Читать книгу Der Slalom meines Lebens - Hilde Gerg - Страница 17
ANSAGE IN ÅRE
ОглавлениеDamit war aber meine Weltcupsaison 1993 noch nicht zu Ende.
Weil ich im Europacup in der Slalomwertung unter den besten drei lag, war ich für das Weltcupfinale in Åre in Schweden qualifiziert. Das war irre aufregend, weil ich das erste Mal in meinem Leben geflogen bin. Ich war komplett unerfahren und das Küken im Team. Deshalb ist einer unserer Ärzte schließlich mit mir geflogen, hat mich an die Hand genommen und sicher nach Åre gebracht, wo die anderen alle schon längst waren.
Ein Weltcupfinale ist so ein bisschen wie eine Weltmeisterschaft. Da werden in allen Disziplinen Rennen bei Männern und Frauen gefahren und das dauert fast eine ganze Woche. Plötzlich stand ich da mittendrin zwischen den ganzen Weltcupfahrerinnen und -fahrern, die ich sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Das war noch mal eine andere Nummer als in Cortina, wo ich spät zur Mannschaft gestoßen bin und alle nur ganz kurz gesehen habe.
So ein Weltcupfinale ist natürlich auch dahingehend etwas Besonderes, weil da nur die Besten der Besten dabei sind. Da fahren nur 25 Sportler mit, die über den Weltcup qualifiziert sind, plus 3 aus dem Europacup. Am Ende sind da maximal 30 Athletinnen am Start, sodass selbst ich diesmal eine ganz frühe Startnummer hatte. Nicht wieder eine jenseits der 60. Das macht eine Menge aus für die Piste.
Aus deutscher Sicht war es vor allem deshalb spannend, weil die Katja Seizinger in dem Jahr um den Gesamtweltcup gekämpft hat. Der Gesamtweltcup belegt, dass man über das gesamte Jahr der oder die Beste war. Katja war mit der Anita Wachter aus Österreich fast gleichauf und am Ende ging es um ganz wenige Punkte. Da kann dann ein Rang besser oder schlechter den entscheidenden Unterschied machen. Denn nur die ersten 15 eines jeden Rennens bekommen überhaupt Punkte.
Nach dem ersten Durchgang liege ich genau zwischen den beiden, die Katja hinter, die Anita vor mir. Das ist aus deutscher Sicht ganz schlecht für das Rennen um den Gesamtweltcup. Beim Besichtigen vor dem zweiten Lauf bekomme ich dann die Ansage, dass es besser wäre, auszuscheiden, falls ich merken sollte, dass ich keinen idealen Lauf habe. Ich solle mich keinesfalls zwischen Anita und Katja platzieren, falls die Österreicherin vorne ist. Am besten wäre es aber, ich würde mich vor sie schieben, weil ich die Anita damit ja einen Platz zurückfahre und sie dann weniger Punkte sammeln kann.
Das kommt in dem Moment schon etwas überraschend. So was hatte ich bislang noch nicht erlebt. Ich bin ja gerade erst 17 Jahre alt.
Da ich im zweiten Durchgang dann als eine der Ersten starten muss, kann ich überhaupt nicht einschätzen, wie schnell ich unterwegs bin. »Hilde, was machst du jetzt?«, schießt es mir durch den Kopf, während ich versuche, den Weg durch die Tore zu finden.
Ich bin dann nach der Zwischenzeit bei einem langen Schwung abgebogen, weil ich das Gefühl hatte, dass die Fahrt nicht optimal ist. Vielleicht kam es mir auch nur so vor, weil ich mich nicht wohlgefühlt habe. Ich wollte nicht, dass die Katja am Ende den Gesamtweltcup meinetwegen verliert. Das hat mich einfach alles verunsichert. Mein Problem war zudem, dass ich die Trainer dort nicht gut kannte. Wenn ich das einem von meinen Heimtrainern erzählt hätte, hätte der sicher gesagt: »Hey, du fährst dein Rennen ganz normal fertig.«
Für mich war das in dem Moment aber überhaupt kein Thema und ich habe mich einfach in den Dienst der Mannschaft gestellt. »Okay, wenn das so läuft, dann wird das auch so sein, wenn ich um den Gesamtweltcup kämpfe und mich da eine Kleine rausboxen könnte«, ging es mir durch den Kopf.
Natürlich war es letztendlich egal, ob ich da ein paar Punkte gemacht hätte oder nicht. Am Ende ist die Anita Wachter 11. und die Katja 18. geworden. Ich bin mir sicher, dass ich unter normalen Umständen unter die ersten zehn gefahren wäre. Zwei Jahre später hätte ich das in der gleichen Situation sicher nicht mehr so gemacht. Aber da hätte mir so was wohl auch keiner mehr gesagt.
Trotz dieser eher unschönen Episode bleibt mir die Saison 1992/93 in bester Erinnerung. Eben weil ich unheimlich viel gelernt habe. Ich war lange eine sehr nervöse Athletin und musste immer mit mir kämpfen, um am Start ruhig zu bleiben und umzusetzen, was ich kann. Ich glaube, ich hätte die Gesamtwertung im Europacup auch gewinnen und noch mehr erreichen können. Doch im Großen und Ganzen war das eine super Saison mit meinem ersten Weltcuprennen.