wandte sein Adjutant ein, „wir tun doch schon seit langem, was in unseren Kräften steht, und dennoch kommen wir kaum einen Schritt weiter.“

„Dann müssen wir eben noch mehr tun!“, polterte Jermolow. „Ich habe es dem Zaren versprochen, und als Soldat stehe ich zu meinem Wort.“

Mit schweren Schritten stampfte er im Arbeitszimmer seiner Residenz in Kuba hin und her, ein Hüne, mit Haut und Haar ein Russe, den seine Soldaten ebenso fürchteten wie anbeteten und den sie liebevoll „Väterchen“ nannten, so wie er sie wie seine eigenen Kinder väterlich ins Herz geschlossen hatte und sich gern zu ihnen ans Lagerfeuer setzte, um mit ihnen saure Kohlsuppe zu essen. Mit seiner Riesengestalt, seiner Donnerstimme und einem Temperament, das manchmal mit der Urgewalt eines Vulkans ausbrach, erschien er dem einfachen Volk, dem Muschik vom Lande, als einer der leibhaftig gewordenen mythischen Helden der russischen Legende, der Giganten auf ungeheuren Pferden, die aus Steppen und Sümpfen wie der Sturmwind herangebraust waren und ruhmreiche Schlachten geschlagen hatten, mit Waffen, die wie Blitze vom Himmel herab Tod und Verderben säten, und Stimmen, die wie ein Beben die Erde erzittern ließen.

Unvermittelt hielt Jermolow inne. Die Erwähnung des Zaren erinnerte ihn an ein Gespräch in St. Petersburg. Damals hatte ihn Alexander I. gefragt, was er sich als Lohn für seine Dienste wünsche, und er hatte dem Kaiser scharfzüngig geantwortet:

„Als Deutscher geboren zu sein, denn dann kann ich alles haben, wonach mich gelüstet.“

Das war ein Hieb gegen die fremden Hofschranzen und scheelsüchtigen Militärs in der Umgebung des Zaren gewesen, die ihm seine Ernennung zum Oberbefehlshaber im Kaukasus und zum außerordentlichen Gesandten am persischen Hof des Schahs Fatih Ali neideten und sogar als persönliche Beleidigung empfanden. Ein Schlag mit der Pranke genügte, und das Geschmeiß duckte sich.

„Worauf ich hinweisen wollte, General“, unterbrach ihn der Adjutant in seiner Rückschau, „ist die Tatsache, dass die Kaukasier schon immer ein kriegerisches Volk waren, die mit gleicher Wut und Verbissenheit gegeneinander gekämpft haben wie gegen ihre äußeren Feinde. Und wer hat nicht schon alles im Laufe der Jahrhunderte versucht, hier festen Fuß zu fassen! Ein eroberungslüsterner Feind nach dem anderen hat in den Bergstämmen unerbittliche Gegner gefunden, die vor nichts zurückschreckten. Die römischen Legionen haben sich ebenso blutige Köpfe geholt wie die Araber, wie Attila, Dschingis Khan, Tamerlan und die Perser. Wissen Sie übrigens, wie der Kaukasus bei den Persern heißt? ‚Alexanders Schranke´ nennen sie ihn, denn als ihr mächtiger Eroberer Alexander ausgezogen war, um sich die ganze Welt zu unterwerfen, da stieß er hier auf das erste Hindernis bei seinem Siegeslauf. Seitdem hält man in Persien immer noch hartnäckig an der Ansicht fest, der Kaukasus sei unüberwindlich, besonders der östliche Teil, die Bergwelt Dagestans. ‚Wenn ein Schah ein Narr ist, greift er Dagestan an.´ Kennen Sie diese persische Redensart, General?“

„Die Perser sind feige Hunde“, knurrte Jermolow verächtlich. „Ich kenne sie durch und durch. List und Brutalität sind ihre Waffen, doch richtet man die gleichen Waffen gegen sie, dann ziehen sie den Schwanz ein.“

Der Oberbefehlshaber der russischen Südarmee machte wieder ein paar Schritte hin und her und blieb dann vor dem Adjutanten stehen. „Mich jedenfalls haben die persischen Machthaber nie eingeschüchtert, sosehr sie das auch versucht haben. Übrigens habe ich Ihnen schon die Geschichte mit den Strümpfen erzählt?“

