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NICHT NUR ROMANTISCH

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Als ich im Oktober 1975 in Bad Tölz zur Welt kam, war mir meine Skikarriere quasi schon in die Wiege gelegt. Auch wenn mein Papa allen Leuten erst mal erzählt hat, dass er jetzt eine neue Bedienung habe. Die waren alle erstaunt, dass er sich im Herbst, zum Ende des Sommers, noch eine neue Servicekraft holte. Es war seine Art, den Leuten zu sagen, dass er jetzt eine Tochter hat.

Meine Eltern bewirtschafteten zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr die Tölzer Hütte im Brauneck-Skigebiet bei Lenggries. Diese Hütte liegt auf einer Ebene unterhalb der Brauneckbahn. Das Skigebiet ist im Winter sehr beliebt und gilt als Münchner »Hausberg«. Mit dem Auto fährt man kaum mehr als eine Stunde von dort. Mit ihrer Lage auf einer Höhe von 1495 Metern war die Hütte jeden Winter komplett eingeschneit. Und das ist wörtlich gemeint, denn in den 70er-Jahren hatte es noch viel mehr Schnee als heute.

Das klingt jetzt erst mal sehr romantisch. So einige Herausforderungen hat das allerdings schon mit sich gebracht. Im Winter konnte man sich da oben zum Beispiel nur mit dem Ski-Doo, also dem Motorschlitten, bewegen. Oder eben auf Ski. Im Sommer gab es Wirtschaftswege, die mein Papa mit dem Geländewagen befahren konnte.

Um uns herum waren damals noch mehrere andere bewirtschaftete Hütten. Die Stie-Alm, die Quengeralm und ein bisschen weiter unten die Bayernhütte. Mein Papa Stefan hatte dort schon während seiner Jugend oft ausgeholfen. Später war er dann erst mal Fern- und Busfahrer. Meine Mama Hilde hatte am Tegernsee gearbeitet und wollte was anderes machen. Über das Arbeitsamt ist sie dann als Bedienung auf die Bayernhütte gekommen. Viele wollten nicht auf den Berg, doch ihr hat das nichts ausgemacht. Dabei kommt sie eigentlich aus Landau an der Isar, wo es eher flach ist.

Das mit der Bayernhütte war tatsächlich eine auch für mich wichtige Entscheidung – denn dort hat sie dann meinen Papa getroffen. Der war damals der Hausmeister.

Die beiden sind dann wenig später an den Tegernsee gezogen, wo mein Papa für ein Busunternehmen Reisen gefahren hat, während die Mama als Haushälterin tätig war. Als die Tölzer Hütte 1974 dann zur Pacht ausgeschrieben wurde, bekamen meine Eltern den Zuschlag: Im November 1974 ging es los.

Man darf sich die Tölzer Hütte jetzt nicht als kleine Skihütte vorstellen, in der vier oder sechs Leute drinsitzen und verträumt in den Schnee schauen. Unter dem Begriff Berggasthaus hat man da schon eher das Richtige vor Augen.

Es war ein relativ großes Gebäude mit einer Küche. Der Hauptbereich mit der Gaststube war unten, im hinteren Teil ging es zu den Toiletten. Das war unten alles eher massiv. Der obere Teil war komplett aus Holz. Da ist man über eine Holzstiege rauf zu den Schlafräumen. Dort war auch Platz für ein paar Übernachtungsgäste. Hinter einer Tür waren dann unsere Privaträume. Im vorderen Bereich waren das Wohnzimmer und das Schlafzimmer unserer Eltern. Dahinter habe ich mir mit meinem zwei Jahre jüngeren Bruder Stefan ein Zimmer geteilt. Der heißt übrigens nach dem Papa, während ich wie meine Mama, eben Hilde, heiße. So macht man das halt oft in den Bergen.

Das Leben auf dem Berg war eigentlich immer gleich. Wenn die Bergbahnen um acht aufgemacht haben, kamen unsere Aushilfen rauf. Meine Mama stand dann den ganzen Tag in der Küche und hat gekocht. Das war Wahnsinn. Die konnte weder Ski noch Ski-Doo fahren und ist im Winter oft vier Monate nicht vom Berg gekommen. Der Papa stand hinterm Tresen, hat das Bier ausgeschenkt, die Bestellungen aufgenommen und nach hinten geschrien. Schweinsbraten, Schnitzel und Kaiserschmarrn waren besonders beliebt. Und bis die Mama und die Küchenhilfen das Essen hergerichtet hatten, hat der Papa abkassiert. Wir Kinder haben Getränke nachgereicht. Apfelschorle und Wasser durften wir übernehmen und den Leuten hinstellen. Und wenn das Essen mal länger gedauert hat, dann haben wir uns sagen lassen, wo die Gäste sitzen, und haben es ihnen gebracht. Das war jeden Tag der gleiche Ablauf. Im Sommer waren das die Leute, die wandern, im Winter halt die, die Ski fahren.

Der Betrieb ging um elf los und bis dahin musste auf jeden Fall das Essen fertig sein. So ein Schweinsbraten, der braucht ja ein paar Stunden im Rohr. Das ging dann bis gegen 15 Uhr und dann begann das Geschäft mit Kaffee und Kuchen. Und um kurz nach vier war Schluss, denn um 16:30 Uhr fuhr die letzte Bergbahn, im Sommer erst um 17 Uhr.

Wenn die Gäste weg waren, war man froh, dass der Trubel rum war. Aber die Arbeit war noch lange nicht fertig. Dann begann das Zusammenräumen und Putzen. Das Problem war, dass unsere Aushilfen halt auch mit der letzten Bergbahn runtermussten. Da blieb dann viel Arbeit für uns liegen. Die Toiletten und die Gaststube mussten geputzt werden. Da war die Mama oft noch bis um halb acht abends beschäftigt. Später, als wir größer waren, haben wir dann geholfen, wo wir konnten, damit die Mama auch mal eine Pause bekommt und mit uns in Ruhe essen kann. Das war dann unsere Familienzeit am Abend. Ein gemeinsames Mittagessen haben wir nie gehabt. Da war immer Vollbetrieb.

Überhaupt ist so ein Leben auf einer Hütte am Berg nicht so idyllisch, wie man sich das vielleicht vorstellt. Warmes Wasser war für uns keine Selbstverständlichkeit. Das kam von einer Quelle in die Hütte rein. Wenn jetzt unterm Tag schon so viel Wasser für die Gäste oder beim Kochen verbraucht worden war, dann haben wir erst mal für unser Essen keins mehr gehabt, geschweige denn zum Duschen.

Dann hat man gewartet, bis etwas nachgelaufen ist, und dann hieß es: »Ihr habt fünf Minuten Zeit zum Duschen.«

Es war halt einfach anders. Nicht so wie unten im Tal, wo man unermesslich viel Wasser zur Verfügung hat. Außerdem haben wir unseren Wohnbereich oben gehabt und die Dusche war unten im Toilettenbereich. Da musste man immer über die kalte Stiege. Das war grauslich. Wenn wir ins Bad wollten, mussten wir zudem noch durch das Schlafzimmer meiner Eltern.

Aber irgendwie war das kein Problem. Es war klein, wir waren auf sehr engem Raum, aber wir hatten immer uns.

Der Slalom meines Lebens

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