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SCHLÜSSELERLEBNIS

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Wenn man mich heute fragt, ab wann ich wusste, dass ich das Zeug habe, auf internationalem Niveau ganz vorne mitzufahren, dann fällt mir sofort ein Europacuprennen im slowenischen Rogla im Februar 1992 ein.

Dieser Europacupslalom war eines der letzten Rennen vor den Olympischen Spielen 1992 in Albertville und deshalb ziemlich gut besetzt. Da waren viele Weltcupfahrerinnen wie Martina Ertl am Start, die ein paar Tage später bei Olympia um die Medaillen fahren sollten. Martina, die zwei Jahre älter als ich war, hatte ihr Debüt im Weltcup im Jahr zuvor gefeiert. So wie ich hatte sie das sportliche Skifahren als Kind im SC Lenggries begonnen. Wegen des Altersunterschieds sind wir aber in der Jugend nie groß gegeneinander oder miteinander im Team gefahren. Mittlerweile gehörte sie längst fest zum deutschen Weltcupteam und sollte bei ihrem Olympiadebüt im Slalom Fünfzehnte werden. Für die Olympiateilnehmerinnen war so ein Europacuprennen gerade richtig, um noch mal Praxis zu sammeln. Ich hingegen war gerade 16 und hatte unheimlich viel Respekt vor den ganzen Stars.

Beim Skifahren ist es ja so, dass die Startnummer etwas über dein bisheriges Können aussagt. Je niedriger, desto besser. Das ist gerade im Slalom ganz wichtig, denn die mit den niedrigen Startnummern haben vor allem im ersten Durchgang die beste Piste. Ich hatte in Rogla die Startnummer 64, was relativ viel über meinen Status aussagte. 64 bedeutete, dass schon 63 andere Läuferinnen ihre Spuren in die immer schlechter werdende Piste gegraben hatten, bevor ich überhaupt starten durfte. Da hat es sich nicht unbedingt angedeutet, dass ich unter die ersten 10 fahren kann.

Dass ich dann Dritte in diesem Europacuprennen wurde und sogar besser fuhr als die, die in Albertville um Medaillen kämpften, war der absolute Wahnsinn. Wenn ich zu der Zeit unter die ersten 20 oder 25 gekommen wäre, hätte man schon gesagt: »Boah, spitze, Hilde.«

Als ich meinen Eltern das am Telefon erzählt habe, konnten die damit erst mal gar nichts anfangen. Ich habe das immer genossen, dass sich meine Eltern mit meinem Sport nicht auskennen. Das war mein Bereich. Sie hatten ihre Hütte, ihre Küche, ihre Wirtschaft, ihre Leute. Ich hatte meine Freiheit. Das mit dem Skifahren war ganz mein Ding, wo mir keiner reingeredet hat.

Als mich dann der Papa mitten in der Nacht mit dem Ski-Doo auf die Hütte gekarrt hat, waren noch andere Gäste da, die auf einer Nachbarhütte geschlafen haben. Das waren alte Bekannte meiner Eltern. Die haben extra gewartet, bis ich kam, weil sie gehört hatten, dass ich Dritte in einem Europacuprennen geworden bin. Das hat ihnen dann schon was gesagt, denn der Europacup ist ja das, was unter dem Weltcup ist. Beim Fußball würde man sagen: zweite Liga.

Zuerst war ich überfordert, als diese Bekannten mich bejubelt haben, aber dann habe ich mich total gefreut. Die hatten mich schon als kleines Kind gekannt und meinen Werdegang miterlebt und haben dann sofort verstanden, dass dieser Moment etwas ganz Besonderes für mich ist. Irgendwie hat das alles zusammengepasst und mir bei der Entscheidung, mit dem Rennsport weiterzumachen, enorm geholfen.

Im Sommer stand für mich dann die Mittlere Reife und damit das Ende meiner Schulzeit an. Mir war immer klar, dass das Schulende der Einstieg ins Berufsleben ist. Doch wofür sollte ich mich nun entscheiden? Gehe ich in einen Beruf? Wenn ja, in welchen? Oder entscheide ich mich gleich für eine Behörde, wo ich den Sport weitermachen kann? Oder soll ich vielleicht eine Ausbildung machen?

Mir gingen damals tausend Dinge durch den Kopf. Das Einzige, was ich wirklich sicher wusste, war, dass ich etwas machen will, das ich mit dem Sport verbinden kann. Der dritte Platz in Rogla war ein Schlüsselerlebnis für mich. An dem Tag habe ich mir gesagt: »Mensch, Hilde, du bist jetzt bei den richtig Guten dabei!«

Der Slalom meines Lebens

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