„Mit welchen Strümpfen?“

Jermolow lachte schallend. „Nun, nach persischer Etikette müssen die Gesandten in Gegenwart des Schahs rote Strümpfe tragen, scharlachrote Strümpfe, stellen Sie sich das vor, und dazu auch noch während der Audienz stehen bleiben. Die Engländer fügten sich wie brave Lämmer, sie tun überhaupt alles, was man von ihnen verlangt. Aber ich als Abgesandter des Zaren habe mich geweigert, die Stiefel auszuziehen und die langen, scharlachroten Strümpfe überzustreifen. Einfach lächerlich! Hätte ich darin nicht ausgesehen wie die Missgeburt eines Storches?“

Jetzt konnte auch der Adjutant sein Lachen nicht mehr zurückhalten, zumal der schwergewichtige General wie mit Storchenbeinen vor ihm auf der Stelle stakte.

„Und haben das die Perser hingenommen?“, fragte er neugierig.

„Sie mussten, auch wenn sie mich nun verstärkt bedrängten und mir die Franzosen als Vorbild hinstellten. General Gardanne, so erklärten sie mir, habe auch keine Einwände gegen die roten Strümpfe erhoben. ‚Was gehen mich die Franzosen an?´, schnaubte ich. ‚Nach der roten Mütze der Freiheit nun die roten Strümpfe der Abhängigkeit! Mit mir nicht, meine Herren!´ Und ehe sie noch ein weiteres Wort hervorbringen konnten, stapfte ich hochgestiefelt auf den Pfauenthron zu und ließ mich mit der ganzen Fülle meines Leibes neben dem verblüfften Schah-in-Schah nieder.“

„Und weiter?“

„Was weiter? Sonst nichts, sie kuschten. Was sollten sie auch tun? ‚Ich bin ein Nachkomme Dschingis Khans´, sagte ich ihnen, was auf den Schah besonders großen Eindruck machte, und Sie können sich wohl denken, dass ich ihm nie auch nur einen Augenblick gestattet habe, das zu vergessen oder gar zu bezweifeln. Wenn ich sprach, schienen die Perser nicht nur meine Stimme zu vernehmen, sondern die von hunderttausend Mann. In allem, was ich dort am Hof des Schahs tat, verließ ich mich auf meine Raubtierschnauze, meinen riesigen, schreckenerregenden Körper und meine unbegrenzt laute Stimme. Sie waren davon überzeugt, dass jemand, der so markerschütternd brüllen kann, wohl guten Grund haben müsse, Gehorsam zu verlangen.“

Jermolow schwelgte in Erinnerungen. Doch plötzlich verhärteten sich seine Züge, als er dem Adjutanten riet:

„Kommen Sie mir also nicht wieder mit Ihrer Unüberwindlichkeit des Kaukasus, mit ‚Alexan ders Schranke´ oder wie Sie sich ausgedrückt haben. Alles Unsinn! Was anderen nicht gelungen ist, wir schaffen es. Wir zwingen diese Banditen in die Knie, und zwar mit allen Mitteln.“

„Aber die Kaukasier sind Meister der Partisanentaktik. Die steilen Bergschluchten und undurchdringlichen Wälder sind ihre besten Verbündeten. Wir dagegen mit unseren schwerfälligen Armeen sind gewohnt, in der Ebene zu kämpfen, nicht im unzugänglichen Gebirge.“

„Dann müssen wir es lernen! Kann man den Feind nicht in einer einzigen großen Schlacht schlagen, dann in vielen kleinen Kämpfen. Vor allem aber müssen wir hart sein, ohne Gnade. Wer mir seine Hilfe verweigert und sich gegen mich stellt, den ertränke ich im eigenen Blut. Nur mit Gewalt und Grausamkeit kann man sich bei den Asiaten Respekt verschaffen, das weiß ich aus Erfahrung. Als sich der Zar einmal über meine Kampfmethoden empörte, natürlich nur weil er die Lage hier vor Ort nicht aus persönlicher Anschauung kennt, da habe ich ihm geantwortet: ‚Ich will, dass die Angst vor meinem Namen unsere Grenzen verlässlicher beschützt als Ketten oder Festungen.´ Wenn ich so grausam wüte, dann nur allein aus Treue zum Zaren und aus Liebe zu meinem Vaterland. Und deshalb werden wir fortfahren, Ladestöcke durch die Ohren der Gefangenen zu treiben, die Frauen aus den Dörfern, die uns Widerstand leisten, öffentlich zu versteigern und rücksichtslos gegen diese Gebirgsbanditen vorzugehen. Wenn wir so brutal handeln, dann nur weil wir müssen. Leutseligkeit ist für Asiaten ein Zeichen der Schwäche. Ich bin unerbittlich streng aus Gründen der Humanität. Die Hinrichtung eines Tataren rettet Hunderten von Russen das Leben. Mögen mich die Kaukasier auch den Moskauer Schaitan, den moskowitischen Teufel nennen, für mich ist das keine Schmach, sondern eine Auszeichnung. Denn ich kämpfe nicht aus persönlichem Ehrgeiz, sondern einzig und allein für Russland!“

