Читать книгу PhiloSUFFie - H.R. Albrecht - Страница 5
ОглавлениеDie ersten trockenen Wochen und Monate
Entgiftungsstation? Bis dahin hatte ich noch nie etwas von einem solchen Ort gehört und wozu er wohl gut sein sollte. Das sollte sich schnell ändern.
Nachdem ich nach einer mächtigen Panikattacke mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden war, wurde ich auf eine Entgiftungsstation verlegt. Aus meiner Sicht völlig falsch. Klar, ich trank zu viel, aber das war aus meinem damaligen Empfinden heraus nicht mein Problem. Ich hatte doch Herzprobleme! Trotzdem war es mir erst mal egal, wo im Krankenhaus ich gelandet war. Hauptsache ich war in einem Krankenhaus, in dem ich mich sicher fühlen konnte, dort wo mir - dem Herzkranken - geholfen werden konnte. Notfalls könne man mich dort reanimieren, so dachte ich zu dieser Zeit.
Wenn man so will, haben die Panikattacken bei mir dazu geführt, dass ich mit dem Trinken aufgehört habe. Allerdings sorgten sie ein paar Wochen später noch einmal dafür, dass ich aus Angst um mein Herz rückfällig wurde, bis zur Besinnungslosigkeit soff und dann letztlich wieder auf der gleichen Station landete. Der zweiten Einweisung ging meine bis dahin heftigste Panikattacke voran. Diese schlimme Erfahrung sollte mich nun für viele Jahre trocken halten. Nicht die Einsicht ein Alkoholiker zu sein, nicht die Angst vor gesellschaftlichem Absturz, nein, nur die Angst vor der Angst, sie war der Motor, der mich „voran“ brachte.
Ich weiß natürlich, dass die Geschichten von Alkoholikern erheblich variieren, je nach Alter, Dauer des Alkoholkonsums, körperlicher oder seelischer Abhängigkeit. Schlimme Erlebnisse, Trennungen, Depression, Gefühl der Nutzlosigkeit, keinen Sinn mehr sehen, soziales Umfeld, Schulden, ich weiß um diese Unterschiede. Trotzdem, eins bleibt gleich: NUR wenn wir aufhören, können wir etwas von dem finden, was wir wirklich suchen. Nur dann.
Die Wochen auf der Entgiftungsstation vergingen. Ich sah Menschen, die immer wieder rein und raus gingen, Leute, die aggressiv waren. Ich sah Verhaltensstörungen und die Auswirkungen von Nervenschädigungen. Menschen, die ins Delirium fielen. Menschen, die körperlich extrem abgebaut hatten. Menschen, die starben.
Man konnte aber auch beobachten, wie sich Menschen etwas erholten. Kein Alkohol, Schlaf, regelmäßiges Essen und angemessene Körperhygiene machten aus dem einen oder anderen Wrack wieder eine ansehnliche Person.
Immer wieder erlebte ich dort auch die neunmalkluge Art von Alkoholikern, die gerade mal fünf Tage trocken waren aber schon 20 Entgiftungen hinter sich hatten. Ich meine die, die alles besser wussten, die sich zum Beispiel über jene Menschen lustig machten, die Selbsthilfegruppen ehrenamtlich vorstellten. Die ihren Spaß daran hatten, diese engagierten Menschen in Verlegenheit zu bringen, sie sogar vorzuführen. Diese abgefuckten Typen hatten alles verstanden, wussten um jeden kleinen Haken, den Alkoholiker schlagen, nur um sich selbst in einem bessern Licht erscheinen zu lassen. Auch wie sie andere Alkoholiker demoralisieren konnten, wussten sie nur zu gut. Nur eins wussten sie nicht: wie sie selbst trocken bleiben sollten. Meist kamen sie schon nach ein paar Tagen wieder in die Entgiftung und das Klugscheißen fing von vorne an. Mit diesen arroganten Typen hatte ich kein Mitleid, wenn sie wieder auf die Nase gefallen waren. Ich glaube, ich hatte damals eh mit wenigen Menschen Mitleid, am ehesten wohl noch mit mir selber. Erst heute, im Nachhinein, finde ich das Verhalten dieser Leute fatal. Sie haben so manchem Alkoholiker die Hoffnung genommen, nicht zuletzt auch sich selbst.
So vergingen die Wochen. Ich machte das Programm dort mit, kämpfte mit meinen Panikattacken, aber es ging mir schon etwas besser.
Mit Hilfe der Sozialarbeiterin fand ich eine Entwöhnungstherapie und wanderte im zweiten Anlauf nahtlos von der Entgiftung dort hin, ohne zu wissen, was mich dort erwartete.
Warum ich diese Anfangszeit hier kurz umrissen habe? Aus heutiger Sicht war das eine wirre Zeit. Nach der Entgiftung gibt es so viele neue Sinneseindrücke, die man verarbeiten muss, man versteht nicht wirklich, wohin die Reise gehen soll. Man ereifert sich über Probleme, die keine sind, oder zumindest nicht die eigenen. Und vor lauter Umwälzungen verliert man schnell das Wichtige aus dem Blick: Nicht saufen. Alles andere tritt dagegen in den Hintergrund. Wirklich alles. Die Frau, die Kinder, die Arbeitsstelle, alles, was im Normalfall wirklich wichtig ist, spielt zu diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle. Warum? Nun, was, wenn Du weiter säufst? Bleibt die Frau unter diesen Umständen ewig an Deiner Seite? Oder wird sie nicht gehen, wenn Du weiter säufst und die Kinder mit Deinem Verhalten schädigst? Und Deine Kinder? Wie viel Schaden hast Du ihnen schon zugefügt? Was werden sie zum Schluss von Dir denken? Der Arbeitgeber? Interessiert der sich wirklich für Dich? Was, wenn Du Dich kaputtgesoffen hast, wenn Du nicht mehr arbeiten kannst?
Du siehst: Alles geht zum Teufel, wenn Du nicht das Saufen lässt. Und ganz zum Schluss geht sogar DEINE Gesundheit vor die Hunde: Als finaler Höherpunkt verreckst Du, und das kann bei Spritköppen eine richtig miese Nummer sein.
Das tägliche Motto in dieser Zeit kann nur heißen, dass jeder Tag ohne Alkohol ein guter Tag ist!
Aber keine Sorge, es wird einfacher werden. Du wirst Dich nach und nach wohler fühlen, schöne Dinge ohne Alkohol wahrnehmen. Du wirst den Suff nicht mehr brauchen, steckst Dir Ziele, erreichst diese sogar. Steckst Dir neue Ziele, lernst sogar mit Rückschlägen, die sicher kommen, zu leben.