Читать книгу Vom Jakobsweg zum Tierfriedhof - Hubertus Lutterbach - Страница 11

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Auf den Buchcovern ihrer Erfahrungsberichte sind sie zu sehen: Pilger von heute in zünftigen Wanderschuhen, mit einer Jeans und einem Anorak, mit einem Rucksack auf dem Rücken und manchmal mit einem Wanderstab in der Hand, allein oder zu mehreren, unter blauem Himmel oder unter düsteren Wolken, meist in einer urtümlichen Landschaft oder vor einer Kirche. Sie betrachten das Pilgern als ein wichtiges Ereignis in ihrem Leben. – Dieses Buchkapitel handelt vom Pilgern als Ausdrucksweise der „gelebten Religion“. Es geht darum, inwieweit sich auch im aktuellen Pilgerboom die zunehmende Individualisierung, das vermehrte Ganzheitlichkeitsstreben und die wachsende Institutionendistanzierung zu erkennen geben. Ihren Ausgang nehmen die folgenden Überlegungen bei der provozierenden Frage: „Wo ist Hape Kerkeling?“

Ausgerechnet das von dem bekannten Komiker (und Katholiken) Hape Kerkeling 2006 veröffentlichte Buch Ich bin dann mal weg, das seinen Pilgerweg in den traditionsreichen spanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela beschreibt, erreichte in Deutschland erstaunlich hohe Verkaufszahlen. Bereits Mitte 2008 – also zwei Jahre nach Erscheinen – hatte es sich mehr als drei Millionen Mal verkauft. Mittlerweile ist die Marke von vier Millionen verkaufter Exemplare bereits überschritten. Länger als hundert Wochen behauptete sich das Buch auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste. Und nun steht auch noch seine Verfilmung an. Jedenfalls hat sich der Produzent Nico Hofmann die Rechte für die „Ufa Cinema“ gesichert; die ARD ist als Fernsehpartner mit dabei: „Hape Kerkeling ist nicht weg, sondern immer noch da – und zwar in den Bestsellerlisten. Seine Reisebeschreibung ,Ich bin dann mal weg‘ ist das erfolgreichste deutsche Sachbuch“, wie „Welt Online Kultur“ bilanziert.10

Der Titel des Kerkeling-Buches ist inzwischen zu einem „geflügelten Wort“ geworden, das man auf alle möglichen Zusammenhänge des Alltags anwenden oder auf diese hin umdeuten kann. So überschreibt Der Spiegel seinen Beitrag zum Wechsel des Fußballtrainers José Mourinho vom italienischen Erstligaverein Inter Mailand – dem italienischen Fußballmeister und Pokalsieger 2010 und Champions-League-Gewinner 2010 – zum spanischen Klub Real Madrid mit den Worten „Ich bin dann mal weg“.11 Unter dem Titel „Kurz-mal-weg.de“ bieten Reiseveranstalter kostengünstige Kurzreisen an.12 Mit dem Slogan „Ich bin dann mal weg“ stellt das Zweite Deutsche Fernsehen in einer Internet-Präsentation die bedeutendsten Rücktritte von deutschen Prominenten im Jahre 2010 vor.13 Berufsberatende Hinweise für Menschen, die von einer Stellenkündigung betroffen sind, werden unter der Schlagzeile präsentiert: „Ich bin dann mal weg. So nehmen Profis ihren Hut“14. Der Tagesspiegel diskutiert unter der Überschrift „Ich bin dann mal weg“ die Frage der Urlaubsregelung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in deutschen Firmen.15 Die SZ überschreibt im Jahr 2012 einen Artikel mit Vorschlägen, wie man „Brückentage“ verwenden soll, so: „Wir sind dann mal weg. Die außergewöhnlich vielen Brückentage dieses Jahres sind prima – wenn man weiß, wohin mit ihnen. Die Tipps von SZ-Autoren.“16 Jenas führende Hochschulzeitung lädt Studierende mit dem Slogan „Ich bin dann mal weg. Wenn Studenten der Uni den Rücken kehren“ zu einem „Freisemester“ für die eigene Selbstfindung ein.17 Also: Immer wieder greifen Menschen auf den Buchtitel von Hape Kerkeling zurück, weil sie den kernigen Spruch attraktiv finden, und verknüpfen ihn mit individuellen Aus-Zeiten oder mit der Abkehr von beruflichen Verpflichtungen. Insgesamt verbinden sie den Slogan „Ich bin dann mal weg“ mit der Einladung zu einem individuellen, selbstbestimmten und ganzheitlichen Lebensstil, der auf innere und äußere Mobilität ausgerichtet ist.

Vom Jakobsweg zum Tierfriedhof

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