Davon war der Adjutant überzeugt, auch wenn ihm zu Ohren gekommen war, die Feinde Jermolows am Hof zu Sankt Petersburg beschuldigten ihn, er wolle im Kaukasus seine eigene Fahne hissen und, gestützt auf die Armee, dem Zaren die Stirn bieten. Nein, das war nichts als böswillige Verleumdung von Neidern und Intriganten, er kannte seinen General besser.

In diesem Augenblick klopfte es an der Tür.

„Ja?“, rief Jermolow.

Der wachhabende Offizier trat ein. „Der Fürst ist angekommen“, meldete er dem General.

„Ich lasse bitten.“

Mit ausgebreiteten Armen ging Jermolow dem eintretenden Aslan Khan, dem Fürsten der Kasikumuchen, entgegen:

„Willkommen, Fürst! Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise.“

„Solange ein Kaukasier im Sattel sitzt, ist ihm jede Reise angenehm“, erwiderte er mit breitem Lächeln.

„Nehmen Sie Platz, Fürst, wo Sie wollen. Ich habe ein ernstes Problem mit Ihnen zu besprechen.“

„Das habe ich mir gedacht, General, sonst hätten Sie mich nicht rufen lassen.“

„Sie kennen das Problem bereits: die ständigen Hetzereien dieses wild gewordenen Fanatikers.“

„Es gibt hier zurzeit viele Fanatiker, wie Sie sich auszudrücken belieben“, bemerkte Aslan Khan vorsichtig. „Welchen meinen Sie? Kasi Mullah oder -?“

„Nein, weder den einen noch den anderen, das sind nur Leute im zweiten Glied, Schüler, die einfach nachplappern, was ihnen ihr Lehrer eingebläut hat. Wissen Sie jetzt, um wen es geht?“

„Natürlich“, antwortete der Stammesfürst und tat so, als habe ihn der General erst jetzt auf die richtige Fährte geführt. „Sie meinen Mullah Mahommed.“

„Genau den und keinen anderen!“, bestätigte Jermolow gereizt. Schon der bloße Name brachte ihn in Erregung. „Ich bin seine ewigen Hetzereien satt! Wenn er nicht endlich damit aufhört, dann lasse ich ihm das Maul stopfen, und zwar für immer!“

„Er ist Religionswissenschaftler, ein Prediger, der berühmteste Mullah des Muridismus, der die neu erweckte Lehre verkündet. Aus dem ganzen Kaukasus kommen die Stämme nach Jaragl und drängen sich in seine Moschee.“

„Das ist es ja, was ihn so gefährlich macht. Von Jaragl aus dringen seine Hetzparolen bis in jedes Bergnest vor, denn was er den Tataren in seiner Moschee vorschwätzt, das glauben sie. Und was noch schlimmer ist, sie handeln auch danach.“

„Tataren?“ Aslan Khan hob die Brauen. „Wir sind Tschetschenen und Tscherkessen, Lesgier und Chewsuren, Mingrelier und Awaren, Darghiner und -“

„Genug, Fürst, genug!“, unterbrach ihn Jermolow ungeduldig. „Für uns sind alle Stämme hier im Kaukasus Tataren. Wie soll sich sonst ein Mensch in diesem Völkerwirrwarr zurechtfinden. Tataren, verstanden? Alles nur Tataren, einer schlimmer als der andere, aber der gefährlichste von allen ist dieser Mullah Mahommed, der mit seiner sogenannten neuen Lehre die Muslime gegen die Christen aufwiegelt.“

