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Biographische Realisierungen

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Newmans Sicht der Religion Englands bleibt nicht in einer distanzierten soziologischen oder religionswissenschaftlichen Beobachterperspektive. Von realer Zustimmung, die eben auch in der „Leutereligion“ möglich ist, lässt sich adäquat nur aus einer Teilnehmerperspektive sprechen. So legt sich dem Historiker nahe, nach dem Ort Newmans früher Begegnung mit der Religion Englands zu suchen. Vermutlich ist dies das Haus seiner Großmutter Elisabeth Good-Newman in Fulham. Dort verbrachte er frühe Kindheitsjahre und Ferien. Dort bekam er die Bibel und den Katechismus in die Hand. „Was immer an Gutem in mir ist, schulde ich, nächst der Gnade, der Zeit, die ich in jenem Hause … verbracht habe. Ich vergesse nicht ihre (der Großmutter H.P.S.) Bibel und die Bilder darin“ (AM II, 448). Hier also wird Newman mit der Religion der Engländer und deshalb auch mit „Providenz“ vertraut. Wie eine Bestätigung dieser Annahme liest sich ein Segenswunsch der Großmutter an ihren Enkel: „dass der allmächtige Gott mit dir sein möge, wie er mit Josef (von Ägypten) war“ (LD I, 19). Die biblische Josefserzählung ist ja bekanntlich eine Geschichte göttlicher Führungen und Fügungen in einem Leben voller Anschläge und Intrigen.5

Eine einmalige Entscheidung genügt allerdings nicht, um die begriffliche Zustimmung zu der Lehre von der Providenz in eine reale Zustimmung zu überführen. Die Realisierung solcher Glaubenssätze muss in der Lebensgeschichte in immer neuen Schüben und in unterschiedlichen Situationen geschehen, wie auch die Dogmen in der Lebensgeschichte je neuer Realisation bedürfen (DP III, 127–142). So reklamiert die Rede von der Providenz Gottes Gegenwart im Leben. Der religiöse Mensch hat das Walten der Providenz in seinem Leben jeweils zu realisieren (DP IX, 380–385). Eine besondere Art, die reale Zustimmung zu der in seiner Lebensgeschichte wirkenden Providenz zu vollziehen, ist Newmans autobiographisches Werk. Im Schreiben seiner Tagebücher und autobiographischen „Bekenntnisse“ realisiert er existentiell, nicht nur theoretisch, die in seinem Leben tragenden Providenzerfahrungen: Dogma im Lebensvollzug. Die Predigt von 1837 zum Thema „Gottes Führung im Rückblick auf unser Leben“ (DP IV, 289) ist vor diesem Hintergrund zu lesen. Newman kann im Rückblick auf sein Leben die religiösen Impulse, die er bekam, die theologischen Herausforderungen an sein Denken, Wahrnehmen und Handeln, die umwerfenden Zumutungen an seine Lebenskonzeptionen als providentiell „realisieren“.

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