„Der Muridismus ist eine alte Lehre, die sich im Grundsätzlichen mit dem Sufismus, der mythischen Frömmigkeit im Islam, deckt“, erklärte Aslan Khan dem russischen Oberbefehlshaber beschwichtigend. „Wie es heißt, sollen die arabischen Eroberer des achten Jahrhunderts die Sufi-Lehren als Erste in den Kaukasus gebracht haben, um die Kluft zwischen Mensch und Gott zu überwinden. Der Sufi begibt sich auf den Weg, alles zu überwinden, was ihn von Gott trennt, die Liebe zu Gott muss die Selbstsucht in ihm verdrängen, so dass er durch absolutes Gottvertrauen im Augenblick der Ekstase sein Ziel erreicht. Armut und Askese kennzeichnen die Lebenshaltung der Sufis, unter denen sich besonders Systeme zur stufenweisen Herbeiführung der Ekstase und zur mystischen Vereinigung entwickelten. Aus dem Sufismus ging dann in Dagestan die religiös-politische Bewegung des Muridismus hervor. Doch im Laufe der Zeit verlor der Muridismus so viel von seiner Macht, dass er schließlich im Volk schon fast vergessen war. Bis dann gegen Ende des vorigen Jahrhunderts Ismael Effendi von Schirwan die Lehre mit ihren verschiedenen Stufen wieder aufleben ließ.“

„Was reden Sie mir da dauernd vom Muridismus vor?“, warf ihm Jermolow ungehalten vor. „Wollen Sie mich bekehren?“

„Aber, General, ich wollte Ihnen nur klarmachen, dass der Muridismus…“

„Sagen Sie nur noch, Fürst, dass Sie jetzt auch ein Muride geworden sind. Stimmt’s?“

„Ich bitte Sie! Ich bin Muslim, aber kein Muride. Säße ich sonst hier so frei vor Ihnen?“

„Ein Glück für Sie! Sonst müsste ich Sie als Feind bekämpfen wie jeden Anhänger dieser radikalpolitischen, militanten Sekte.“

„Gerade das wollte ich Ihnen ja klarmachen, General.“

„Was?“

„Dass der Muridismus ursprünglich nicht kriegerisch war. Im Gegenteil: Wer darin die höchste Stufe erreicht hat, der hat alle menschlichen Fesseln verloren. Für ihn gibt es weder Zweifel noch Furcht, weder Gut noch Böse, denn er ist selber ein Teil des göttlichen Geistes. Er kennt keinen Unterschied mehr zwischen Rassen und Konfessionen. Wer nicht anerkennt, dass es unwesentlich ist, Muslim oder Christ zu sein, der hat die Wahrheit nicht erlangt und kennt nicht das Wesen des Seins. So lautet die Lehre.“

„Nichts als Schwärmerei und Geschwätz, um uns Sand in die Augen zu streuen. Damit hat schon dieser Ismael Effendi die wahren Absichten zu verschleiern versucht. Aber zum Glück haben wir rechtzeitig erkannt, wie rasch sich der Muridismus im Volk verbreitete und zu einer gefährlichen religiös-politischen Bewegung auswuchs, zu einer Drohung vor allem gegen uns Russen.“

„Was ist denn den Russen damals Schlimmes zugestoßen?“

„Wenn wir nicht schnell genug gehandelt hätten, wäre eine ganze Menge passiert. Nur weil wir diesen Ismael Effendi in die Türkei verbannt, seine Bewegung aufgelöst und einige von den Nahibs und Murschiden, ihren Führern, nach Sibirien verschickt haben, ist es ruhig geblieben. Eine ganze Weile lang sprach kein Mensch mehr vom Muridismus. Er war tot und begraben. So schien es jedenfalls, bis jetzt wieder dieser Mullah in Jaragl unter dem Vorwand des Religionskampfes den angeblich so friedfertigen Muridismus dazu missbraucht, die Stämme gegen uns zum sogenannten heiligen Krieg aufzustacheln. Nein, Fürst, der Muridismus ist eine wohlberechnete Verbindung von Mystizismus und absolutem Machtanspruch, und für uns Russen gilt er als Synonym für Widerstand. Und genau wie damals meine Vorgänger, so werde auch ich jetzt eingreifen, bevor sich das Feuer in Jaragl zu einem Flächenbrand ausbreitet, der nicht mehr zu löschen ist.“

„Haben Sie mich deswegen kommen lassen, General?“, fragte Aslan Khan mit lauerndem Blick.

„Erraten, Fürst! Suchen Sie diesen fanatischen Mullah auf und warnen Sie ihn eindringlich, künftig seine Zunge im Zaum zu halten. Sollte er jedoch fortfahren, ganz Dagestan zum Aufruhr gegen uns aufzuhetzen, so werde ich schon Mittel und Wege finden, ihm das Maul zu stopfen. Ist das klar?“

„Klar schon, General, aber ob er auch auf mich hören wird, kann ich natürlich nicht versprechen.“

„Sie sind einer von denen hier, ein Mann aus dem Kaukasus – und dazu noch ein Fürst, ein Mann, der was zu sagen hat. Machen Sie Mullah Mahommed klar, dass nicht nur Ihre Leute hinter Ihnen stehen, sondern auch die gesamte russische Armee. Drohen Sie ihm, wenn er sich widerspenstig zeigt, und lassen Sie ihn Ihre ganze Macht spüren!“

Das lange Gespräch, das Aslan Khan kurz darauf mit Mullah Mahommed führte, verlief ganz anders, als General Jermolow sich erhofft und der Fürst der Kasikumuchen sich vorgestellt hatte. Nichts vermochte den ungestümen und von der Richtigkeit seiner Sendung überzeugten Muriden abzubringen, weder Warnungen noch Drohungen: Der Mullah blieb unbeirrt und überredete sogar den russenfreundlichen Fürsten, die Bewegung zur Erneuerung des Glaubens und zur Befreiung des Kaukasus von den fremden Eroberern nicht zu behindern.

„Erst jüngst hatte ich einen denkwürdigen Traum“, erzählte Mahommed. „Ich sah fremde Krieger mit langen Haaren wie die Russen einen Garten zerstören und die Feigenbäume und Blumen ausreißen. Als die Gläubigen diesen Frevel sahen, packte sie der Zorn. Sie stürzten aus der Moschee und erschlugen die Fremden mit den Steinen des Gotteshauses. Während ich gerade entsetzt feststellte, dass die Moschee zerstört war, blendete mich ein Lichtschein, und eine Stimme sprach: ‚O, du Kleingläubiger! Kann Allah sein Haus nicht wiederaufbauen, wann er will? Ist es nicht besser, die Gläubigen erschlügen die Krieger der Ungläubigen, als dass sie Schaden nähmen an ihrer Seele? Was eifert ihr Toren um euren Glauben, weshalb spaltet ihr meine Anhänger in Schiiten und Sunniten? Warum zerfleischt ihr euch um meines Glaubens willen? Höre, denn so spricht zu dir der Gottgesandte: Einigt euch und zerschlagt die Häupter der Ungläubigen, die in euer Land einfallen! Dies ist Allahs Wille und sollte auch dabei sein Haus einstürzen. Dereinst wird es wiedererstehen in noch größerer Herrlichkeit!´“

Diese Worte des Mullahs verfehlten ihre Wirkung nicht, denn Aslan Khan, obwohl ein Russenfreund, war ein gläubiger Muslim.

„Nun?“, fragte ihn Jermolow, als Aslan Khan nach seiner Unterredung ins russische Hauptquartier zurückkehrte. „Hört er jetzt endlich auf, gegen uns zu hetzen und zu wühlen?“

„Alles in bester Ordnung, General“, versicherte der Fürst und berichtete dem russischen Oberbefehlshaber, er habe die Gemüter besänftigt. Obwohl sich Aslan Khan nach außen hin weiter russenfreundlich gab, sympathisierte er heimlich schon mit den Muriden. Er wagte damit einen gefährlichen Seiltanz.

Jermolow schöpfte keinen Verdacht. Denn als die ständigen Hetzereien und Unruhen nicht aufhörten, ließ er Mullah Mahommed nicht durch verlässliche Kosaken seiner Armee verhaften, sondern durch Aslan Khan. Unterwegs entkam der Muride und floh ins Bergland von Tabassaran, wo er in den Dörfern weiterhin in seinen Predigten die Kaukasier zum Widerstand gegen die Ungläubigen aufrief.

Der Löwe vom Kaukasus

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